Die Flugbegleiterinnen sind am Anschlag. In einem anonymen Schreiben erheben sie schwere Vorwürfe an die Airline Swiss. Sie fühlen sich «ausgesaugt».
Das ist aber nur die Spitze des Eisberges. «Auch das Bodenpersonal ist am Verzweifeln», sagt Stefan Brülisauer in einer Reaktion. Er ist Regionalsekretär der Gewerkschaft VPOD, des grössten Arbeitsnehmerverbands für das Bodenpersonal.
Brülisauer ist nahe bei den Leuten. Er kennt die Probleme. «Viele Mitarbeitende haben die Branche bereits verlassen», sagt er. Die verbliebenen Mitarbeitenden stünden unter enormem Druck. «Zusammenbrüche sind keine Seltenheit.»
Corona-Wut am Schalter
Das Problem sei die Flugplanung. In den sogenannten Peaks – jeweils am Morgen und Mittag – würden alle Airlines beinahe gleichzeitig fliegen. Die vorhandenen Mitarbeitenden – rund 60 Prozent im Vergleich zu vor der Krise – müssten in kurzer Zeit ein Arbeitsvolumen abfertigen, das zuweilen höher sei als vor der Krise.
«Gleichzeitig werden die Mitarbeitenden im Check-in von Passagieren teilweise massiv angegangen. Fehlen die Corona-Dokumente, müssen Passagiere abgewiesen werden, die Reaktion darauf kriegen die Mitarbeitenden zu spüren.»
Die Folge: Viele melden sich krank. Die Absenzen summieren sich auf ein derart hohes Niveau, dass Arbeitgeber sogar ihren Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung verlieren, was wiederum negative finanzielle Konsequenzen für das Personal hat. Ein Teufelskreis.
Swissport mit Problem in Basel
Beispiel Swissport in Basel: Im September 2021 muss der Flughafendienstleister ohne Kurzarbeitsgelder auskommen, wie ein internes Schreiben an das Personal zeigt. Das gleiche Problem hatte die Firma bereits im August.
In beiden Monaten hatte Swissport mit diesen Geldern kalkuliert. Aber zu viele Mitarbeiter meldeten sich krank. Und das Arbeitsamt akzeptiert Krankheitsabsenzen nicht als Ausfallstunden.
«Statt die erforderlichen 10 Prozent Arbeitsausfall können wir nur knapp 9 Prozent ausweisen», schreibt Swissport-Basel in der internen Personalinfo. «Wir sind somit weiterhin für den Monat September nicht mehr berechtigt, Kurzarbeitsentschädigungen zu beziehen, obwohl wir stark damit gerechnet hatten.»
Streik angedroht
Das trifft die Angestellten doppelt: Erstens erhalten sie weniger Geld, zweitens werden ihnen die Stunden, die sie nicht eingesetzt wurden, als Minusstunden verrechnet. «Dies verschärft die Situation zunehmend, da nun auch noch die Minusstunden aufgearbeitet werden müssen», sagt Brülisauer.
«Seit Jahren stehen die Mitarbeitenden im Luftverkehr unter starkem Druck. Die Corona-Pandemie hat nun das Fass zum Überlaufen gebracht», so der Gewerkschafter. «Ändert sich nichts an der Situation, kann es bereits in diesem Jahr zu Streiks an Schweizer Flughäfen führen.»
Das sind keine leeren Worte, wie das Beispiel Genf zeigt. Die letzte Arbeitsniederlegung datiert auf Juli 2021. Die Aktion wurde von den Gewerkschaften Avenir Syndical und SSP organisiert. Swissport verurteilte die Kampfmassnahme. Zur aktuellen Situation schreibt Swissport, die Arbeitssituation sei «in der Tat besonders im Juli und August während der Flugspitzen sehr anspruchsvoll» gewesen. Das Unternehmen sei «beeindruckt von den erbrachten Leistungen» der Mitarbeitenden. Als Dank sei eine Prämie ausbezahlt worden. Und: «Aktuell laufen Rekrutierungsvorbereitungen, sodass nach Ende der Kurzarbeit wieder Mitarbeitende eingestellt werden können.»