Darum gehts
Es ist das Jahr 2011, und nach einem zermürbenden, vierjährigen Scheidungsprozess kann Karin Frehner endlich einen Schlussstrich unter ihre gescheiterte Ehe ziehen. Das meint sie zumindest, doch die Vergangenheit holt sie immer wieder ein. Grund dafür sind die Prozess- und Anwaltskosten, die sich Frehner damals nicht leisten konnte. Deshalb ist die Staatskasse dafür aufgekommen – vorerst.
Rund acht Jahre später, im Jahr 2019, flattert prompt die erste Rechnung des Obergerichts ins Haus: Frehner soll über 10’000 Franken zurückzahlen.
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Doch das Geld ist immer noch knapp. Das kann sie mit Unterlagen belegen. Das Gericht prüft die eingereichten Dokumente und kommt zum gleichen Schluss. Es verzichtet vorläufig auf das Inkasso. Frehner setzt ihre Unterschrift unter ein Dokument, dessen genauen Inhalt sie nicht versteht.
Es vergehen weitere sechs Jahre, bis das Gericht Anfang 2025 wieder anklopft. Seit der Scheidung sind rund 14 Jahre vergangen. Inzwischen ist Frehner erneut verheiratet. Zu mehr Geld gekommen ist sie aber nicht.
Muss sie die Rechnung bezahlen? Oder gar ihr neuer Ehemann? Kann der Staat nach so langer Zeit überhaupt noch einkassieren? Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Gerichtskosten und das Anwaltshonorar: Wer muss sie nicht bezahlen?
Grundsätzlich alle, denen das Geld für das Verfahren fehlt. Ob man sich scheiden lassen, den Lohn einklagen oder eine Mietzinsreduktion erstreiten will, spielt keine Rolle. Wichtig ist, dass das rechtliche Anliegen nicht aussichtslos erscheint.
Wer also Erfolgschancen hat und unter oder nur knapp über dem Existenzminimum lebt, bekommt die Gerichtskosten und das Anwaltshonorar vom Staat bezahlt.
Was muss man tun, um die Unterstützung zu erhalten?
Ein Gesuch stellen. Und zwar direkt beim Gericht, das über die Sache verhandelt. Darin muss man – selbstverständlich wahrheitsgetreu – aufzeigen, dass die nötigen Mittel fehlen.
Das heisst: Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse preisgeben und sich auch zur Sache und zu den Beweisen äussern. In den meisten Kantonen gibt es dafür Formulare, die man ausfüllen kann. Das Verfahren um die unentgeltliche Rechtspflege kostet grundsätzlich nichts.
Was gilt, wenn das Gesuch gutgeheissen wird?
Dann erhält man Zugang zum Recht, ohne etwas zahlen zu müssen – zumindest für den Moment. Konkret: Man wird etwa davon befreit, Gerichtskosten zu bezahlen.
Wenn es notwendig ist, übernimmt der Staat auch die Kosten für eine Anwältin. So etwa, wenn man als juristischer Laie mit dem komplexen Fall überfordert oder die Gegenpartei anwaltlich vertreten ist.
Was passiert, wenn das Gesuch abgelehnt wird?
Dann muss man grundsätzlich selbst für die Kosten des Prozesses aufkommen – sprich für die Gerichtskosten und das Anwaltshonorar, wenn man einen Anwalt mandatiert hat. Wer die Ablehnung nicht auf sich sitzen lassen will, kann sie anfechten.
Das birgt aber ein gewisses Risiko. Denn das Rechtsmittelverfahren ist nicht mehr kostenlos. Wer wiederum verliert, wird also zur Kasse gebeten – und ist in der eigentlichen Sache, etwa in der Scheidung, noch keinen Schritt weitergekommen.
Ist das Geld einfach geschenkt?
Nein. Man muss das Geld später zurückzahlen, sobald man dazu in der Lage ist. So etwa, wenn man wegen eines Jobwechsels mehr verdient oder wenn man geerbt hat.
Die Beträge werden also nur vorgeschossen. Das Gericht – oder an gewissen Orten die kantonale Steuerverwaltung – will sie später wieder zurück.
Wie kommt der Staat zu seinem Geld?
Um die Staatskasse zu füllen, überwachen die Kantone die potenziellen Rückforderungen recht genau. Wer gratis prozessieren durfte, hört also ziemlich sicher wieder vom Kanton. Sobald nach dem Prozess ein paar Jahre verstrichen sind, flattert sehr wahrscheinlich ein Schreiben der zuständigen Inkassostelle ins Haus – mit der Aufforderung, den vorgeschossenen Betrag zurückzuzahlen.
Dann gilt es, den Betrag zu begleichen, wenn man kann. Wer dazu noch nicht in der Lage ist, muss sich noch einmal in die Karten schauen lassen. Sprich: die Finanzen offenlegen und wenn möglich durch Dokumente belegen. Der Kanton will etwa wissen: Wie viel verdient man? Ist Vermögen vorhanden? Muss man jemandem regelmässig Unterhalt zahlen?
