Darum gehts
- Neue Zollgrenze für Einkaufstourismus wird durch Gruppen umgangen
- Deutsche Händler werben gezielt mit erhöhtem Freibetrag für Familien
- Forderung nach Senkung der Wertgrenze auf 50 Franken oder komplette Abschaffung
Der Bund hat die Schrauben für Deutschland-Shopper angezogen: Seit Anfang Jahr dürfen Schweizerinnen und Schweizer nur noch für 150 Franken pro Kopf und Tag im Ausland zollfrei einkaufen. Vorher war es doppelt so viel! Ziel der Halbierung: Der Einkaufstourismus soll gestoppt werden – dem Schweizer Detailhandel entgehen dadurch jedes Jahr Milliarden.
Doch nur wenige Monate nach Inkrafttreten zeigt sich: Die neue Regel ist leicht auszutricksen. Wer nicht allein einkauft, sondern mit Familie oder Freunden loszieht, kann den Freibetrag im Handumdrehen vervielfachen. Denn die Zollgrenze gilt weiterhin pro Person – und das heisst: Selbst Babys zählen mit.
Es sitzen mehr Leute in den Autos
Zollbeamte berichten von volleren Autos an der Grenze. «Es sitzen einfach mehr Leute in den Fahrzeugen», sagte ein Grenzwächter kürzlich zu Blick. Und laut der «NZZ» werden sogar Fahrgemeinschaften gebildet, um gemeinsam in Deutschland shoppen zu gehen. Das Motto dahinter: Bring mehr Leute mit, und du kannst weiterhin vergnügt einkaufen.
Die Shoppingfahrt nach Südbaden wird damit kurzerhand zum Familienausflug – mit Spareffekt und Spassfaktor! So zumindest inszenieren ihn die deutschen Detailhändler: Sie nutzen den Einkaufstouristen-Trick als Werbebotschaft. Und führen der Schweizer Politik mit breitem Grinsen vor, dass die neue Regelung die wenigsten schmerzt.
Besonders auffällig: Plakate und Banner der Kette Edeka und ihrer Tochter Marktkauf. Darauf zu sehen ist ein Cabriolet mit Schweizer Fahne und einer vierköpfigen, fröhlich winkenden Familie. Der Schriftzug auf dem Nummernschild: «600 CHF Freibetrag». Daneben der Slogan: «Gemeinsam einkaufen, gemeinsam sparen.»
Edeka Südwest ist genossenschaftlich mit selbstständigen Detaillisten organisiert. Auf Blick-Anfrage erklärt das Unternehmen, man freue sich über alle Kundinnen und Kunden – und richte Werbung lokal auch gezielt an solche aus der Schweiz.
«Das war wirklich absehbar»
Die Zollfreigrenze zu umgehen, indem man einfach in der Gruppe nach Deutschland reist: Genau das passiert jetzt häufiger. Und genau das hatte Sandra Stadler (48) vorausgesagt. Die Präsidentin der Thurgauer Mitte-Partei wohnt selbst in Grenznähe. Vor allem in der Ostschweiz sorgt der Einkaufstourismus seit Jahren für Unmut.
«Die Preisjägerinnen und Preisjäger fahren einfach einmal mehr über die Grenze oder nehmen ein grosses Auto und füllen es mit doppelt so vielen Leuten – schon haben sie eine Lösung», warnte die Kantonsparlamentarierin vor der Senkung der Freigrenze in der «Thurgauer Zeitung».
«Das war wirklich absehbar», sagt Stadler heute zu Blick. Man könne es deutschen Händlern nicht verübeln, dass sie mit gezielter Werbung versuchen, das mehrwertsteuerfreie Einkaufsbudget der Schweizer Kundschaft maximal zu nutzen – und damit zugleich der Berner Politik ein Schnippchen schlagen.
Ostschweizer für neue Verschärfungen
Aus Sicht Stadlers darf die Senkung der Freigrenze lediglich ein erster Schritt sein. «Mittelfristig muss die Wertgrenze ganz weg oder zumindest auf 50 Franken runter», fordert sie. Eine weitere Verschärfung ergebe aber nur dann Sinn, wenn die Verzollung voll digital abgewickelt werden könne – ohne Papierschlacht an der Grenze. «Sonst droht Bürokratie», zeigt sich Stadler pragmatisch. «Es wäre unverhältnismässig, wenn auch der kleinste Einkauf vor Ort verzollt werden müsste.»
Die Kantone Thurgau und St. Gallen hatten per Standesinitiative gefordert, dass die Zollfreigrenze ganz verschwinden soll. Die Senkung auf 150 Franken war ein Kompromiss des Bundes. Der Thurgauer Volkswirtschaftsdirektor Walter Schönholzer (59, FDP) kündigte bereits Ende 2024 gegenüber Blick an: Man werde nun beobachten, wie sich die neue Regelung bewährt, «und das Ganze gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt neu lancieren».