Deep Fakes in der Politik
Arslan gegen Glarner: Das sagt das Gesetz

SVP-Politiker Andreas Glarner hat ein Deep-Fake-Video seiner politischen Gegnerin Sibel Arslan veröffentlicht. Die Staatsanwaltschaft fordert die Aufhebung seiner Immunität, um ermitteln zu können – wegen Identitätsmissbrauchs.
Publiziert: 07.05.2025 um 21:04 Uhr
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Aktualisiert: 07.05.2025 um 21:51 Uhr
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Andreas Glarner muss sich möglicherweise vor Gericht verantworten.
Foto: keystone-sda.ch

Darum gehts

  • Identitätsmissbrauch ist seit 2023 strafbar in der Schweiz
  • Deep Fakes mit KI erstellt können zu Identitätsmissbrauch führen
  • Über 1000 Fälle von Identitätsmissbrauch im ersten Jahr gemeldet
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Norina Meyer
Beobachter

Das Schweizer Strafgesetz ist seit 2023 um einen Straftatbestand reicher: Identitätsmissbrauch. Das relativ neue Verbot trifft den Nerv der Zeit: Schon im ersten Jahr beschäftigt er Behörden und Betroffene über tausend Mal. Und – zumindest in einem Fall – auch die Schweizer Politszene. Aber von vorn. 

Artikel aus dem «Beobachter»

Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.

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Stellen Sie sich vor, Sie stossen online auf ein Video. Darauf zu sehen: Sie, wie Sie – offenbar mit Ihrer eigenen Stimme – über Freunde herziehen oder politisch heikle Äusserungen von sich geben. Solch sogenannte Deep Fakes wirken täuschend echt. Sie werden mit künstlicher Intelligenz erstellt. 

Das Video wurde schon vor Gericht verhandelt

Ähnliches hat sich im Vorfeld der nationalen Wahlen 2023 in der Schweizer Politik ereignet. Sibel Arslan, Menschenrechtlerin und Nationalrätin der Grünen, fand sich in einer Videoaufnahme wieder, in der sie dafür plädierte, türkische Straftäter auszuschaffen und die SVP zu wählen – alles Aussagen, die so ganz und gar nicht ihrer Überzeugung entsprechen.

Dahinter steckte einer ihrer politischen Gegner, nämlich Andreas Glarner von der SVP. Er liess die täuschend echte Aufnahme mittels künstlicher Intelligenz erstellen, mit einem sogenannten Deep Fake. Inzwischen hat Arslan längst gerichtlich erwirkt, dass das Video vom Netz genommen wurde – natürlich alles auf Kosten von Glarner. Glarner macht geltend, der Inhalt sei derart absurd gewesen, «dass auch der grösste SVP-Fan merkte, dass das Video nicht echt ist».

Die Sache mit der Immunität

Doch hat sich Glarner dadurch strafbar gemacht? Dieser Frage kann die Aargauer Staatsanwaltschaft vielleicht bald nachgehen. Denn sie hat beantragt, dass die Immunität des SVP-Politikers aufgehoben wird. Die Immunitätskommission des Nationalrats stimmte zu. Sie hält fest, dass ein solches Verhalten dem Parlamentsbetrieb erheblich schadet. 

Damit die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen aufnehmen kann, braucht es aber noch den Ständerat. Genauer: Die ständerätliche Rechtskommission, die für Immunitätsfragen zuständig ist. Sie entscheidet am 27. Juni.

Beim Beobachter erfahren Sie, was hinter dem Tatbestand des Identitätsmissbrauchs steckt und wie Sie sich schützen können:

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Was sagt das Gesetz zum Missbrauch einer Identität?

Es ist nun explizit verboten, eine fremde Identität zu verwenden. Im Kern geht es darum, dass sich jemand als eine andere Person ausgibt, ohne dass diese eingewilligt hat oder überhaupt davon weiss (siehe «So schützen Sie sich vor Identitätsmissbrauch»). Wer sich bloss aus Jux oder Übermut einer anderen Identität anmasst, macht sich aber noch nicht strafbar. Denn die Betrüger müssen sich oder einen anderen bevorteilen oder der betroffenen Person schaden wollen – sei es finanziell oder indem man ihr viel Ärger beschert. Wer eine neue, fiktive Identität erfindet, macht sich ebenfalls nicht strafbar. Es muss sich bei der betroffenen Person also um einen echten Menschen handeln.

