Darum gehts
Ist er ein Meister des Kompromisses – oder doch ein eiskalter Hardliner? Friedrich Merz (69) ist seit einem Monat deutscher Bundeskanzler. Er hat einen holprigen Start hingelegt, aber auch bereits erste Erfolge eingefahren.
Die Herausforderungen bleiben aber sehr gross. Blick zeigt, wo der 1,98-Meter-Hüne gepunktet hat, aber auch wo seine grössten Schwächen liegen.
Wortbruch mit Sondervermögen
Merz wartete nicht bis zu seiner Wahl im Bundestag, um Kontroversen auszulösen. Im Wahlkampf hatte er seine Konkurrenten Olaf Scholz (66) und Robert Habeck (55) scharf für deren Schuldenpolitik kritisiert.
Nach dem Wahlsieg war alles anders: Merz liess noch im alten Bundestag grosse neue Schulden beschliessen. Viele Verteidigungsausgaben sind nun von der Schuldenbremse ausgenommen. Für Infrastruktur und Klimaschutz werden Kredite über 500 Milliarden Euro aufgenommen. Dieses Vorgehen hat die Glaubwürdigkeit des Westfalen bei der konservativen Wählerschaft geschwächt. Merz musste sich den Vorwurf des Wortbruchs anhören.
Fehlstart bei der Kanzlerwahl
Am 6. Mai erlebte der Jurist einen historischen Fehlstart. Im ersten Wahlgang scheiterte Merz mit nur 310 Stimmen im Bundestag, obwohl die Koalition aus Union und SPD 328 Sitze hat. Im zweiten Wahlgang wurde er zwar gewählt, doch die 18 Abweichler aus dem ersten Wahlgang offenbarten Spannungen in der rot-schwarzen Koalition.
Die geheime Wahl lässt Raum für Spekulation: Waren es Sozialdemokraten, die Merz’ konservative Linie ablehnen, oder Union-Abweichler, die seinen Führungsstil infrage stellen?
Streit um Zurückweisungen
Ein zentrales Wahlversprechen setzte Merz rasch um: eine restriktive Migrationspolitik mit verstärkten Grenzkontrollen und Zurückweisungen. CSU-Innenminister Alexander Dobrindt (54) führte temporäre Grenzschliessungen ein.
Doch ein Berliner Gerichtsbeschluss erklärte diese teilweise für rechtswidrig, da sie gegen EU-Recht verstossen. Jetzt wird gestritten, wie es weitergehen soll. Die SPD kritisiert die Massnahmen scharf, was für Spannungen innerhalb der Regierung sorgt.
Klare Kante gegen Putin
Merz hat früh aussenpolitische Akzente gesetzt: Er betonte Deutschlands Unterstützung für die Ukraine «ohne Wenn und Aber» und sprach sich gegen einen «Diktatfrieden» mit Russland aus.
Auch stellte er die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern in Aussicht. Er will jedoch nicht mehr über einzelne Waffen sprechen, auch um Wladimir Putin (72) im Ungewissen zu lassen. Sein Besuch in Kiew steht in klarem Kontrast zum zögerlichen Vorgänger Scholz.
Guter Eindruck beim Besuch im Weissen Haus
Auch Merz’ Antrittsbesuch bei Donald Trump (78) am Donnerstag war ein diplomatischer Erfolg. Trotz der unberechenbaren Art des US-Präsidenten gelang es Merz, eine konstruktive Atmosphäre zu schaffen. Er zeigte Geschick, indem er Trumps Ego ansprach und Deutschland als verlässlichen Partner positionierte.
Merz betonte die transatlantische Partnerschaft und sicherte Unterstützung für die Ukraine zu, ohne Trump zu kritisieren. Neue Zugeständnisse erreichte der Kanzler jedoch keine.
Die AfD im Nacken
Merz strahlt eine gewisse Zuversicht aus. Das ist wichtig – bei all den Problemen, denen er gegenübersteht. Die schwarz-rote Koalition ist ein Zweckbündnis mit grossen Risiken. Merz muss Kompromisse schmieden, ohne seine konservative Basis oder die Sozialdemokraten zu erzürnen.
Das grosse Sondervermögen soll auch die Wirtschaft ankurbeln. Hier steht Merz unter Druck, rasch spürbare Fortschritte zu liefern. Jüngere Menschen zweifeln gemäss dem Kanzler selbst am deutschen «Wohlstandsversprechen», was die Regierung unter Zugzwang setzt.
Dabei bleibt die AfD mit 23 Prozent in Umfragen eine Bedrohung. Weiter ist unklar, ob es zu einem Verbotsverfahren gegen die Partei kommt. Klar ist aber: Sollte Merz’ Koalition zerbrechen, würde die AfD profitieren.
Laut einer Umfrage der ARD vom 7. Mai halten nur 32 Prozent der Deutschen Merz für einen guten Kanzler, während 59 Prozent skeptisch sind. Die kommenden Monate werden zeigen, ob Merz den Optimismus wirklich nach Deutschland zurückbringen kann.