Darum gehts
- Bundesrat schlägt Änderung des Epidemiengesetzes vor, um Lehren aus Corona-Pandemie umzusetzen
- Klarere Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen bei Gesundheitsgefahren geplant
- Anonymisierte Krankenkassen-Daten sollen für Impfüberwachung verwendet werden
Der Bundesrat will die Lehren aus der Corona-Pandemie gesetzlich verankern: Er überweist am Mittwoch eine Änderung des Epidemiengesetzes ans Parlament. Mit der Revision soll vor allem geklärt werden, wer im Ernstfall wofür zuständig ist. Zwischen Bund und den Kantonen würden in der neuen Vorlage die Kompetenzen bei einer besonderen Gefährdung der öffentlichen Gesundheit durch eine übertragbare Krankheit klarer verteilt, wie die Landesregierung mitteilt.
Bei der Medienkonferenz kam es zu einem kleinen Corona-Revival: Innenministerin Elisabeth Baume-Schneider (61) und die Direktorin des Bundesamts für Gesundheit (BAG), Anne Lévy (54), kommunizieren die Neuerungen zusammen mit dem Basler Regierungsrat Lukas Engelberger (50), der den kantonalen Gesundheitsdirektoren vorsteht. Engelberger war auch während Corona-Zeiten zumeist an den Medienkonferenzen des Bundesrates dabei.
Bund muss zuerst zu Parlament und Kantonen
Auf der einen Seite will die Vorlage, dass der Bundesrat zukünftig zuerst das Parlament und die Kantone konsultiert, bevor er eine besondere Lage erklären darf. Die Kantone bleiben laut Bundesrat hauptsächlich für das Anordnen von Einschränkungen zuständig. Dennoch könne sich der Bund vorbehalten, auch schweizweite Massnahmen umzusetzen, wie etwa die Maskenpflicht in den öffentlichen Verkehrsmitteln.
Zudem müssten sich Bund und Kantone auch darum bemühen, dass eine nächste Pandemie die Behörden nicht erneut überrascht und überwältigt: Sie würden verpflichtet, sich auf gesundheitliche Notlagen vorzubereiten, insbesondere mit Krisenplänen wie dem nationalen Pandemieplan. Dieser gebe eine Übersicht über die Massnahmen, mit denen sich die Schweiz für Epidemien rüsten und sie bewältigen könne, so der Bundesrat. «Eine gute Vorbereitung ist wichtig, um eine Gesundheitskrise besser zu bewältigen», sagte Baume-Schneider an der Medienkonferenz.
Bessere Impfüberwachung
Ebenfalls soll bei den Impfmassnahmen mehr Klarheit herrschen: Die Kantone seien für den niederschwelligen Zugang zuständig, so der Bundesrat. Der Bund kann dafür neu anonymisierte Krankenkassen-Daten verwenden, um die Impfmassnahmen zu erarbeiten.
Neben diesem Impfüberwachungssystem sollen etwa auch das nationale Meldesystem, das Abwassermonitoring und die Genomsequenzierung bestimmter Krankheitserreger verbessert werden. Besonderes Augenmerk läge auf der Digitalisierung. «Das BAG wird keine Meldungen mehr per Fax entgegennehmen müssen», so Baume-Schneider. Während der Corona-Pandemie war dies noch so.
Zusätzlich wird ein Teil des Covid-19-Gesetzes in das bestehende Epidemiengesetz integriert, nämlich die Finanzhilfen für die Wirtschaft. Und der Bundesrat könne mit der verbesserten Vorlage zukünftig wichtige medizinische Güter selbst herstellen lassen, wenn die Kantone oder Private dazu nicht in der Lage sind.
Es geht nicht nur um Corona: Auch die «stille Pandemie» Antibiotikaresistenz soll in der neuen Vorlage besser bekämpft werden. So will der Bund in Zukunft etwa den Antibiotika-Einsatz in den Spitälern überwachen. Oder etwa den Herstellern Abnahmegarantien für neue Antibiotika gewähren, wie BAG-Direktorin Anne Lévy erwähnte. Deren Einführung sei auf dem Schweizer Markt nämlich oftmals nicht wirtschaftlich attraktiv.
Kantone begrüssen Gesetz – mit einem kleinen Aber
«Der Mensch vergisst schnell», sagt der oberste Gesundheitsdirektor Lukas Engelberger. Die Bevölkerung sei froh gewesen, als die Massnahmen wieder verschwanden. Im Rückblick müsse aber bilanziert werden, dass klarere Massnahmen nötig gewesen seien. Zahlreiche Menschen seien verstorben oder litten noch heute unter Long Covid. «Es ist wichtig, aus Krisen zu lernen», sagt Engelberger. Darum ginge es nun bei dieser Revision.
Dennoch: Die Kantone wären froh, wäre die Vorlage etwas konkreter gewesen. Eine strategische Gesamtführung des Bundesrates wäre wünschenswert gewesen. «Wir sind uns aber bewusst, dass sich eine solche Führungsrolle dann in der Praxis zeigt», sagt Engelberger.
Sowieso müsse das Gesetz auch im Alltag funktionieren, so der oberste kantonale Gesundheitsdirektor. «Eine nächste Gesundheitskrise kann sich deutlich von der Corona-Pandemie unterscheiden.» Man dürfe also nicht überregulieren. Der neue Gesetzesvorschlag biete einen guten Handlungsspielraum.
