Trump macht Russland ein Riesengeschenk – und behält Ukraine-Waffen zurück
Jetzt kämpft Europa allein gegen Putin

Die USA stoppen zentrale Waffenlieferungen an die Ukraine – mitten im heissesten Kriegsjahr seit Beginn der Invasion. Was offiziell mit «leeren Lagern» begründet wird, ist in Wahrheit ein politisches Beben.
Publiziert: 02.07.2025 um 15:08 Uhr
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Aktualisiert: 02.07.2025 um 15:16 Uhr
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Die USA wollen keine Patriot-Systeme mehr an die Ukraine liefern. Wie lange kann das noch gutgehen?
Foto: U.S. Army

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Chiara SchlenzAusland-Redaktorin

Patriot-Raketen, Hellfire-Missiles und präzise 155-Millimeter-Granaten – diese Lebensversicherung der ukrainischen Truppen bleibt vorerst in US-Depots liegen. Seit Mittwoch früh ist offiziell: Präsident Donald Trump lässt zugesagte Lieferungen einfrieren, weil die eigenen Bestände «zu knapp» seien. Europa bleiben darum nur zwei Optionen: das eigene Portemonnaie weit öffnen – oder Putin beim Gewinnen zuschauen. 

«Die nicht ausreichende Luftabwehr ist die grösste Schwäche der Ukraine. Der Wegfall der besonders leistungsstarken Patriots ist eine sehr, sehr schlechte Nachricht», warnt Osteuropa-Experte Gerhard Mangott.

Schwerer Rückschlag mitten im Luftkrieg

Laut «Politico» streicht das Pentagon gleich mehrere Pakete – Patriot-Raketen, Hellfire-Lenkwaffen sowie Munition fürs neue F-16-Geschwader. Spiegel Online spricht vom «wohl wichtigsten Rückschlag seit Trumps Amtsantritt» – und erinnert daran, dass der Nato-Gipfel noch Optimismus verbreitet hatte.

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Letzte Verteidigungslinie: Ohne moderne Luftabwehr wie das Patriot-System wird es für die Ukraine brandgefährlich.
Foto: AFP

Russland nutze die Lücke sofort aus, sagt Mangott: «Moskau schickt inzwischen Hunderte Drohnen gleichzeitig. Ohne zusätzliche US-Patriots wird es für die ukrainische Luftabwehr nahezu unmöglich, alle abzufangen.»

Kann Europa das Loch stopfen?

Damit rückt Europa in den Fokus. Der «Spiegel» nannte Deutschland am Mittwoch «den wichtigsten Unterstützer der Ukraine». Doch reicht das? «Deutschland hat bereits drei Patriot-Systeme und zehn Iris-T-SLM in der Ukraine. Ich glaube nicht, dass Berlin noch ein weiteres System abgeben kann, ohne die eigene Verteidigung zu schwächen», gibt Mangott zu bedenken.

Eine neue Studie des renommierten Washingtoner Thinktanks CSIS rechnet vor: Um den Rückzug der USA auszugleichen, müssten die europäischen Staaten ihre militärische Unterstützung fast verdoppeln – von derzeit rund 44 auf 80 Milliarden Euro pro Jahr. Besonders deutlich zeigt die Analyse: Während die USA bisher 60 Prozent der Waffenhilfe gestellt haben, kommen aus der EU oft nur Einzelpakete – zu wenig, zu langsam, zu unkoordiniert.

Signal statt Sachzwang

Dabei wäre gerade jetzt Tempo gefragt. Die russische Armee will im Osten neue Frontabschnitte öffnen. «Russland bietet derzeit nur einen Diktatfrieden», sagt Mangott. «Und je schwächer die Ukraine ausgestattet ist, desto geringer wird ihre Verhandlungsposition.»

Mangott zweifelt indes auch an der offiziellen Begründung aus Washington: «Das Argument knapper Lagerbestände sollte man nicht allzu ernst nehmen. Es ist vor allem ein politisch gewolltes Signal, dass die USA sich aus dem Konflikt zurückziehen.»

«Trumps Aussagen zählen nicht viel. Entscheidend ist, was die USA tun – und das spricht derzeit eine klare Sprache», legt der Politologe nach. Im US-Kongress brodelt es bereits. Die Demokratin Marcy Kaptur warnt, der Stopp werde den «imminenten Tod vieler Zivilisten» bedeuten, sollte er bestehen bleiben. Trump-nahe Republikaner hingegen jubeln – sie sehen endlich den Moment gekommen, um das «America First»-Versprechen auch militärisch umzusetzen.

Dennoch relativiert Mangott: «Ich würde nicht sagen, dass ein vollständiger Ausfall amerikanischer Lieferungen die Niederlage der Ukraine besiegelt. Aber es ist ein schwerer Schlag, der Kiew in die Defensive zwingt.»

Für die Front in Pokrowsk, Sumy oder Charkiw heisst das: weniger Patriot-Abschüsse, mehr russische Treffer, steigende Gefahr für Stromnetze und Wohnhäuser. Je länger die Sperre dauert, desto höher der Preis – und desto dringlicher die Frage, ob Europa seine Verteidigungsversprechen jetzt mit Stahl, Sprengstoff und Geld unterfüttern kann.

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