Was passiert, wenn man seine Finanzen nicht offenlegt?
Dann wird man eingeschätzt. Die Behörden klären dann einfach selber ab, ob man zahlen kann, in der Regel mit einer Steuernachforschung.
Es ist aber auch möglich, dass der Kanton einfach davon ausgeht, dass man nachzahlen kann und muss. Das ist gemäss einigen Juristen zulässig. Denn immerhin hat man seine Mitwirkungspflicht verletzt.
Wie geht es weiter, nachdem man die Unterlagen eingereicht hat?
Der Kanton prüft mit diesen Dokumenten, ob man in der Lage ist, nachzuzahlen. Wenn die Gerichtskasse davon ausgeht, dass genug Geld vorhanden ist, schickt sie eine Rechnung. Im Streitfall beantragt sie beim Gericht einen Nachzahlungsentscheid.
Wenn sich die finanziellen Verhältnisse nicht wirklich verbessert haben, verzichtet der Staat vorerst auf das Geld. Es ist aber zu erwarten, dass er zu einem späteren Zeitpunkt nochmals anklopft.
Wann hat man genügend finanzielle Mittel?
Normalerweise wenn die monatlichen Einnahmen das Existenzminimum übersteigen und der monatliche Überschuss reicht, um die Kosten innert vernünftiger Frist zurückzuzahlen.
Haftet der neue Ehepartner für die Schulden?
Nein. Der neue Ehegatte muss grundsätzlich nicht für die alten Prozesskosten aufkommen. Das gilt auch, wenn sie oder er finanziell gut aufgestellt ist.
Aber: Eheleute müssen einander beistehen. Die finanziell stärkere Seite muss deshalb mehr an den gemeinsamen Haushalt des Paars beisteuern. Das hat zur Folge, dass die Lebenshaltungskosten bei der Seite, die dem Staat Geld schuldet, rechnerisch sinken. Das führt dazu, dass dort mehr Geld zur Verfügung steht, um den geschuldeten Betrag zurückzuzahlen.
Kann das Gericht den Betrag jederzeit zurückfordern?
Nein. Der Anspruch des Kantons verjährt nach zehn Jahren. Ist diese Frist abgelaufen, kann der Staat nichts mehr fordern. Die Frist beginnt, wenn der Entscheid des Gerichts rechtskräftig geworden ist.
Während der Gerichtsferien läuft sie nicht. Deshalb verlängert sich die Verjährungsfrist jedes Jahr um 62 Tage.
Achtung: Die Gerichtskasse kann die Frist unterbrechen. Dann beginnt sie wieder ganz von vorne zu laufen.
Wie wird die Verjährungsfrist unterbrochen?
Zum Beispiel, wenn man als Schuldner die Forderung anerkennt. Oder wenn die Gerichtskasse betreibt oder eine Klage erhebt. Weil es hier um eine öffentlich-rechtliche Forderung geht, gibt es sogar noch mehr Unterbrechungsgründe.
Es genügen «sämtliche Handlungen, mit denen die Forderung in geeigneter Weise beim Schuldner geltend gemacht wird», sagt das Bundesgericht. Die Frist kann etwa auch dann neu zu laufen beginnen, wenn die Inkassostelle eine Zahlungsaufforderung oder Mahnung verschickt.
Was gilt, wenn der Kanton fordert, obwohl die Frist abgelaufen ist?
Wenn der Kanton es verpasst hat, den Betrag innerhalb der Verjährungsfrist zurückzufordern und diese auch nicht unterbrochen hat, kann man getrost abwinken. Am besten, indem man einwendet, dass man nicht auf die Forderung eingehen werde, weil der Anspruch bereits verjährt sei.
Und was ist nun mit der Rechnung, die Karin Frehner aktuell auf dem Tisch hat?
Ihr Einkommen hat sich nicht verbessert. Deshalb reicht sie noch einmal ihre Unterlagen ein, um das aufzuzeigen.
Doch dieses Mal bleibt die Gerichtskasse hart. Sie kommt zum Schluss, dass Frehner den Betrag in Raten abstottern könne. Denn: Ihr neuer Ehemann könne mehr an den gemeinsamen Haushalt zahlen, weshalb auf ihrer Seite mehr übrig bleibe. Verjährt sei die Sache noch nicht, weil sie die Forderung mit ihrer Unterschrift anerkannt habe, als der Staat das Geld erstmals zurückforderte.
Karin Frehner will es genau wissen und wendet sich an den Ombudsmann. Seine Einschätzung: Was die Gerichtskasse da sagt, ist grundsätzlich nachvollziehbar.
Am Schluss entscheidet sich das Paar, es nicht darauf ankommen zu lassen und den Betrag zu bezahlen. «Wir wollen endlich einen Strich drunter machen und mit der Scheidung von damals für immer abschliessen.»
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