«Iran hat die Wahl zwischen Frieden oder Tragödie»
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Trumps Rede zur Nation:«Iran hat die Wahl zwischen Frieden oder Tragödie»

Insider: Geheimgespräche deuten auf Risse im iranischen System
«Jeder weiss, dass Chameneis Tage gezählt sind»

Israel treibt den Regimewechsel im Iran voran. Trump heizt die Debatte an, das iranische Regime sei unfähig, das Land zu verbessern. In Teheran brodelt es. Offenbar laufen Geheimgespräche über Chameneis Absetzung. Die Eliten müssen über Krieg oder Frieden entscheiden.
Publiziert: 23.06.2025 um 00:31 Uhr
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Aktualisiert: 23.06.2025 um 17:14 Uhr
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Wie vom Erdboden verschluckt – Irans Oberster Führer Ayatollah Ali Chamenei galt schon vor den israelischen und US-Militärschlägen als äusserst lichtscheu.
Foto: AFP

Darum gehts

  • Israel strebt Regimewechsel im Iran an
  • Trump spielt rhetorisch auf Regimesturz an, ohne diesen direkt zu fordern
  • Geheimgespräche in Teheran über Zukunft ohne Obersten Führer Chamenei
  • Irans Oberster Führer ist 86 Jahre alt und gilt als gesundheitlich angeschlagen
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Daniel KestenholzRedaktor Nachtdienst

Israel strebt im Iran weiter den Regimewechsel an, während US-Vizepräsident J. D. Vance (40) nach Amerikas Erstschlägen gegen den Iran erklärte, man sei nicht mit dem Land im Krieg, sondern mit dem iranischen Atomprogramm. US-Verteidigungsminister Pete Hegseth (45) ergänzte, es sei nicht das Ziel, Teheran einen Regimewechsel aufzuzwingen. Die Angriffe seien «absichtlich begrenzt».

Am späten Sonntag mischte Präsident Donald Trump (79) die Regimewechsel-Diskussion auf: «Wenn das derzeitige iranische Regime nicht in der Lage ist, den Iran wieder gross zu machen, warum sollte es dann keinen Regimewechsel geben?», schrieb Trump auf Truth Social. Trump stellt eine Art rhetorische Falle, ohne den Regimesturz direkt zu fordern. Wenn das iranische Regime unfähig sei, das Land zu verbessern, müsse man doch einen Wechsel in Betracht ziehen.

Angeschlagener Oberster Führer

Den Iran in Freiheit und Demokratie zu bomben, dieser Illusion erliegt weder Trump noch Netanyahu. Doch womöglich gibt es Hinweise auf erste Risse im iranischen System. Die amerikanischen Angriffe auf den Iran am frühen Samstag Ortszeit haben in Teheran eine immer offenere Debatte über die Zukunft des Landes angeheizt – und darüber, ob der Oberste Führer Ayatollah Ali Chamenei (86) an der Macht bleiben soll. Hinter den Kulissen finden offenbar Geheimgespräche statt. Es geht für den Iran um Krieg oder Frieden und die Rolle Chameneis, der mit 86 Jahren als gesundheitlich angeschlagen gilt.

Iranische Oppositionsführer fordern Chamenei zum Rücktritt auf

Nach den US-Angriffen auf iranische Atomanlagen haben führende Oppositionelle des Iran das geistliche Oberhaupt des Landes, Ayatollah Ali Chamenei, zum Rücktritt aufgefordert und ein Ende des Blutvergiessens verlangt. Der im Exil lebende Sohn des einstigen Schahs, Resa Pahlavi, rief Chamenei nach über einer Woche Krieg mit Israel in einer eigenen Erklärung zum Rückzug auf. Auch Marjam Radschawi von den Volksmudschaheddin forderte in einer eigenen Erklärung seinen Rücktritt.

Wo sich Chamenei derzeit aufhält, ist unklar. Israel hat nicht ausgeschlossen, den seit 1989 amtierenden 86-Jährigen zu töten. Oppositionsgruppen gehen davon aus, dass sich der Hardliner in einem Bunker tief unter der Erdoberfläche versteckt hält und nur mit wenigen Beratern in Kontakt steht.

«Chamenei muss jetzt gehen», erklärte Radschawi, die Vorsitzende des im Exil aktiven Nationalen Widerstandsrats des Iran (NCRI). Chameneis «unpatriotisches Projekt» sei nun «in Rauch aufgegangen». Sie wandte sich gegen Eindämmung und Krieg und forderte einen «Regimewechsel», um die «religiöse Diktatur» im Iran abzulösen.

Auch Pahlavi betonte, der einzige Weg zum Frieden sei, wenn «dieses Regime jetzt endet». Während Chamenei in seinem unterirdischen Bunker überlege, wie er reagieren solle, sage er zu ihm: «Zum Wohl des iranischen Volks, treten Sie zurück.»

In einer eigenen Erklärung verurteilte die Friedensnobelpreisträgerin Narges Mohammadi, die weiter im Iran lebt, den Krieg. Die Regierung in Teheran bezeichnete sie als «religiöses, autoritäres und frauenfeindliches Regime». Sie rief beide Seiten – Iran und Israel – zu einer «sofortigen Waffenruhe» auf.

