Auch Putin will einen haben
Der US-Mineralien-Deal mit Kiew hat nur einen Haken

Nach monatelangen Verhandlungen haben die USA und die Ukraine den Mineraliendeal am Mittwoch in Washington unterzeichnet. Was auf den ersten Blick aussieht wie amerikanische Erpressung, ist das Beste, was Kiew passieren konnte. Eine Einordnung.
Publiziert: 01.05.2025 um 14:25 Uhr
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Aktualisiert: 01.05.2025 um 14:47 Uhr
Die Ukraine hat riesige Mineralien-Vorkommen. In der Region Schytomyr in der Zentralukraine wird etwa Titan abgebaut.
Foto: AFP

Darum gehts

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Samuel SchumacherAusland-Reporter

Donald Trump (78) hat seinen Mineralien-Deal in trockenen Tüchern. Am Mittwochabend unterzeichnete die ukrainische Delegation in Washington den Vertrag, der den USA exklusive Rechte bei der Förderung wertvoller Rohstoffe wie Uran, Lithium und Graphit in der Ukraine zusichert. Statt mit Cash «bezahlen» die USA ihre Förderrechte mit Militärhilfe. Wichtiger Punkt: Die Waffen im Wert von 67 Milliarden Dollar, die die USA der Ukraine bislang geliefert haben, sind nicht Teil des Deals und müssen von Kiew nicht mit Rohstoffen an Washington «zurückbezahlt» werden.

Auf den ersten Blick sieht der Mineralien-Deal aus wie ein aufgezwungenes Unterdrückungsinstrument, mit dem Trump die Ukraine an die enge Leine nimmt. Doch der Mineralien-Deal ist das Beste, was Wolodimir Selenski (47) und seiner Regierung passieren konnte.

Natürlich wirkt es befremdlich, dass dasselbe Amerika, das der Ukraine noch unter Joe Biden (82) «ewige Unterstützung» schwor und die Welt zum Zusammenrücken gegen die russische Tyrannei aufrief, jetzt plötzlich keine Lust mehr hat, demokratische Werte gratis gegen Putins Terror zu verteidigen. Statt des moralischen Kompasses sind es jetzt plötzlich wirtschaftliche Interessen, die die amerikanische Aussenpolitik leiten. «Transactional» sagen die Amerikaner dazu: Wir helfen dir gerne – wenn für uns was dabei rausspringt.

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Der US-Mineralien-Deal gibt Wolodimir Selenski Grund zur Zuversicht.
Foto: EPA

Viel besser als die alten Sicherheitsgarantien

Diese Form der Aussenpolitik ist jedoch keinesfalls neu (wir erinnern uns etwa an das amerikanische «Engagement» im ölreichen Irak). Und sie ist keinesfalls rein amerikanisch. Auch Europa hält der Ukraine nicht einfach aus gutem Willen die Stange: Im Juli 2021 unterzeichnete die EU mit Kiew ebenfalls einen Mineralien-Deal. Der Vertrag soll sicherstellen, dass Europa Zugang zum grossen Rohstoffvorkommen in der Ukraine hat und nicht länger abhängig ist vom Weltmarktführer China.

Zwar beinhaltet der US-ukrainische Vertrag keine handfesten amerikanischen Sicherheitsgarantien für die Ukraine. Aber von Sicherheitsgarantien (abgesehen vom unrealistischen Nato-Beitritt) hält die Ukraine nach all den Enttäuschungen der vergangenen Dekaden sowieso wenig. 1994 etwa versprachen die USA und Russland der Ukraine im «Budapester Memorandum» territoriale Integrität und unverrückbare Grenzen. Die Ukraine übergab den Russen im Gegenzug ihr gesamtes Atomwaffenarsenal. Der Wert dieser Sicherheitsgarantien: gleich null!

Der Mineralien-Deal aber gibt der Ukraine potenziell eine ganz neue Form der Sicherheit: Wenn amerikanische Unternehmen vermehrt in die Förderung seltener Erden und anderer Mineralien in der Ukraine involviert sein werden, dann steigt das Interesse der USA, dass die Ukraine ein langfristig stabiles, sicheres und vom russischen Raketenterror gefeites Land ist und bleibt. Bomben sind nicht gut fürs Business. Amerika wird seine Unternehmen vor Ort gegen russische Angriffe schützen und damit die Ukraine automatisch stärken.

Der Ukraine-Mineralien-Deal hat einen Haken

Die grosse Frage bleibt, ob amerikanische Unternehmer auch wirklich bereit sind, in der Ukraine zu investieren. Der ausgehandelte Deal rollt ihnen den Teppich aus. Doch der Weg hin zu profitablen Investments ist ein weiter. Das Rohstoffvorkommen in der Ukraine ist zwar (insbesondere im Osten und Norden des Landes) gewaltig. Wirklich entwickelt aber ist die Förderindustrie im Land (mit Ausnahme der inzwischen von Russland besetzten Kohleminen im Donbass) noch nicht.

Viel, viel Arbeit unter gefährlichen Bedingungen in einem der noch immer korruptesten Länder Europas: nicht gerade allerbeste Voraussetzungen. Trump aber kann den Deal als grossen Erfolg verkaufen. Vielleicht stimmt er ihn milde, sprich: spendierfreudig. Weitere US-Militärhilfepakete für die Ukraine wären dringend nötig.

Und natürlich schaut Moskau dem Mineralien-Spiel nicht einfach tatenlos zu. Der Kreml liess jüngst verlauten, man wäre durchaus offen für ähnliche Deals mit den USA. Und schliesslich habe man in Russland ein x-Faches der Bodenschätze der Ukraine. Ein entsprechender Vertrag mit Russland würde die Dynamik im Ukraine-Krieg im Nu wiederkehren. Das Kriegsbusiness ist brutal. Und das bleibt es – trotz des Mineralien-Deals.

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