Darum gehts
Vielleicht will Donald Trump (78) einfach nur spielen. Doch das Schwarzer-Peter-Spiel mit Elon Musk (53) ist ihm verleidet, auf russisches Roulette mit seinem Buddy Wladimir Putin (72) hat er keinen Bock. Also landet der US-Präsident auf der Suche nach Zank-Kumpanen zwangsläufig wieder bei seinem Lieblingsgegner Gavin Newsom (57).
Der demokratische Regierungschef von Kalifornien ist Trump ein Dorn im Auge, weil er illegalen Einwanderern Schutz vor den US-Migrationsbehörden verspricht. Anfang Woche eskalierte der Streit zwischen den beiden. Und Trump drohte, was das Zeug hält. Doch der US-Präsident kann seinen Gegner Newsom nicht in die Knie zwingen. Es sei denn, er greift zum allerextremsten Werkzeug im präsidialen Arsenal.
Dem Streit vorausgegangen ist Trumps Entscheidung, 4000 Nationalgardisten und 700 Marine-Soldaten nach L.A. zu entsenden, nachdem in der Stadt der Engel Proteste gegen Trumps Migrationspolitik ausgebrochen waren. Agenten der Zollbehörde ICE hatten am Wochenende 118 illegale Migranten in L.A. festgenommen. In der Folge kam es zu Ausschreitungen.
Dem mächtigsten Mann sind die Hände gebunden
Wichtig: Die Soldaten in L.A. sind einzig dazu da, die ICE-Agenten bei ihrer Arbeit zu schützen, und nicht, um Demonstranten zu verhaften. Gavin Newsom hat Trumps Regierung trotzdem verklagt, weil sie sich in Kaliforniens interne Angelegenheiten einmische.
Newsom, einer der demokratischen Favoriten fürs Präsidenten-Rennen 2028, setzt auf martialische Ansagen im Fernsehen. «Trump muss abziehen», fordert er zur besten Sendezeit auf allen Kanälen. Trump schäumt auf seinen Social-Media-Kanälen: «Wenn sie spucken, werden wir schlagen», droht er auf Truth Social. «Schicken wir die Truppen rein!»
Im Machtpoker mit Newsom hat Trump wenig in der Hand. Kalifornien staatliche Gelder entziehen ist wegen der geltenden Anti-Enteignungs-Gesetze fast unmöglich. Newsom verhaften lassen, liegt ausserhalb von Trumps Entscheidungsgewalt.
Laut dem 10. Verfassungszusatz darf Trump Kalifornien nicht einmal direkt dazu zwingen, die amerikanischen Migrationsgesetze durchzusetzen. Er kann nur seine FBI-Agenten vor Ort an die Arbeit schicken oder Kalifornien vor Gericht ziehen.
Seit 60 Jahren gabs das nie mehr
Was Trump als einzige direkte Massnahme gegen die «Aufständischen» in Kalifornien bleibt, ist die Ausrufung des Aufstandsgesetzes von 1807. Das wäre eine extrem gefährliche Massnahme.
Das Gesetz erlaubt dem US-Präsidenten den Einsatz der Armee auf amerikanischem Boden, aber nur, wenn mindestens eine von drei Bedingungen erfüllt ist: Die Regierung eines Bundesstaates muss um Hilfe bei der Niederschlagung eines Aufstandes bitten. Ein Aufstand muss eine Region faktisch gesetzlos machen. Oder die Bewohner einer Region müssen in ihren Bürgerrechten eingeschränkt sein.
Historische Beispiele für die Ausrufung des Aufstandsgesetzes gibt es. Abraham Lincoln hat es 1861 verwendet, um den Sklaven-haltenden Südstaaten den Krieg zu erklären. Auch L.A. hat seine Erfahrungen mit dem Gesetz. 1992 bat die kalifornische Regierung US-Präsident George H. W. Bush um Hilfe bei der Eindämmung von Strassenschlachten.
Auch, dass ein Präsident ohne Hilferuf aus einem Bundesstaat zum Aufstandsgesetz greift, kam schon vor. Zuletzt vor 60 Jahren, als Lyndon B. Johnson Soldaten nach Alabama schickte, um Bürgerrechtsgruppen vor rassistischen Mobs zu schützen.
Gavin Newsom stünde als Sieger da
Dass ein US-Präsident aber – ohne darum gebeten worden zu sein – die Armee zur Niederschlagung eines verhältnismässig kleinen Protestes einsetzt, das hat es in der US-Geschichte noch nie gegeben. Wenn Trump zu diesem absoluten Ausnahmemittel greift, käme das der Zündung einer politischen Atombombe gleich. Die Verwüstung wäre weit über die Strassen von Downtown Los Angeles hinaus spürbar. Ein US-Präsident, der seine Soldaten auf Demonstrierende hetzt: Es wäre das traurigste Novum der Trump-Ära.
Der Phoenix aus der Aufstandsasche wäre nicht Trump, sondern sein ewiger Zank-Buddy Newsom. Das Duell mit Trump verleiht dem Kalifornier die Aura eines mutigen Machers. Bei demokratischen Wählenden und wohl auch bei Trump-kritischen Republikanern kommt das gut an. Das scheint dem US-Präsidenten bewusst zu sein. Gut möglich, dass deshalb auch dieser Streit verpufft, bevor wirklich scharf geschossen wird und Trump sich dann den nächsten «Spielkameraden» sucht.