Jeder Mensch braucht Alltagstheorien. «Bei allzu grosser Informationsfülle geben schnelle Urteile Orientierung im Chaos», sagt Psychologin Marie Hennecke von der Universität Zürich. Schnell zu handeln sei für den Menschen früher überlebenswichtig gewesen.
Oft liege man mit den Theorien auch richtig. Manchmal jedoch führt der «gesunde Menschenverstand» mit seiner Neigung zur Vereinfachung in die Irre. Psychologinnen der Uni Zürich haben deshalb in einem Buch 100 solcher Irrtümer gesammelt und wissenschaftlich beleuchtet. Die «100 Denkfallen» stammen direkt aus dem Alltag.
Denkfallen aus dem Alltag
Ein solcher Irrtum ist etwa die Annahme, dass Menschen, die sich ökologisch bewusst verhalten und Bio-Produkte kaufen, auch in ihrem restlichen Verhalten grosszügig und verantwortungsbewusst sind. Mehrere Studien belegten das Gegenteil.
Versuche mit Freiwilligen zeigten, dass Käufer von Bio-Produkten nicht nur besonders geizig waren, wenn es ums Teilen ging. Sie neigten auch eher zum Lügen und Stehlen als Probanden, die herkömmlich hergestellte Produkte kauften.
Die Psychologen kamen zum Schluss, dass Konsumenten mit dem Kauf von Bio-Produkten eine Art «moralischen Kredit» erwerben - und damit das Gefühl haben, schon genug für die Gesellschaft getan zu haben.
Weibliche Hurrikane sind nicht gefährlicher
Ein weiterer Denkfehler, der sogar Menschenleben kosten kann, ist die Einschätzung von Hurrikanen. Statistiken aus den USA zeigen, dass Unwetter mit weiblichen Namen mehr Todesopfer fordern als jene mit männlichen Namen. Die Namen von Hurrikanen werden aber zufällig zugeteilt. Besonders gefährliche Unwetter werden somit nicht absichtlich mit Frauennamen bedacht.
Dass die «weiblichen» Unwetter mehr Todesopfer fordern, liegt vielmehr an den Geschlechter-Stereotypen. «Weibliche» Hurrikane werden eher unterschätzt und als weniger stark wahrgenommen als «männliche». Dies fanden Psychologen in Experimenten mit Testpersonen heraus. Menschen wiegen sich bei «weiblichen» Hurrikanen eher in Sicherheit, was sich auf die Opferzahl auswirkt.
Handy-Junkies fühlen sich ohnmächtig
Ein weiteres Vorurteil, das die Psychologinnen widerlegen, ist jenes von den gut organisierten und beliebten Smartphone-Nutzern. Psychologen fanden heraus, dass der ständige Griff zum Handy keineswegs bedeutet, dass bei den Nutzern ständig etwas läuft.
Es sei vielmehr ein Zeichen für eine geringe so genannte «Selbstwirksamkeits-Überzeugung». Das heisst, das eifrige Handy-Nutzer weniger daran glauben, ihr Schicksal beeinflussen zu können als Personen, die vergleichsweise wenig zum Smartphone greifen. Sie leiden somit unter dem Gefühl, selbst nichts bewirken zu können - eine Art Kontrollverlust.
Das Buch «100 psychologische Denkfallen. Warum wir hinterher meinen, es vorher besser gewusst zu haben» stellt internationale, psychologische Studien vor. Geschrieben wurde es von Assistierenden der Universität Zürich. (SDA)