Darum gehts
Er gibt Vollgas im Job, trainiert wie wild und feiert bis zum Umfallen. Das könnten bei einem Mann Hinweise auf eine Depression sein. Depressive Männer werden weniger oft diagnostiziert als Frauen, hadern häufiger damit, sich Unterstützung zu holen, und machen weniger gute Fortschritte, falls sie sich in Behandlung begeben.
Psychologe Andreas Walther (36) hat aus diesen Gründen eine neuartige Psychotherapie speziell für Männer entwickelt – und testet sie im Rahmen einer Studie an der Universität Zürich. Das Grundkonzept: Männer sollen weniger so leben, wie man es von ihnen erwartet.
Blick: Herr Walther, laut Statistik kämpfen Männer halb so oft mit einer depressiven Verstimmung als Frauen. Warum brauchen sie eine spezielle Therapie?
Andreas Walther: Ich bezweifle, dass Männer weniger oft betroffen sind als Frauen. Wahrscheinlich ist das Geschlechterverhältnis relativ ausgeglichen. Dass die Statistik ein anderes Bild zeigt, hängt mit der hohen Dunkelziffer zusammen. Viele Männer holen sich keine Hilfe. Zudem werden Depressionen bei Männern oft übersehen, weil sie andere Symptome zeigen als depressive Frauen.
Welche denn?
Männer sind in den Anfangsstadien einer Depression zum Beispiel schnell gereizt, trainieren übermässig, überarbeiten sich und greifen häufiger zu Alkohol und Drogen. Sie nehmen sich tragischerweise auch dreimal so oft das Leben wie Frauen. Frauen verlieren bei Depressionen eher Antrieb und Interesse. Sie verfallen in eine depressive Stimmung.
Die beiden Hauptrisiken für einen Suizid sind männliches Geschlecht und eine Depression in der Vorgeschichte. Eine brutale Realität.
Die sich mit einer spezifisch auf Männer ausgerichteten Therapie hoffentlich verbessern lässt. Eine kanadische Studie kommt zum Ergebnis, dass 60 Prozent der Männer, die an einem Suizid sterben, im Jahr davor Kontakt mit dem Gesundheitssystem hatten. Das heisst, sie haben irgendwo angeklopft, ihre Bedürfnisse fanden aber zu wenig Beachtung.
Der Schweizer Psychologe Andreas Walter (36) führt mit einem Team an der Universität Zürich eine klinische Studie mit 144 Männern zwischen 25 und 50 Jahren durch, die an einer erstmals diagnostizierten Depression leiden.
Die Hälfte der Männer wird von Psychotherapeutinnen oder Psychotherapeuten mit einer neu entwickelten, männerspezifischen Psychotherapie behandelt. Die andere Hälfte erhält eine «klassische» kognitive Verhaltenstherapie. Am Ende werden die beiden Gruppen miteinander verglichen. Mit den Ergebnissen ist bis zum nächsten Jahr zu rechnen.
Walther forscht an der Universität Zürich zu Männergesundheit, Depression und der Rolle von Hormonen bei psychischen Störungen. Er hat in Zürich studiert und tritt im Oktober 2025 eine Professur für Psychotherapie und Psychotherapieforschung an der Universität Graz an.
Der Schweizer Psychologe Andreas Walter (36) führt mit einem Team an der Universität Zürich eine klinische Studie mit 144 Männern zwischen 25 und 50 Jahren durch, die an einer erstmals diagnostizierten Depression leiden.
Die Hälfte der Männer wird von Psychotherapeutinnen oder Psychotherapeuten mit einer neu entwickelten, männerspezifischen Psychotherapie behandelt. Die andere Hälfte erhält eine «klassische» kognitive Verhaltenstherapie. Am Ende werden die beiden Gruppen miteinander verglichen. Mit den Ergebnissen ist bis zum nächsten Jahr zu rechnen.
Walther forscht an der Universität Zürich zu Männergesundheit, Depression und der Rolle von Hormonen bei psychischen Störungen. Er hat in Zürich studiert und tritt im Oktober 2025 eine Professur für Psychotherapie und Psychotherapieforschung an der Universität Graz an.
Worauf basiert die von Ihnen entwickelte männerspezifische Psychotherapie?
Ein wichtiger Pfeiler besteht darin, dass sich Männer der gesellschaftlichen Erwartungen an sie bewusst werden und diese bei Bedarf hinterfragen lernen.
Für Laien mag das überraschend klingen – fast so, als sei die Gesellschaft daran schuld, dass es den Männern schlecht geht.
Die Ursachen einer Depression sind individuell. Traditionelle Männlichkeitsideologie sorgen aber dafür, dass Männer schlechter damit umgehen können.
Haben Sie ein konkretes Beispiel?
Ein stereotypes Bild des Mannes ist zum Beispiel das des Beschützers und Ernährers seiner Familie, der bei der Arbeit gleichzeitig erfolgreich nach Status strebt. Wenn er seinen Job verliert, kann ihn das depressiv machen, sofern er keine andere Möglichkeit sieht, sich wertvoll zu fühlen.
Was wäre denn eine gesunde Alternative zum Bild des Beschützers und Ernährers?
