Showdown im Ständerat
Bei der Individualbesteuerung hängt alles von einer Stimme ab

Bei der Individualbesteuerung kommt es zur Zitterpartie. Nur eine einzige Stimme trennen die beiden Lager. Im Vorfeld sorgte ausgerechnet ein Freisinniger für Nervenflattern bei der Pro-Allianz.
Publiziert: 02.06.2025 um 19:10 Uhr
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Aktualisiert: 03.06.2025 um 17:56 Uhr
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Die Heiratsstrafe soll fallen. Eine Allianz aus FDP, SP, GLP und Grünen will der Individualbesteuerung zum Durchbruch verhelfen.
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Darum gehts

  • Individualbesteuerung bleibt umstritten
  • FDP-Ständerat Schmid sorgte für Nervosität im Pro-Lager
  • Es bleibt knapp
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Ruedi StuderBundeshaus-Redaktor

Das Ringen um die Individualbesteuerung bleibt ein Krimi. Bisher setzte sich die Pro-Allianz aus FDP, SP, Grünen und Grünliberalen zwar in beiden Kammern durch – aber immer nur hauchdünn.

Jetzt könnte der Plot neu geschrieben werden, weil im Stöckli die Stimme des bisherigen SP-Ständerats Simon Stocker (44, SH) fehlt, nachdem ihm das Bundesgericht den Sitz aberkannt hat. Das Rennen wird noch enger. So kommt die progressive Allianz nur noch auf 23 Stimmen. Gegenüber 22 Stimmen aus Mitte und SVP, die den Systemwechsel vehement ablehnen. 

Eine einzige Stimme trennt die beiden Lager! Da darf nichts mehr schiefgehen. Ausgerechnet ein Freisinniger sorgte im Pro-Lager temporär für Nervenflattern: der Bündner Ständerat Martin Schmid (56).

130 Millionen teures Zückerchen

In der zuständigen Wirtschaftskommission hatte er nämlich in einer wichtigen Detailfrage die Gegenseite unterstützt. Demnach sollte der Kinderabzug neu 10'700 Franken betragen und zwischen den Eltern hälftig aufgeteilt werden. Mit Rücksicht auf Elternpaare mit ungleichen Einkommen soll der Abzug aber vom einen auf den anderen Elternteil übertragen werden können, damit dieser nicht verfällt, wenn auf dem tieferen Einkommen keine Steuer fällig wird.

Schmid hatte auch mit Blick auf eine Volksabstimmung aus taktischen Überlegungen für dieses Zückerchen plädiert, um so den Gegnern weniger Angriffsfläche zu bieten. Nur, dass diese Nettigkeit rund 130 Millionen Franken zusätzlich an Steuerausfällen verursachen würde. Der angepasste Kinderabzug würde die Vorlage von 600 auf 730 Millionen Franken verteuern. 

Zum Ärger der Linken. «Wir mussten bereits über unseren Schatten springen», sagt SP-Ständerätin Eva Herzog (63, BS). Ein Übertrag des Kinderabzugs bringe die ganze Vorlage in Gefahr, warnt sie. «Wir wollen zwar einen Systemwechsel, aber nicht um jeden Preis.»

Frühere FDP-Frauen-Chefin hofft

FDP-Nationalrätin Susanne Vincenz-Stauffacher (58, SG), die als frühere Präsidentin der FDP Frauen erfolgreich eine Volksinitiative für die Einführung der Individualbesteuerung lanciert hat, hofft darauf, dass es auf der Zielgeraden doch noch klappt. «Wir haben einen Kompromiss geschnürt, der allen Seiten Zugeständnisse abringt», sagt sie. «Jedes weitere Manöver ist Gift für das Projekt.»

Die beiden Frauen kämpfen dafür, dass das Paket nicht mehr aufgeschnürt wird. Will heissen: Der Kinderabzug soll – ohne Übertragungsmöglichkeit – auf 12'000 Franken steigen. Damit soll ein Erwerbsanreiz für beide Ehepartner geschaffen werden.

Schmid lenkt wohl ein

Schmid ist sich der politischen Tragweite durchaus bewusst, die eine abweichende Stimme mit sich bringt und damit das ganze Projekt kippen könnte. Dem Vernehmen nach will er dieses Risiko am Dienstag doch nicht eingehen und auf Parteilinie einspuren.

Den Kinderabzug-Übertrag könnte er zu einem späteren Zeitpunkt in einem separaten Vorstoss neu einbringen. So wäre die Vorlage bereits am Dienstag parat für die Schlussabstimmung. 

Verschlafen verboten!

Trotzdem verspricht die Debatte einen spannenden Showdown. Denn: «Es ist und bleibt eine ultra-enge Kiste», sagt SVP-Ständerat Hannes Germann (68, SH), der den Systemwechsel als «Bürokratiemonster» ablehnt.

«Entscheidend wird letztlich wohl die Präsenz sein», vermutet er. «Dies sowohl bei den Differenzen wie auch in der Schlussabstimmung am 20. Juni.» Verschlafen verboten also!

Das letzte Wort hat aber sowieso das Stimmvolk. Kommt die Vorlage im Parlament durch, ist das Referendum von konservativer Seite so sicher wie das Amen in der Kirche. Scheitert die Vorlage im Bundeshaus, bringen die FDP-Frauen ihre Volksinitiative an die Urne, die den ganzen Prozess ausgelöst hat.

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