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Mit welchen Angaben kann man eine fremde Identität klauen?

Bereits mit dem Vor- und Nachnamen, der Adresse oder dem Geburtsdatum können Identitätsdiebe grossen Schaden anrichten. Dasselbe gilt für ein Foto oder die Unterschrift einer Person, ihre Mailadresse oder Kontonummer. Auch Angaben über Geschlecht, Nationalität oder Grösse sind Daten, die Identitätsdiebe nutzen und missbrauchen können. 

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Wie kommen Identitätsdiebe an die Daten?

Zum Beispiel über eine Phishing-Mail, die einen auffordert, auf einen Link zu klicken. Oder etwa mit Hilfe von Trojanern, die sich in den Computer schleichen. Viele Angaben sind aber frei im Internet zugänglich – denn wir veröffentlichen täglich persönliche, manchmal sogar intime Informationen auf Social Media

Der Datenklau muss aber nicht unbedingt online geschehen. Auch bei Einbrüchen in Wohnungen können Angaben über Personen in falsche Hände gelangen. Oder indem Gauner das Altpapier oder den Müll vor dem Haus durchwühlen. Im Visier der Datendiebe stehen aber nicht nur Privatpersonen, sondern häufig auch Firmen – mit dem Ziel, grosse Mengen an Kundendaten zu erbeuten.

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Was gilt als Identitätsmissbrauch?

Es muss nicht immer ein Deepfake sein, also ein gefälschtes Video. Betrüger verwenden auch sehr einfache Tricks, die nicht einmal besondere technische Kenntnisse benötigen. Zum Beispiel, indem sie online Waren bestellen, eine Villa buchen oder einen Handyvertrag abschliessen – das alles im Namen und auf Rechnung des Opfers.

Manche Betrüger machen sich die Wohnungsnot zunutze: Sie stellen unter einem fremden Namen attraktive und günstige Wohnungen ins Netz und fordern Interessenten zum Beispiel auf, eine Anzahlung zu überweisen. Manchmal verlangen sie zusätzlich eine Kopie des Personalausweises und kommen so wiederum zu fremden Daten, die sie missbräuchlich nutzen können. 

Ein anderer Trick: Täter dringen etwa in einen fremden Facebook-Account ein oder erstellen ein neues Konto mit den persönlichen Angaben und Fotos einer Person. Bilder sind im Internet schnell gefunden, etwa in sozialen Netzwerken oder über eine Bildersuche.

Den Account nutzen die Betrügenden dann, um an Geld zu kommen oder um das Opfer online schlechtzumachen. Etwa indem sie heikle politische oder sexuelle Äusserungen posten.

Manchmal melden sich Täter auch unter dem Namen ihres Opfers bei dessen Verwandten und Freunden und tischen eine Lügengeschichte auf. Zum Beispiel, dass man dringend Geld benötige, weil man im Ausland überfallen worden sei. Oder sie geben sich mit einer ähnlichen Geschichte bei älteren Menschen als deren Enkel aus.

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Was haben Opfer zu befürchten?

Dass sie Geld oder ihren guten Ruf verlieren. Sogar ein Strafverfahren kann ihnen blühen, wenn Kriminelle unter ihrem Namen Straftaten begehen, zum Beispiel indem sie gefälschte Waren importieren. Wenn die Straftaten auffliegen, wendet sich die Polizei natürlich zunächst an die Person, deren Identität missbraucht wurde. 

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Verfolgen die Strafbehörden die Tat von sich aus?

Nein. Damit der Identiätsklau verfolgt wird, braucht es einen Strafantrag. Dazu berechtigt ist, wer durch die Tat verletzt worden ist – also jene Person, deren Identität widerrechtlich verwendet wurde. Achtung, die Zeit läuft: Man hat nur drei Monate Frist, um den Strafantrag zu stellen. Die Frist beginnt aber erst zu laufen, wenn man weiss, wer der Täter ist. Wenn das noch unklar ist, kann man einen Strafantrag gegen unbekannt stellen. 

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Welche Konsequenzen blühen einem Identitätsdieb?

Wer eine fremde Identität missbraucht, kassiert eine Geldstrafe oder sogar eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr – je nach Ausmass der Übeltat. 

Hinweis: Dieser Artikel wurde erstmals am 7. Februar 2024 veröffentlicht und am 5. Mai 2025 aktualisiert. 

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