Wenn diese Rolle nicht mehr erfüllt wird, kann die des engagierten Vaters zum Beispiel eine Alternative sein. Oder die des Helfers, der sich für den sogenannt kleinen Mann einsetzt, indem er zum Beispiel den alten Nachbarn oder die alte Nachbarin bei der Buchhaltung unterstützt oder für sie den Einkauf erledigt.
Ist es für Frauen weniger schlimm, arbeitslos zu werden?
Allgemein kann man das nicht sagen. Aber die gesellschaftlichen Erwartungen an sie sind in dieser Situation sicher weniger belastend. Hinzu kommt, dass sich Frauen viel mehr austauschen – am häufigsten mit anderen Frauen. Das hilft, mit schlimmen Situationen klarzukommen. Männer haben weniger Beziehungen in ihrem Leben, die sie emotional unterstützen.
Wird die viel zitierte Männerfreundschaft überbewertet?
Tatsächlich bauen Männer ihre stärkste emotionale Bindung oft zu ihrer Partnerin auf und öffnen sich ihr gegenüber am meisten. Bei einer Trennung oder Scheidung verlieren sie dann ihre wichtigste Bezugsperson und können nicht so leicht auf andere Bindungen zurückgreifen. Das lässt das Suizidrisiko in diesem Fall stark ansteigen.
Welche konkreten Elemente beinhaltet die männerspezifische Psychotherapie?
Die Patienten erhalten zum Beispiel eine Art Hausaufgabe. Sie sollen aufmerksam beobachten, in welchen Situationen bei ihnen welche Gefühle aufgetreten sind, und das aufschreiben. Es geht darum, dass Männer mit einer Mikroskop-Perspektive schauen, was da eigentlich bei ihnen passiert, und welche Glaubenssätze dahinterliegen.
Was könnte so ein Glaubenssatz lauten?
«Ich muss meine Probleme selbst lösen», zum Beispiel.
Wie nahe sind Männer im Vergleich zu Frauen an ihren Emotionen?
Viele Männer nehmen ihre Gefühle nicht bewusst wahr und können sie nicht in Worte fassen. Frauen rufen abends eher mal eine Freundin an und erzählen ihr von einem Vorfall bei der Arbeit, der ihnen peinlich war.
Wie wird dieses Manko in der Therapie berücksichtigt?
Indem ein Kommunikationstraining stattfindet, in dem Männer ihren Kommunikationsstil analysieren und gegebenenfalls mit Hilfe der Therapeutin oder des Therapeuten verändern können.
Was können Sie jetzt schon über den Erfolg der Therapie sagen?
Es sieht so aus, als ob sie die Beziehung zwischen Patient und Therapeutin oder Therapeut verbessert. Der Patient spürt: Ich werde verstanden, so wie ich bin. Das allein ist schon ein gutes Ergebnis. Man sagt, der Erfolg einer Therapie hängt zu rund 70 Prozent von der Beziehung zwischen Patient und Therapeut ab.
Spielt es eine Rolle, ob ein Mann von einem Mann oder einer Frau therapiert wird?
Überhaupt nicht. Das zeigen auch frühere Studien. Wichtig ist, dass beide das Gefühl haben, am selben Strick zu ziehen – und dass der Patient nicht das Gefühl bekommt, von oben herab behandelt zu werden. Am Ende ist eine Psychotherapie für beide Seiten harte Arbeit.
Wenn ein Ereignis auch bei dir auch seelisch Spuren hinterlassen hat, zögere nicht, Hilfe zu holen. Auch für Kinder und Jugendliche gibt es passende Angebote.
Pro Juventute, Telefon 147, Beratungstelefon und Chat für Kinder und Jugendliche oder www.147.ch. 24/7. Dargebotene Hand, Telefon 143, www.143.ch, 24/7.
Elternnotruf, 0848 35 45 55 (Festnetztarif) oder www.elternnotruf.ch. Nicht für medizinische Notfälle. Zwischen 23 und 8 Uhr wird der Anruf auf Pro Juventute umgeleitet.
Dureschnufe, www.Dureschnufe.ch, Plattform mit Tipps für psychische Gesundheit rund um Corona.
Hotline für Angststörungen und Panik, Telefon 0848 801 109. Öffnungszeiten an Feiertagen nur von 12 bis 14 Uhr, www.aphs.ch.
Wenn ein Ereignis auch bei dir auch seelisch Spuren hinterlassen hat, zögere nicht, Hilfe zu holen. Auch für Kinder und Jugendliche gibt es passende Angebote.
Pro Juventute, Telefon 147, Beratungstelefon und Chat für Kinder und Jugendliche oder www.147.ch. 24/7. Dargebotene Hand, Telefon 143, www.143.ch, 24/7.
Elternnotruf, 0848 35 45 55 (Festnetztarif) oder www.elternnotruf.ch. Nicht für medizinische Notfälle. Zwischen 23 und 8 Uhr wird der Anruf auf Pro Juventute umgeleitet.
Dureschnufe, www.Dureschnufe.ch, Plattform mit Tipps für psychische Gesundheit rund um Corona.
Hotline für Angststörungen und Panik, Telefon 0848 801 109. Öffnungszeiten an Feiertagen nur von 12 bis 14 Uhr, www.aphs.ch.