«Man muss auch Nein sagen können»
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Andryy und To Athena:Drei Tipps, wie du in der Musik-Branche Fuss fassen kannst

To Athena und Andryy über Schweizer Musikszene
«Früher war es mir peinlich, meine Musik Mundart zu nennen»

In der Musikszene Fuss zu fassen und Bekanntheit zu erlangen, ist ein schweres Unterfangen. Blick sprach mit den aufstrebenden Musikacts To Athena und Andryy über die Hindernisse in der Branche und die Veränderung im Mundartgenre.
Publiziert: 24.05.2025 um 19:55 Uhr
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Aktualisiert: 24.05.2025 um 19:57 Uhr
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Andryy (links) und To Athena gehören zu den neuen Namen der Schweizer Mundartmusik.
Foto: Kim Niederhauser

Darum gehts

  • Mundart-Musik entwickelt sich, To Athena und Andryy sind vielversprechende neue Namen
  • Junge Künstler finden es schwierig, von Mundart-Musik zu leben
  • Spotify zahlt jährlich etwa 2000 Franken an Künstler wie Andryy
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Wer an Mundart denkt, denkt an Gölä (56), Polo Hofer (1945–2017), Sina (58) und Plüsch. Neue Namen haben es in diesem Genre schwer. Trotzdem gibt es sie. Und sie sind vielversprechend: Die Luzernerin To Athena (30) und der Winterthurer Andryy (32) haben beide für ihr Schaffen schon einen Swiss Music Award abgeräumt. Am kommenden Mittwoch könnte für Andryy der zweite hinzukommen. Trotzdem: Einfach ist es für beide nicht, von ihrer Arbeit gut leben zu können.

Blick: Was kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie das Wort «Mundart» hören?
To Athena: Ich glaube, am Anfang die traditionellen und etwas altbackenen Sachen wie Gölä beispielsweise. Also nichts gegen traditionelle Musik, aber das Wort «Mundart» hat bei mir eine kleine Reise durchgemacht. Heute gibt es mehr Diversität in diesem Feld.
Andryy: «Mundart» ist für mich eine Schublade, in die man schnell viel anhand der Sprache, nicht aber anhand des Stils reinpackt. Die Genres mit Mundart-Texten sind ja so breit gefächert, das Wort wird all dem gar nicht gerecht. Und dann ist für mich Mundart auch eine Sprache mit sehr wenigen Wörtern, mit denen man für Lieder Texte reimen kann.

Ist dem so?
Andryy: Ja. Wir haben geschätzt 60 Wörter, die sich um den Bauernhof drehen. Und bei Emotionen ist es jeweils eins.

«Mundart» hat oft das Bild vom «bünzligen» Genre. Wie viel Bünzli steckt heute noch in Mundart?
To Athena: Ich denke, heute nicht mehr viel. Früher fand ich es ultrapeinlich, meine Musik als «Mundart» zu betiteln. Das ist es heute nicht mehr.
Andryy: Ich habe ehrlich gesagt gar nicht so viel Mundart gehört, bis ich selbst damit angefangen habe.

Wieso haben Sie damit angefangen?
Andryy:
Ich habe vorher Englisch gesungen, fand es aber an einem gewissen Punkt seltsam, dass ich nicht in meiner Muttersprache singe. Die Reaktionen waren nachher total anders an Konzerten, als das Publikum jede Silbe verstanden hat. Es berührt irgendwie anders. Für mich bin ich mit Mundart an einem ehrlicheren Ort.
To Athena: Bei mir war es ähnlich. Ich habe stets auf Englisch geschrieben und habe dann irgendwann heimlich auf Mundart Lieder komponiert und mich zuerst gar nicht getraut, die irgendjemandem zu zeigen. Im Rahmen meiner Bachelorarbeit habe ich meinen ersten Mundart-Song live gespielt und bekam gemischte Reaktionen. Für mich hat es sich aber gut angefühlt. Heute setze ich mir keine Grenzen, was Sprache angeht. Ich nehme die, die mir gerade am besten passt.

