Bisher galt die AfD gemäss Verfassungsschutz in Teilen als rechtsextremistisch, etwa in Thüringen mit dem Vorsitzenden der dortigen AfD-Fraktion, Björn Höcke (53). Das Bundesamt für Verfassungsschutz geht einen Schritt weiter und stuft die gesamte AfD als «gesichert rechtsextremistisch» ein.
Das sind die wichtigsten Fragen und Antworten zum gerichtlichen Paukenschlag. Folgt nun sogar ein Parteiverbot?
Was heisst «gesichert rechtsextremistisch»?
Das ist der schärfste Stempel, den der deutsche Inlandsgeheimdienst einer Partei aufdrücken kann. Es bedeutet: Der Verfassungsschutz sieht genügend Beweise dafür, dass die AfD aktiv gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung arbeitet. Mit der neuen Einstufung darf der Geheimdienst die Partei mit allen Mitteln überwachen – inklusive Telefonabhörung, Observation und dem Einsatz von V-Leuten.
Wird die AfD jetzt verboten?
Noch nicht. Aber die Diskussion bekommt Rückenwind. Ein Parteiverbot ist in Deutschland ein juristischer Hochseilakt. Dafür braucht es Beweise, dass eine Partei aktiv und aggressiv daran arbeitet, das demokratische System abzuschaffen – blosse Hetze reicht nicht. Aber: Mit der neuen Einstufung als «gesichert rechtsextremistisch» ist eine wichtige Hürde für ein mögliches Verbotsverfahren gefallen. Jetzt können Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht offiziell einen Antrag stellen. Ob sie es tun, ist offen und letztlich auch eine politische Frage.
Warum kommt der Entscheid gerade jetzt?
Timing ist alles. Noch ist Nancy Faeser (SPD) Bundesinnenministerin – aber nur für ein paar Tage. Ab Dienstag soll Alexander Dobrindt (CSU) übernehmen. Offiziell heisst es, es habe «keinerlei politischen Einfluss» auf die Entscheidung gegeben. Doch der Zeitpunkt ist auffällig, zumindest für einige AfD-nahe Personen.
Was steht konkret im Gutachten?
Das Fazit ist vernichtend: Im Zentrum der Analyse steht das sogenannte «ethnisch-abstammungsmässige Volksverständnis», das laut Behörde in der Partei vorherrscht. Dieses Weltbild widerspreche dem Menschenbild des Grundgesetzes – insbesondere weil die AfD etwa deutsche Staatsbürger mit Migrationsgeschichte aus muslimisch geprägten Ländern als nicht gleichwertige Mitglieder des deutschen Volkes betrachtet.
Das Gutachten stützt sich auf öffentliche Aussagen, Social-Media-Beiträge, Reden, Parteitagsbeschlüsse und interne Strategiepapiere. Auch die Entwicklungen in den Landesverbänden – vor allem Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt – spielen eine zentrale Rolle: Diese galten bereits zuvor als «gesichert rechtsextremistisch», nun wird dieses Urteil auf die Gesamtpartei übertragen.
Wie reagieren Weidel und Co.?
Die AfD hat bereits rechtliche Schritte gegen die Einstufung angekündigt. Die Partei werde sich «gegen diese demokratiegefährdenden Diffamierungen weiter juristisch zur Wehr setzen», erklärten die Vorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla am Freitag. Die Entscheidung des Verfassungsschutzes sei «ein schwerer Schlag gegen die bundesdeutsche Demokratie».
AfD-Parteivize Stephan Brandner wird noch deutlicher: Die Entscheidung sei «inhaltlich völliger Blödsinn, hat mit Recht und Gesetz überhaupt nichts zu tun und ist eine rein politische im Kampf der Kartellparteien gegen die AfD», sagte Brandner am Freitag der «Rheinischen Post». Die Entscheidung sei «als weitere unfaire Kampfmassnahme gegen die einzige Oppositionskraft leider so erwartbar» gewesen.
Wird die AfD jetzt noch mehr isoliert?
Gemäss Verfassungsrechtler Volker Boehme-Nessler (Uni Oldenburg) bedeutet die neue Einstufung «rechtlich erst mal gar nichts», wie er gegenüber Bild erläutert. «Die neue Einschätzung der AfD ist eine interne Einschätzung einer Behörde, mehr nicht.» Die Partei darf allerdings weiterhin zu Wahlen antreten und behält dieselben Rechte wie bisher im Bundestag.
Aber: Es ist ein politisches Erdbeben. Wer mit der AfD paktiert, paktiert künftig offiziell mit einer rechtsextremistischen Partei. Das könnte auf kommunaler Ebene für neue Spannungen sorgen. Zugleich wächst der Druck auf andere Parteien, sich klarer abzugrenzen – und auf Wählerinnen und Wähler, genau hinzuschauen, wen sie da eigentlich in die Parlamente schicken. Die AfD kann zwar weiterhin antreten – aber sie tut es nun mit einem Etikett, das keiner Partei gut steht: verfassungsfeindlich.
Wurde in Deutschland schon mal eine Partei verboten?
Ja. Hitlers NSDAP wurde 1945 aufgelöst und von den Siegermächten verboten. Später wurden in der Bundesrepublik die Sozialistische Reichspartei (1952) und die KPD (1956) verboten. Bei der rechtsextremen NPD scheiterte ein Verbot 2003 aus formalen Gründen, ein neuer Anlauf 2017 endete trotz klarer Verfassungsfeindlichkeit ebenfalls ergebnislos – die Partei sei schlicht zu bedeutungslos. Bei der AfD sieht das anders aus. Mit über 20 Prozent bei der letzten Bundestagswahl und als zweitstärkste Kraft ist sie keine Randerscheinung, sondern Machtfaktor.