Darum gehts
- Oberwalliser Bergdörfer erleben Aufschwung durch Zuzug neuer Bewohner
- Lonza-Boom in Visp schafft Arbeitsplätze und erhöht Nachfrage nach Wohnraum
- Ausserberg: Sieben neue Einfamilienhäuser und drei Mehrfamilienhäuser in letzter Zeit
Oberwalliser Bergdörfer hatten jahrelang mit Abwanderung zu kämpfen. Niemand konnte sich wirklich vorstellen, dass man dort neue Wohnungen bauen oder alte sanieren kann – und für diese tatsächlich Käufer oder Mieter findet. Doch dank des Lonza-Booms haben sich im Oberwallis die Zeiten geändert: In Bürchen, Unterbäch, Zeneggen, Eischoll oder Embd sind jüngst moderne Mehrfamilienhäuser gebaut worden. Besonders erfreulich ist die Entwicklung in Ausserberg, wie ein Besuch von Blick in der sonnenverwöhnten Gemeinde zeigt.
Der Deutsche Daniel Zerna (50) steht in einer 4,5-Zimmer-Wohnung unterhalb des Dorfzentrums hinter einer kleinen Werkbank. Er hat die Wohnung in den letzten zwölf Monaten saniert und wird diese demnächst zur Vermietung ausschreiben. «Die Gemeinde hat viel Potenzial», sagt er und verweist auf das grosse Bevölkerungswachstum im Oberwallis.
Studio war in nur 24 Stunden weg
Als Zerna 2018 seinen aktuellen Job als Projektleiter beim Kanton Wallis antrat und nach Ausserberg zog, mutete dieser Entscheid noch exotisch an. Er habe zuerst in Visp VS nach einer Wohnung gesucht. «Doch dort war im Winter alles grau und düster. Als ich dann hoch nach Ausserberg geschaut und die Sonne gesehen habe, war für mich klar. Da gehe ich hin», erzählt er.
Er kaufte in Ausserberg eine Wohnung und zog ein. Zwei Jahre später wurde er schliesslich angefragt, ob er ein Haus aus den 1970er-Jahren im Dorf kaufen möchte. Er übernahm das Gebäude, sanierte erst die eine Wohnung und baute dann das Erdgeschoss zu einem Studio aus. «Beim Studio hat es keine 24 Stunden gedauert, bis ich einen Mieter gefunden habe», sagt Zerna. Nun ist auch die dritte und letzte Mietwohnung bezugsbereit.
Bei der Sanierung hat er auf lokale Handwerker gesetzt und selbst mitangepackt. Zerna ist beim Kanton im Baubereich tätig und konnte viele Arbeiten selbst erledigen. «Deshalb hat es etwas gedauert», sagt er und lacht. Die Mieten der sanierten Wohnungen sind günstiger als im Talgrund.
Gemeinde legt Gärten zusammen
«Der springende Punkt war immer der Wohnraum», so Diego Treyer (44), Gemeindepräsident von Ausserberg. Und wer bauen will, braucht Bauland. Die Gemeinde hat deshalb in einem grösseren Gebiet kleine Baulandparzellen zusammengekauft, die nur als Gärten genutzt wurden. Für Wohnhäuser war darauf kein Platz. «Wir haben diese zu grösseren Grundstücken zusammengelegt, die wir zum Verkauf anbieten», führt er aus.
Die Parzellen reichen für rund elf Einfamilienhäuser und sollen die positive Entwicklung weiter befeuern: Sieben neue Einfamilienhäuser, drei Mehrfamilienhäuser und drei Umbauprojekte wurden in den letzten Jahren in Ausserberg bereits realisiert oder stehen kurz vor der Vollendung.
Im Dorf kennt man sich
Eines der neuen Häuser gehört der Familie Schmid. Beim Besuch spielen die vier Kinder im Garten. Pascal Schmid (38) verliess das Dorf im Wallis für sein Studium in Richtung England, lebte danach unter anderem in Zürich und zuletzt in Thun BE. «Eine Rückkehr war lange Zeit kein Thema», sagt er. Doch der Nachwuchs führte schliesslich zum Umdenken. «Meine Frau ist in Nidwalden ebenfalls in den Bergen aufgewachsen, und wir wollten, dass unsere Kinder dieses dörfliche, familiäre und soziale Umfeld ebenfalls erleben», erzählt er.
