Jetzt ist klar: Nach dem Abgang von Thierry Burkart (49) wollen die St. Galler Nationalrätin Susanne Vincenz-Stauffacher (58) und der Glarner Ständerat Benjamin Mühlemann (46) die FDP in einem Co-Präsidium anführen.
Vincenz-Stauffacher und Mühlemann verbindet nicht nur die Partei, sondern auch der Kanton. Sie tritt zwar im Kanton St. Gallen an, ihr Bürgerort ist aber neben Trun GR auch Glarus Süd.
Erste Co-Leitung der FDP
Es wäre das erste Mal, dass der Freisinn von einer Doppelspitze geführt wird. Es sei ein «ideales Modell», sagt Mühlemann gegenüber Blick. «Unsere politischen Werte stimmen überein, wir haben das gleiche Führungsverständnis und Verantwortungsbewusstsein.»
Angst, dass die beiden FDP-Chefs gegeneinander ausgespielt werden, hat Vincenz-Stauffacher nicht. «Wenn es zu Meinungsverschiedenheiten kommt, diskutieren wir das aus. Und gibt es gar keine Lösung, schlage ich Benjamin einen Jass vor», so die St. Galler Nationalrätin. «Ich kann doch gar nicht jassen», antwortet derweil Mühlemann lachend.
Alleine wäre die FDP aber nicht. Die SP kennt mit Mattea Meyer (37) und Cédric Wermuth (39) ein ähnliches Modell, auch die Grünen hatten schon Doppelspitzen.
Partei in einer schwierigen Phase
Die beiden werden die FDP in einer schwierigen Phase übernehmen. Seit den Wahlen 2023 wackelt der zweite FDP-Sitz im Bundesrat gewaltig. Das Duo hat keine Angst, dafür verantwortlich gemacht zu werden, wenn die Liberalen tatsächlich einen Sitz verlieren sollten. «Wir möchten aufzeigen, dass liberale Politik zum Wohlstand unseres Landes geführt hat», erklärt Mühlemann. Für Vincenz-Stauffacher ist klar, dass die Herausforderungen real sind. «Aber wir würden sie ja nicht alleine anpacken. Diese Partei ist voller erfahrener Profis, die in ihren Dossiers die Besten sind.»
Die St. Gallerin Susanne Vincenz-Stauffacher sitzt seit 2019 im Nationalrat. Dort kümmerte sie sich um Energie- und Umweltthemen und ist unter anderem Präsidentin des Schweizer Wasserwirtschaftsverbands – als Nachfolgerin von Bundesrat Albert Rösti (58).
Die grösste Aufmerksamkeit erhielt sie aber als Mutter der Individualbesteuerung. Als Präsidentin der FDP Frauen lancierte sie eine Initiative dafür und erreichte im Parlament einen indirekten Gegenvorschlag. Aktuell sammelt die Mitte-Partei Unterschriften dagegen.
Schwiegersohn ebenfalls im Parlament
Vincenz-Stauffacher studierte Jura, machte sich mit 25 selbständig und wurde früh Mutter. «Da bin ich auf die Welt gekommen. Man ging beispielsweise automatisch davon aus, dass ich nun zu Hause bleiben würde», sagte die Anwältin für Familienrecht gegenüber Blick vor vier Jahren. Schon nach dem Rücktritt von Petra Gössi (49) wurde sie als mögliche Parteipräsidentin gehandelt.
Vincenz-Stauffacher gilt als parteiübergreifend gut vernetzt – nicht nur im Bundeshaus, sondern auch privat. Ihr Schwiegersohn ist SVP-Nationalrat Mike Egger (33), der mit Lisa Vincenz verheiratet ist.
Der Glarner Ständerat Benjamin Mühlemann hingegen sitzt erst seit Dezember 2023 im Bundesparlament, national ist er noch kaum bekannt. Zuvor war er Regierungsrat, als Landammann stand er auch der Glarner Regierung vor. Gegenüber der «NZZ» sagte er, ihn habe die politische Kultur in Glarus geprägt – man diskutiere egal mit wem und wahre dabei die Contenance. Die Debatten in Bern würden ihn darum zuweilen stressen. «Ich säge mir dä, ä chlei meh Glaris täät em Land guet.»
Harzige Suche nach Kandidaturen
Mühlemann ist in Mollis GL aufgewachsen, engagierte sich in der Jugend in diversen Vereinen, machte Leichtathletik und spielte Waldhorn in der örtlichen Musikgesellschaft. Er studierte Journalismus, wechselte später in die Kommunikationsberatung.
Die Suche nach einem neuen FDP-Präsidium verlief harzig. Erst am letzten Tag der Anmeldefrist wagte sich das Kandidaten-Duo aus dem Busch. Grosse Namen wie Ständerat Damian Müller (40) oder Nationalrat Andri Silberschmidt (31) hatten zuvor abgesagt.
Wie die Partei nach Ablauf der Bewerbungsfrist am Mittwochabend mitteilte, waren keine weiteren Bewerbungen eingegangen. Laut der Findungskommission liege mit jener von Vincenz-Stauffacher und Mühlemann eine «starke Bewerbung» vor.
Auch der Corona-Massnahmengegner Nicolas Rimoldi (30) bekundete Interesse am FDP-Präsidium. Er ist derzeit jedoch kein Parteimitglied. Die Wahl des neuen Parteipräsidiums erfolgt bei der Delegiertenversammlung vom 18. Oktober.