Darum gehts
- Der 28-jährige Claude Bernhard absolvierte zwei Lehren und ein Studium vor Berufseinstieg
- Lohnverhandlungen sind für Berufseinsteiger oft schwierig
- Lohnverhandlungen sollten laut Claude bereits in der Schule thematisiert werden
Claude Bernhard (28) steht kurz vor seiner ersten festen Stelle. Nach Jahren der Ausbildung beginnt für den jungen Mann im nächsten Monat die Arbeit als Projektingenieur – ein echter Meilenstein. Damit teilt er aktuell die Erfahrung vieler junger Erwachsener: den Übergang vom Lernenden oder Studierenden zum Berufseinsteiger.
Blick trifft Claude Bernhard in Zürich. Er erzählt von seinem interessanten, auch steinigen Werdegang – und davon, weshalb der grosse Schritt in die Arbeitswelt herausfordernd sein kann, besonders wenn es um das Thema Lohn geht.
Das Ziel nie aus den Augen verlieren
Bernhard hat dieses Jahr sein Studium in erneuerbaren Energien und Umwelttechnologien abgeschlossen. Bis er seine Stelle als Projektingenieur zugesichert bekam, war viel Einsatz nötig. «Ich hätte niemals geglaubt, dass ich am Schluss einen akademischen Titel habe», sagt er stolz. Bis dahin hat er sich von Steinen in seinem Lebensweg nicht aufhalten lassen.
In der Oberstufe war Claude Bernhard Realschüler und wurde teils in Kleinklassen unterrichtet. «Das ist in unserem Bildungssystem so ziemlich die schwächste Einstufung», sagt er selbst. Danach absolvierte er eine zweijährige EBA-Lehre als Kunststoffverarbeiter. Für ihn war klar: Es sollte noch weitergehen. Es folgte eine zweite Lehre als Chemielaborant mit EFZ-Abschluss, die technische Matura, ein abgebrochenes Maschinenbau-Studium.
Lohnverhandlungen sind wichtig, aber wo lernt man das?
Zum ersten Mal sah sich Bernhard beim Unterzeichnen seines Lehrvertrags als Kunststoffverarbeiter mit der Lohn-Frage konfrontiert. «In der Lehre ist es gar nicht angedacht, dass man darüber verhandelt.» Rückblickend findet er jedoch: Auch da wäre ein Verhandlungsspielraum angebracht.
Mit 16 Jahren sei man häufig zu jung und unerfahren, um selbstbewusste Forderungen an den Lohn zu stellen. Hinzu komme ein weiteres Problem: Das Wissen rund um Lohnverhandlungen werde jungen Menschen kaum vermittelt. «Die Lernenden sollten ein Bewusstsein dafür entwickeln, was ihre Rechte sind – und dass sie für ihre Arbeit auch etwas verlangen dürfen. Man sollte bereits in der Schule versuchen, das zu vermitteln», findet er.
Oft bleibt es deshalb der Eigenverantwortung überlassen, herauszufinden, wie viel die eigene Arbeit wert ist. Zwar gibt es Online-Lohnrechner sowie Tipps von Gewerkschaften und Berufsverbänden – doch viele kennen diese Angebote nicht.
Auch Claude Bernhard erfuhr erst davon, als ein Studienkollege ihn aufs Thema Lohnverhandlungen aufmerksam machte. «Erst da wurde mir bewusst, dass ich mich auch darauf vorbereiten sollte.» Beim Austausch mit anderen merkte er: Viele verhandeln rein nach Bauchgefühl.
«Löhne häufig nicht transparent»
«Ein grosses Problem ist, dass Löhne häufig nicht transparent sind», merkt er an. Das zeuge davon, dass Geld in der Schweiz nach wie vor ein Tabuthema sei. Professorin Anna Sender, die zu Lohntransparenz forscht, formulierte es gegenüber Blick so: «Wer viel verdient, lügt oft über den eigenen Lohn.» Das erschwert es den Berufseinsteigern, einzuschätzen, wie hoch ein fairer Lohn ausfallen soll.
Gerade in der Ingenieurbranche gebe es grosse Unterschiede, was es nicht einfacher mache, eine gute Verhandlungsbasis zu haben, weiss Bernhard aus eigener Erfahrung. Zudem sei man häufig schon froh, überhaupt ein Stellenangebot zu bekommen. «Man traut sich dann gar nicht richtig, mit Lohnforderungen um die Ecke zu kommen.»
Zudem betont Claude Bernhard, wie wichtig Vitamin B sei – auch für seinen aktuellen Job war das hilfreich. «Man muss im richtigen Moment die richtige Person anhauen.» Dass Kontakte Türen öffnen, findet er grundsätzlich nachvollziehbar. Gleichzeitig fragt er sich, wie gerecht dieses System für jene ist, die kein Netzwerk mitbringen. So kann ein fehlendes Netzwerk zu einer weiteren Hürde für Berufseinsteiger werden.
Schwierige Erfahrungen in der Lehre
Bernhards Blick auf die Arbeitswelt wurde stark durch seine Lehrjahre geprägt. Während seine EBA-Lehre in einem angenehmen Umfeld stattfand, machte er in der Ausbildung zum Chemielaboranten gegenteilige Erfahrungen. «Es war sehr hierarchisch. Als Mitarbeiter hatte man nichts zu sagen, erst recht nicht als Lehrling.»
Auch die Anstellungsbedingungen seien teils fragwürdig gewesen. «Als Lehrling ist man der letzte Teil einer langen Kette, und das bekam ich da zu spüren.» Weil Bernhard bei einem wichtigen Arbeitgeber seiner Region – mit finanzieller Kraft und viel Einfluss – angestellt war, traute er sich nicht, dagegen vorzugehen. Und er wusste auch gar nicht, wie er dies hätte tun sollen. «Wäre ich heute in der Situation, würde ich zu den Gewerkschaften gehen. Selbst wenn man da nicht weiterkommt, ist die Angelegenheit wenigstens dokumentiert, und man kann andere Dinge ins Rollen bringen.»
Heute blickt Claude Bernhard zuversichtlich in die Zukunft. Seinem jüngeren Ich – und allen, die gerade ins Berufsleben starten – würde er raten: sich nicht stressen lassen! «Man darf auch scheitern, das gehört zum Prozess dazu.» Und sollte man mit 25 Jahren noch einen neuen Weg einschlagen wollen, solle man es lieber wagen, anstatt es dann mit 50 zu bereuen.