Bundesrat überweist neues Epidemiegesetz an das Parlament
Mit dem neuen Epidemiengesetz soll die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen verbessert werden, so Gesundheitsministerin Baume-Schneider. Auch soll die Vorbereitung für eine nächste Krankheits-Krise besser aufgestellt werden. So werden Lehren aus der Corona-Pandemie gezogen.
«Eine gute Vorbereitung ist wichtig, um eine Gesundheitskrise besser zu bewältigen», so Baume-Schneider. Aber auch die Überwachung sei von grosser Bedeutung. Mit der Vorlage soll der Bund einen Epidemieverlauf besser überwachen können. Und die Kantone sollen die Massnahmen nach ihren Bedürfnissen umsetzen, aber auch der Bund schweizweite Massnahmen ergreifen können.
Die Medienkonferenz ist beendet
Nach der letzten Frage aus dem Publikum verabschiedet Bundesratssprecherin Nicole Lamon die Anwesenden.
Abnahmegarantien für neue Antibiotika
Die Bekämpfung der Antibiotikaresistenzen seien einer der grossen Pluspunkte der Vorlage, antwortet BAG-Direktorin Lévy auf eine Frage. Mit dem neuen Gesetz könnten etwa vom Bund Abnahmegarantien für neue Antibiotika gewährt werden, die sonst auf dem Schweizer Markt nicht wirtschaftlich attraktiv wären.
Verlieren die Kantone an Macht?
Beschneidet das neue Gesetz die Kompetenz der Kantone? «Wir sehen immer noch eine grosse Verantwortlichkeit bei den Kantonen», sagt Engelberger. Bei der Eskalation der Krise seien jedoch Massnahmen des Bundes sehr hilfreich. Die Maskenpflicht sei so ein Beispiel aus der Pandemie. «Es ist keine Schwächung, es hilft den Kantonen in einer solchen Lage.»
Keine «unverhältnismässige Massnahmen» mehr?
Gebe es in der neuen Vorlage eine Absicherung, dass keine «unverhältnismässige Massnahmen» eingeführt werden, fragt ein Journalist. Als Beispiel wird etwa die Isolierung der Menschen in Altersheimen genannt.
Im neuen Pandemieplan seien solchen Fragestellungen einbezogen, antwortet BAG-Direktorin Anne Lévy. Für einige seien die Massnahmen zu weit gegangen, andere sahen sich zu wenig geschützt. Man werde zukünftig mit den Interessensgruppen besser individuell kommunizieren und den Bedürfnissen Sorge tragen.
«Wir dürfen nicht überregulieren»
«Das Gesetz muss auch im Alltag funktionieren», sagt Engelberger. So etwa bei der Digitalisierung oder den Antibiotikaresistenzen.
«Eine nächste Gesundheitskrise kann sich deutlich von der Corona-Pandemie unterscheiden», so Engelberger. Man dürfe also nicht überregulieren. Der Gesetzesvorschlag biete nun einen guten Handlungsspielraum.
Engelberger und die Kantone begrüssen das neue Gesetz
«Der Mensch vergisst schnell», sagt der oberste Gesundheitsdirektor Lukas Engelberger. Die Bevölkerung sei froh gewesen, als die Massnahmen wieder verschwanden. 2020 hätten der Bund und die Kantone noch angenommen, dass die Lage trotz steigender Fallzahlen «unter Kontrolle» sei.
Im Herbst kam jedoch die zweite Welle und damit «dramatische Monate». Zahlreiche Menschen seien verstorben oder litten noch heute unter Long Covid. Im Rückbilck seien klarere Massnahmen nötig gewesen. «Es ist wichtig, aus Krisen zu lernen», sagt Engelberger. Darum ginge es nun bei dieser Revision.
Dennoch: Die Kantone wären froh gewesen, wenn die Vorlage etwas konkreter sei. Eine strategische Gesamtführung des Bundesrates wäre wünschenswert gewesen. «Wir sind uns aber bewusst, dass sich eine solche Führungsrolle sich dann in der Praxis zeigt», sagt Engelberger.
Antibiotikaresistenzen besser bekämpfen
Es geht nicht nur um Corona: Auch die «stille Pandemie» Antibiotikaresistenz soll in der neuen Vorlage besser bekämpft werden. So will der Bund in Zukunft etwa den Antibiotika-Einsatz in den Spitälern überwachen.
Finanzhilfen sollen ins Epidemiegesetz
Die im Covid-19-Gesetz eingeführten Finanzspritzen für die Wirtschaft sollen nun ins «normale» Epidemiegesetz eingeführt werden. Während Corona musste der Bund mittels Nothilfe handeln – das soll nicht mehr so sein.
Keine Fax-Meldungen mehr
«Das BAG wird keine Meldungen mehr per Fax entgegen nehmen müssen», sagt Baume-Schneider. Während der Corona-Pandemie war dies noch so.
Ebenfalls soll sichergestellt werden, dass bei einer zukünftigen Krise genügende medizinische Güter wie etwa Masken zur Verfügung stehen. Wenn die Kantone oder Private nicht genügend produzieren können, könne der Bund eingreifen.
Bund und oberster Gesundheitsdirektor treten um 14 Uhr vor die Medien
Innenministerin Elisabeth Baume-Schneider, die BAG-Direktorin Anne Lévy und der oberste Gesundheitsdirektor Lukas Engelberger treten vor die Medien und präsentieren das überarbeitete Epidemiengesetz