Ende Juni wurde in Burgdorf BE das letzte Sauerbier gebraut. Nach elf Jahren zogen die beiden Gründer der Brauerei Blackwell die Reissleine – es lohnte sich einfach nicht mehr.
Nur wenige Wochen zuvor besiegelten die Aktionäre der Brau AG in Langenthal BE das Schicksal des «49er»-Biers. Sie stimmten dagegen, dem Verwaltungsrat das nötige Kapital für den Umzug an einen grösseren Standort zur Verfügung zu stellen. Die Folge: Konkurs.
Ebenfalls im Mai verkündete die Soorser Bier AG in Sursee LU die Schliessung ihrer Brauerei. Die Rohstoffpreise und gestiegene Energiekosten hatten dem achtjährigen Unternehmen den Garaus gemacht. Weil die Tanks bis zuletzt gut gefüllt waren, fand gestern Samstag eine «Ustrinkete» statt – mit «Freibier för alli».
Erster Rückgang seit 30 Jahren
Während der Corona-Pandemie zeigten zwei Kurven steil nach oben: Jene der Neu-Ansteckungen – und jene der Anzahl von Hopfensaft-Manufakturen in der Schweiz. Das Virus machte aus vielen Bürolisten Bäckerinnen und Brauer. Doch diese Zeiten scheinen schon wieder vorbei zu sein: Erstmals seit Ende des Bierkartells vor mehr als 30 Jahren zählte das Bundesamt für Zoll- und Grenzsicherheit 2022 weniger Brauereien als im Vorjahr: Es waren 1179, also 99 weniger.
Was ist da los auf dem Schweizer Biermarkt? Anruf bei Christoph Lienert, dem stellvertretenden Direktor des Schweizer Brauerei-Verbandes: Auch wenn sich die Meldungen von Brauerei-Schliessungen in jüngster Zeit häuften, so der 37-Jährige zu SonntagsBlick, könne man nicht von einem Brauereien-Sterben sprechen.
50 für 99 Prozent des Biers zuständig
Ein Grossteil der rund 1200 Brauereien würden von Hobbybrauern betrieben, so Lienert. Wer mehr als 400 Liter Bier pro Jahr abfüllt, wird registriert und damit steuerpflichtig. «Verliert jemand das Interesse an seinem Hobby oder hört aus Zeit- oder Kostengründen mit dem Brauen auf, fällt er aus der Statistik», erklärt Lienert. Am grossen Ganzen ändert das kaum etwas: Rund 50 Brauereien produzieren 99 Prozent des Schweizer Biers. Nach den Corona-Jahren wurde 2022 in der Schweiz mehr Bier gebraut und auch mehr Bier getrunken als zuvor. Der Pro-Kopf-Konsum stieg um 5,7 Prozent auf 53,5 Liter.
Die Schweiz gilt als Land mit der grössten Brauereidichte. Lienert: «Wenn mehr mitmachen, wird es für den einzelnen natürlich schwieriger.» In Burgdorf gibts nach wie vor das «Burgdorfer», in Langenthal das «Fürobebier» und in Sursee das «Schnellzug».
Spezialbiere nach wie vor beliebt
Dass Kleinbrauereien derzeit einen schweren Stand haben, liegt aber nicht allein an gestiegenen Preisen für Rohstoffe wie Hopfen und Malz oder den hohen Energiekosten. Craftbeer-Herstellern macht auch zu schaffen, dass die grossen Produzenten inzwischen ebenfalls Spezialitätenbiere wie IPAs (India Pale Ale) oder Pale Ales ins Sortiment aufgenommen haben – zu wesentlich günstigeren Preisen.
Dass der Trend zu Spezialitätenbieren anhält, bestätigt auch Katja Inauen (31), die sich in den vergangenen Monaten berufsbegleitend zur Biersommelière ausbilden liess. Die Appenzellerin: «Auch wenn das Lagerbier Spitzenreiter bleibt, wächst die Craftbeer-Szene immer noch.» Im Ausgang oder bei hohen Temperaturen bevorzugt sie helles untergäriges Bier aus der Region. Zu einem schönen Essen geniesst die Gastro-Angestellte dann aber gerne ein anspruchsvolleres, obergäriges Bier wie ein IPA oder ein belgisches Dubbel.
Zahlen des Onlinehändlers brack.ch, die er anlässlich des Internationalen Tags des Bieres am Freitag veröffentlichte, stützen Inauens Einschätzung: Lagerbier werde nach wie vor am meisten gekauft, gefolgt von Bier-Mischgetränken und India Pale Ales, heisst es in einer Mitteilung. Nicht nur IPA, sondern Craftbeer im Allgemeinen erfreue sich wachsender Beliebtheit.
Alkoholfreies Bier legt 20 Prozent zu
Überflieger in Sachen Bier ist allerdings das alkoholfreie. Bei brack.ch enthält fast jedes dritte verkaufte Bier kaum noch Alkohol. Gesamtschweizerisch betrachtet ist der Konsum von alkfreiem Bier 2022 um 20 Prozent gestiegen.
Christoph Lienert vom Brauerei-Verband sieht die Gründe dafür bei der Vielfalt. Längst gibt es nicht mehr nur Lager ohne Volumenprozent, sondern auch Weizenbiere oder IPAs. «Die Verfahren sind einfacher geworden, der Geschmack wurde verbessert», sagt Lienert. Nicht zuletzt habe der Trend wohl auch mit dem gesteigerten Gesundheitsbewusstsein von Konsumentinnen und Konsumenten zu tun.