Der Schulstandort in Ausserberg sei deshalb sehr wichtig gewesen. Die vier Kinder können selbständig einen Wanderweg hoch zur Schule laufen. «Dabei müssen wir uns als Eltern keine Sorgen machen. Verläuft sich eines, kennt man sich im Dorf und weiss, wo sie hingehören.» Schmid arbeitet als Chiropraktor in Visp in seiner eigenen Praxis, die er von seinem Vater übernommen hat. So kann er über Mittag heim, mit der Familie essen und ist zehn Minuten später wieder in der Praxis. «Wir leben hier, wo andere Ferien machen», sagt er.
Glück beim Landkauf
Die Familie Heynen hat den Baustress noch vor sich. Valentin Heynen (33) steht auf der Dorfstrasse. Hinter ihm steckt eine Werbetafel in der Wiese, die ein modernes Wohnbauprojekt anpreist. Der Architekt ist in Ausserberg aufgewachsen und plant gemeinsam mit seinen Geschwistern und Eltern den Bau eines Mehrfamilienhauses im Dorf.
Die Eltern würden in eine der neuen Wohnungen ziehen und Valentin Heynen und seine Frau das Elternhaus übernehmen. «Unsere Eltern haben uns Geschwister gefragt, ob jemand das Haus übernehmen möchte. Doch in Ausserberg gibt es kaum moderne, kleine Wohnungen für zwei Personen. Sie sollen schliesslich im Dorf bleiben können», erklärt Heynen, wie die Idee für das Projekt entstanden ist.
Beim Landerwerb hatte die Familie Glück. In vielen Bergdörfern trennen sich Eigentümer selten von ihren Grundstücken. Die Heynens konnten das gut erschlossene Bauland von zwei Geschwistern kaufen, die selbst nicht mehr im Dorf wohnhaft sind. «Die ehemaligen Eigentümer finden es schön, dass Einheimische etwas für das Dorf tun wollen. Sonst hätten sie ihr Land sicher nicht abgegeben», so der Architekt.
Neubauen am Berg hat seinen Preis
Das Projekt umfasst sieben Wohnungen mit 2,5- bis 4,5-Zimmern. «Gerade für Personen, die zum ersten Mal von daheim ausziehen, Rentner oder junge Paare fehlt ein Angebot», sagt Heynen. Die Baubewilligung liegt vor. «Nun müssen wir ein paar Käufer finden, damit die Finanzierung steht und wir mit dem Bau loslegen können.» Ein Unterfangen, das Geduld benötigt.
Die Mieten von sanierten, älteren Wohnungen sind in den Bergdörfern zwar günstiger als im Talgrund, das Bauen hingegen nicht. «Das Bauland ist hier zwar günstiger. Durch die höheren Bauaufwände, aufgrund der Hanglage, ist es unter dem Strich aber ein Nullsummenspiel», so Heynen. Man kann die Käufer also nicht wirklich über den Preis locken. «Sie müssen von der Lebensqualität in einem Bergdorf überzeugt sein.»
Dass das soziale Leben in Ausserberg blüht, zeigt auch die grosse Zahl von 26 aktiven Vereinen im Dorf. Der Gemeinderat mit Präsident Diego Treyer will die Wohnattraktivität der Gemeinde weiter verbessern. «Die Bevölkerungszahl ist in den letzten vier Jahren wieder gewachsen», sagt er. Derzeit leben in der Gemeinde 670 Einwohnerinnen und Einwohner. «Basierend auf unserer Infrastruktur, streben wir eine moderate Wachstumsstrategie mit etwa 800 Einwohnern an. Damit könnte die Gemeinde langfristig eigenständig überleben und der Schulstandort wäre gesichert.»