Nach den US-Angriffen auf iranische Atomanlagen haben führende Oppositionelle des Iran das geistliche Oberhaupt des Landes, Ayatollah Ali Chamenei, zum Rücktritt aufgefordert und ein Ende des Blutvergiessens verlangt. Der im Exil lebende Sohn des einstigen Schahs, Resa Pahlavi, rief Chamenei nach über einer Woche Krieg mit Israel in einer eigenen Erklärung zum Rückzug auf. Auch Marjam Radschawi von den Volksmudschaheddin forderte in einer eigenen Erklärung seinen Rücktritt.

Wo sich Chamenei derzeit aufhält, ist unklar. Israel hat nicht ausgeschlossen, den seit 1989 amtierenden 86-Jährigen zu töten. Oppositionsgruppen gehen davon aus, dass sich der Hardliner in einem Bunker tief unter der Erdoberfläche versteckt hält und nur mit wenigen Beratern in Kontakt steht.

«Chamenei muss jetzt gehen», erklärte Radschawi, die Vorsitzende des im Exil aktiven Nationalen Widerstandsrats des Iran (NCRI). Chameneis «unpatriotisches Projekt» sei nun «in Rauch aufgegangen». Sie wandte sich gegen Eindämmung und Krieg und forderte einen «Regimewechsel», um die «religiöse Diktatur» im Iran abzulösen.

Auch Pahlavi betonte, der einzige Weg zum Frieden sei, wenn «dieses Regime jetzt endet». Während Chamenei in seinem unterirdischen Bunker überlege, wie er reagieren solle, sage er zu ihm: «Zum Wohl des iranischen Volks, treten Sie zurück.»

In einer eigenen Erklärung verurteilte die Friedensnobelpreisträgerin Narges Mohammadi, die weiter im Iran lebt, den Krieg. Die Regierung in Teheran bezeichnete sie als «religiöses, autoritäres und frauenfeindliches Regime». Sie rief beide Seiten – Iran und Israel – zu einer «sofortigen Waffenruhe» auf.

Das legt der angesehene Nahost-Historiker und Yale-Dozent Azizi (37) in einer Analyse zu den aktuellen Vorgängen im Iran dar. Der Exiliraner mit akademischen Auszeichnungen verfügt über direkte Drähte nach Teheran. Im renommierten Magazin «The Atlantic» schreibt Azizi: «In den Tagen vor der amerikanischen Intervention hatte eine Gruppe iranischer Geschäftsleute, Politiker und Militärs sowie Angehöriger hochrangiger Geistlicher damit begonnen, einen Plan auszuhecken, wie der Iran ohne Chamenei regiert werden könnte – sei es im Fall des Todes des 86-jährigen Führers oder seiner Absetzung.» Das hätten Azizi zwei an den Gesprächen beteiligte Quellen anvertraut.

Teheran derzeit «voll von Komplotten»

Die «Verschwörer» hätten vereinbart, dass ein aus einigen hochrangigen Beamten bestehendes Führungskomitee die Führung des Landes übernehmen und mit den USA ein Abkommen zur Beendigung der israelischen Angriffe aushandeln soll. Die Geheimgespräche würden bewusst geleakt, in der Hoffnung, dass die Enthüllung dabei helfen könnte, die regionale und internationale Reaktion einzuschätzen.

Teheran sei derzeit «voll von solchen Komplotten. Jeder weiss, dass Chameneis Tage gezählt sind», so Azizi. «Selbst wenn er im Amt bleibt, wird er keine tatsächliche Macht haben.» Einzelne Militärs, die in die Pläne involviert sind, stehen demnach bereits in regelmässigem Austausch mit Vertretern westlicher Grossmächte und erbitten Unterstützung für einen politischen Neuanfang.

Der frühere Präsident Hassan Rohani (76), der selbst nicht an den Gesprächen teilnahm, wird offenbar für eine Schlüsselrolle innerhalb dieses Übergangsgremiums in Erwägung gezogen. Der Geistliche und Politiker war von 2013 bis 2021 Präsident des Iran und als Gemässigter für die Aushandlung des Atomabkommens mit den Weltmächten im Jahr 2015 bekannt.

«Feiger» Chamenei

Laut iranischer Verfassung müsste der sogenannte Expertenrat – ein Gremium aus 88 Klerikern – einer formellen Absetzung des Obersten Führers zustimmen. Angesichts der angespannten Lage erscheint eine offizielle Abwahl derzeit unwahrscheinlich. Chamenei könnte Insidern zufolge durch politischen Druck oder die Machtübergabe an einen Übergangsnachfolger entmachtet werden.

«Seit Jahren führt Chamenei sein Land mit Sprechchören wie ‹Tod für Amerika› und ‹Tod für Israel›, gleichzeitig hat er es vermieden, einen der beiden Staaten in seinem eigenen Land zu bekämpfen», schreibt Azizi. «Jetzt ist das iranische Territorium von beiden unter Beschuss.» Chameneis Haltung gelte als widerspenstig und vorsichtig zugleich, «fast schon als feige».

Gesichtswahrend dürfte der Iran in den kommenden Tagen mit einem eher symbolischen Angriff reagieren. Doch das Land steht am Scheideweg: Entweder Teheran eskaliert den Krieg und riskiert die Feindschaft von Golfstaaten, die US-Stützpunkte beherbergen. Oder Teheran strebt einen historischen Kompromiss mit den USA an, der die jahrzehntelange Feindseligkeit beendet. Die Eliten um Chamenei fragen sich, ob er für den Kriegs- oder Friedensfall «beiseite geschoben werden muss», so Azizi.

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