Darum gehts
- FDP kämpft angeblich für Frühaufsteher, vernachlässigt aber soziale Verantwortung
- Empathie ist notwendig für echte Freiheit und Minderung existenzieller Ängste
- FDP riskiert 2027 den Verlust des zweiten Bundesratssitzes
«Wir kämpfen für alle, die den Wecker stellen!» FDP-Chef Thierry Burkart wiederholte diesen Satz in den letzten Monaten wie ein Mantra – und ging damit sogar Parteifreunden auf den Wecker.
Sein Slogan ist so plump wie falsch. Millionäre und Milliardäre können locker ausschlafen, ebenso die vielen Rentner, die FDP wählen – sie alle können den Wecker stellen, müssen dies aber nicht tun. Nicht so Arbeiterinnen, die um 5 Uhr morgens in der Putzkolonne unterwegs sind und von steigenden Gesundheits- und Mietkosten direkt betroffen sind. Für Besserverdienende ist die Teuerung eine Rundungsdifferenz; für Arme ist sie existenzbedrohend.
Burkarts FDP-Parteikollege Roland Müller, Direktor des Schweizerischen Arbeitgeberverbands, zeigt ebenfalls wenig Mitgefühl, wenn er sagt: «Ein rein existenzsichernder Lohn ist nicht die Aufgabe der Arbeitgeber.» Wenn die FDP weiter solche Signale sendet, wird sie 2027 ihren zweiten Bundesratssitz verlieren. Wer den Blick für das Gemeinwohl verliert, ist keine staatstragende Partei mehr und verrät den Liberalismus. Empathie ist kein Verstoss gegen das Freiheitsprinzip, sondern notwendig, um die negativen Seiten des Liberalismus zu korrigieren und existenzielle Ängste zu mindern – eine Voraussetzung für echte Freiheit.
Die FDP muss zeigen, dass sie sich nicht nur für Banken und Unternehmen interessiert, sondern auch für die Menschen. Bei der Konkurrenzpartei Die Mitte hören zum Ende der Legislatur erfahrene Ständeräte auf. Die FDP hätte die Chance, an Einfluss zu gewinnen. Das wird ihr aber nicht gelingen, wenn sie den Wählern auf den Wecker geht.