Aber Englisch ist sicherlich der einfachere Weg zum Erfolg?
To Athena: Es ist so oder so blöd. Egal, in welcher Sprache man Fuss fassen will, ist es nicht lukrativ. Ich beobachte bei mir, dass die Mundartsongs nicht nur in der Deutschschweiz, sondern auch in unerwarteten Ländern wie der Türkei gehört werden. Und auch auf meiner Deutschland-Tour war Schweizerdeutsch nicht unbedingt ein Problem, im Gegenteil.

DCX STORY: doc80reqyisgmv9xq6gczr [Persönlich: To Athena] 

Welchen Tipp haben Sie an junge Musikschaffende?
Andryy: Die Schweiz ist als Startland schon dankbar. Es gibt viele Gefässe und Wettbewerbe, in denen man teilnehmen kann und schnell eine Gage bekommt. Andererseits kommen auch extrem viele Acts aus dem Ausland zu uns. Man muss sich einzigartig machen und sich etwas herauspicken.
To Athena: Ich frage mich immer wieder, was Erfolg für mich bedeutet und wo mein Ziel liegt, um nicht plötzlich das Ziel von jemand anderem zu verfolgen.

Wie sehr muss man sich für den Erfolg verbiegen?
Andryy: Mein Erfolg war immer dann grösser, wenn ich mich nicht verbogen habe. Aber klar ist es schwierig, immer auf sich selbst und nicht auf die vielen Stimmen, die dreinreden, zu hören.
To Athena: Und wenn sich ein Song mit viel Herzblut am Schluss nicht verkauft, ist es auch okay, weil es ehrlich war, den Titel genau so zu machen und ihn nicht erfolgversprechend anzupassen.

Wir stehen vor dem Festivalsommer. Wie sieht der bei Ihnen aus?
To Athena: Ich bin das Letzte, was ein Festival braucht (lacht). Meine Musik ist total ruhig und man muss sich Zeit nehmen und sich darauf einlassen. Aber bislang hat das immer sehr gut funktioniert. Und ich freue mich auf die wenigen Festivals, die wir spielen. Der Fokus liegt in diesem Sommer aber auf der Produktion meines neuen Albums.
Andryy: Es wird spannend. Ich merke, dass ich nicht mehr der Newcomer und auch nicht der ganz grosse Act bin. Deshalb ist jedes Jahr etwas anders.

Können Sie von der Musik leben?
To Athena: Ich bin in einer privilegierten Situation. Ich habe ein Stipendium, das meine Lebenshaltungskosten deckt. Aber ich muss auch sagen: Es ist nicht die gescheiteste Idee von mir, mit neun Menschen auf der Bühne zu stehen. Mein Ziel ist, alle fair bezahlen zu können. Bislang habe ich mir noch nie eine Gage ausgezahlt und alles wieder ins Projekt gesteckt.
Andryy: Meine Einkünfte reichen gerade für meine Kosten. Aber ich merke auch, je grösser man als Künstler wird, desto höher sind auch die Kosten. Einen Song aufzunehmen, kostet 2000 bis 4000 Franken, ein Musikvideo würde 30'000 Franken kosten, würde man alle fair bezahlen. Von Spotify bekomme ich jährlich etwa 2000 Franken vergütet.

DCX STORY: doc80rehr6yeyoj16bhcvn [Persönlich: Andryy] 

Was muss sich ändern?
To Athena: Auf Spotify werden die Gelder so unfair verteilt, da bräuchte es ein Gesetz in der Schweiz. Riesige Acts bekommen viel mehr pro Stream als jemand, der nicht so bekannt ist. Und aktuell wird vor allem die Klassik noch mit Subventionen gefördert, das könnte man breiter verteilen.

Das klingt frustrierend. Wieso bleibt der Traum vom Musikmachen?
To Athena: Ich hatte noch nie gedacht, dass ich mit der Musik das grosse Geld mache. Solange es zum Leben reicht, ich noch nicht in der Altersarmut bin und der Job alles vereint, was mir Spass macht, bin ich mega glücklich, diesen Job haben zu dürfen.
Andryy: Für mich ist das Musikmachen auf und neben der Bühne wie eine Droge. Wenn ich dieses Ventil nicht hätte, ginge es mir schlechter. Darum ist mir auch jeder nur schon mittelmässige Lohn egal.

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