Noch ist es ein Parkplatz. Aber schon bald fahren die Bagger auf hinter der Nespresso-Fabrik in Romont FR. Eine Halle, 40 Meter hoch, entsteht dort. Zehn Produktionslinien wird sie dereinst beherbergen. 300 Personen werden so Arbeit finden, kündigte Nestlé, der weltgrösste Lebensmittelhersteller, unlängst an (BLICK berichtete).
Während andere Firmen massenhaft Stellen streichen, baut der Kaffee-Multi aus. 2002 eröffnete der Kapselpionier die erste Fabrik in Orbe VD. Die zweite folgte sechs Jahre später in Avenches VD. 2015 schliesslich jene in Romont. Letztere wird nun bereits wieder ausgebaut. Nespresso setzt auf den Werkplatz Schweiz – trotz Corona-Krise und Frankenstärke: Die Welt ist offenbar heisser denn je auf Nespresso-Kaffee. «Wir wollen im nächsten Jahr starten und bereits Mitte 2022 mit der Produktion in der neuen Halle beginnen», sagt Daniele Jüngling (52), als er BLICK zum Interview empfängt.
Temperaturmessen am Werkseingang
Am Werkseingang ist ein Temperaturmesser. Masken und Desinfektionsmittel sind bereit. Im Gebäude herrscht strikte Maskenpflicht. Für den Arbeiter. Für das Kader. Für die Gäste.
Jüngling, Chef der drei Schweizer Nespresso-Werke, ist keine Ausnahme. Im Produktionsgebäude lässt er die Maske nur für den Kaffee fallen. Ausserhalb des Gebäudes hält er Abstand. Er ist stolz, denn nach wie vor ist jede einzelne Nespresso-Kapsel, die in aller Herren Ländern verkauft werden, Swiss made. Heisst: Ausserhalb der Schweiz gibt es keine andere Kapselfabrik.
Koffein für die lokale Wirtschaft
Um das Werk herum wabert ein Duft von geröstetem Kaffee. Fünf Tassen Kaffee trinkt Jüngling am Tag. Er mag ihn kurz und stark. In dieser Beziehung bricht die italienische Seele durch. Deutsch und deutlich wird er nur, wenn es um die Zukunft geht. 160 Millionen kostet der Ausbau. «Die lokalen Firmen werden davon profitieren», verspricht er.
Bereits beim Bau der ersten Produktionshalle in Romont waren rund 25 lokale Firmen beteiligt. Sie beanspruchten mehr als die Hälfte des über 300 Millionen Franken umfassenden Budgets für sich. Knapp 3200 Personen fanden damals während der Bauzeit Arbeit.
Jetzt der nochmalige Ausbau. Ein weiterer Geldregen, der so wichtig ist für die Region, die unter einer hohen Arbeitslosigkeit leidet. Romont ist strukturschwach. Das Freiburger Städtchen hat zwar einen mittelalterlichen Charme, alte Mauern, viel Glasmalerei. Früher verirrte sich auch ab und zu ein chinesischer Reisetrupp in das 5000-Seelen-Dorf. Aber wirtschaftlich läuft sonst nur wenig.
Nespresso als Magnet
Der Kaffee in der Cafeteria des lokalen Bäckers ist schwarz, stark und günstig. Er kostet keine 4 Franken. Am Zapfhahn wird stilecht Cardinal-Bier ausgeschenkt. Selbst am Morgen. Kartenzahlung gibt es nicht. Vor kurzem hat sich auch noch der Verpackungskonzern Tetrapak verabschiedet. 123 Jobs gingen verloren. Wieder mehr Zeit für Cardinal.
Nespresso ist die Hoffnung. Für den Kaffee-Multi hat die Gemeinde eigens Industrieland gekauft. Sie hat einen Gleiszugang gelegt und einen Steuerdeal ausgehandelt. Im Gegenzug hat der Konzern die lokale Industrie reanimiert, Jobs geschaffen und baut weiterhin kräftig aus.
Die Aufbruchstimmung ist spürbar. Romont ist den Leuten wieder ein Begriff, die Westschweiz ein Kaffee-Wunderland, Nespresso der Magnet, selbst für die Konkurrenz. Sogar die Migros sucht die Nähe. Mit einer neuen Recycling-Partnerschaft wollen die beiden Giganten das Image der Alukapsel heben. Heute wollen die beiden über den nächsten Schritt ihrer Zusammenarbeit informieren.
Kaffee-Wunderland Schweiz
Noch vor zwanzig Jahren war die Schweiz ein Kaffee-Niemandsland. Jetzt ist die kleine Eidgenossenschaft eine Grossmacht in der Welt des braunen Muntermachers, obschon kein einziger Kaffeebaum hier wächst. Sie ist eine Meisterin im Rösten. Tonnenweise wird Kaffee angekarrt, tonnenweise wird er wieder aus dem Land geschafft. Was dazwischen passiert, macht die Schweiz reich.
Die Zahlen sind eindrücklich: Auf 2,5 Milliarden Franken summierten sich die Kaffee-Exporte im letzten Jahr. Mehr als bei der Schokolade. Mehr als beim Käse. Ein Kilo exportierter Kaffee hat einen Gegenwert von 30 Franken. Ein Kilo Import-Kaffee dagegen kostet 4 Franken. Die Differenz: 26 Franken.
Das ist vornehmlich das Verdienst von Nespresso. Und das wird auf absehbare Zeit auch so bleiben, wenn es nach Jüngling geht.