Darum gehts
Wird Ajatollah Ali Chamenei (86), der Oberste Führer und das religiöse Oberhaupt des Irans, getötet, droht Russland «sehr negativ» zu reagieren. So zumindest die Aussage von Kreml-Sprecher Dmitri Peskow (57) am Freitag gegenüber Sky News. Peskow erklärte: «Das würde die Büchse der Pandora öffnen.» Er sagte zwar nicht konkret, wie Russland im Fall eines Attentats auf Chamenei reagieren will. Er machte jedoch klar, dass dieser Schritt «eine Reaktion innerhalb des Irans» auslösen würde. Einen Regimewechsel im Iran möchte Russland keinesfalls. Peskow betonte: «Das ist inakzeptabel!»
Das iranische Regime ist Moskaus wichtigster Partner im Nahen Osten. Zwar profitiert Russland etwa vom gestiegenen Ölpreis. Insgesamt überwiegen aber die Gefahren für Präsident Wladimir Putin (72). Denn es steht sehr viel auf dem Spiel.
Putin hat Sorgen
Putin sagte am Freitag beim internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg, er verfolge die angespannte Situation im Nahen Osten mit Sorge.
Zwar profitiert Putin derzeit vom Krieg im Nahen Osten, weil der gestiegene Ölpreis dem Kremlherrscher hilft, seinen teuren Krieg in der Ukraine zu finanzieren. Sollte sich Teheran entscheiden, etwa die Strasse von Hormus zu blockieren, könnte dieser weiter nach oben schnellen. Insgesamt könnte Putin aber durch den Krieg zwischen Israel und dem Iran deutlich an Einfluss verlieren.
Enge Kooperation mit dem Iran
In den vergangenen Jahren waren die Beziehungen zwischen Moskau und Teheran immer enger geworden. Russland hatte zu Beginn des Ukrainekriegs stark von der iranischen Produktion von Kampfdrohnen profitiert. Später hatte der Iran beim Ausbau der russischen Drohnenproduktion geholfen. Auch liefert der Iran Raketen nach Russland. Dies ist nun infrage gestellt.
Im letzten Jahr war Russland zum grössten ausländischen Investor im Iran geworden, etwa mit Projekten im Gas-Bereich. Die beiden Länder rückten enger zusammen, weil beide international mit Sanktionen belegt sind. Auch die Zukunft dieser Investitionen ist nun unklar.
Russische Atomexperten am Golf
Im Bereich des Atomstroms unterstützt Russland den Iran. Erst am Donnerstag machte Putin klar, dass über 200 russische Fachkräfte im einzigen Atomkraftwerk des Irans, in Buschehr am persischen Golf, bleiben werden. Israel hatte hier eine Sicherheitsgarantie abgegeben. Trotzdem wurden am Freitag Angriffe auf eine Luftwaffenbasis in der Nähe gemeldet.
Eine mögliche iranische Atombombe hatte Russland stets abgelehnt. Russland hatte gar angeboten, stark angereichertes Uran aus dem Iran zu übernehmen.
Erst im Januar hatten Russland und der Iran eine «strategische Partnerschaft» vereinbart. Die Ereignisse der letzten Tage haben jedoch klargemacht, dass es keine militärische Allianz, keine Beistandsklausel zwischen den beiden Ländern gibt.
Niederlage in Syrien
Anders verhielt sich Russland 2015 in Syrien: Dort waren russische Kampfflugzeuge entscheidend, um Diktator Baschar al-Assad (59) für weitere Jahre an der Macht zu halten. Der Kollaps des syrischen Regimes im letzten Dezember war bereits eine schwere Niederlage für Putin.
Denn die neue syrische Regierung unter Ahmad al-Sharaa (42) hat sich den Golfstaaten, der Türkei und dem Westen zugewendet. Die USA und die EU haben ihre Sanktionen aufgehoben. Die beiden russischen Militärbasen in Syrien stehen deshalb vor einer unsicheren Zukunft – und damit auch der russische Machtanspruch im Nahen Osten.
Israel kann, woran Russland scheitert
Militärisch werden Putin gerade seine Grenzen aufgezeigt: Die Luftwaffe des viel kleineren Staates Israel hat im Iran innert einer Woche geschafft, was Moskau in der Ukraine nie gelang: eine Kontrolle des Luftraums. Dies unterstreicht die Schwächen der russischen Armee – und beschädigt Moskaus Ruf als Militärmacht.
Sollte der Krieg im Nahen Osten länger dauern, könnte es sein, dass die USA eher ihren engen Partner Israel beliefern – und so die Ukraine etwa bei der Luftverteidigung hinten anstehen müsste. Letztlich dürfte die Schwächung des Partners Iran aber die Optionen des Kremls verringern. Putins Sorgen sind also verständlich, weil es auch um seine eigene Macht geht.