Seit Wochen stehen sich der demokratische Präsident Joe Biden und der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses Kevin McCarthy im Streit über die Anhebung der US-Schuldenobergrenze als Widersacher gegenüber. Bei der letzten Schuldenkrise 2011 hiessen die zwei Protagonisten Barack Obama und John Boehner. So wie heute hofften die Anlegerinnen und Anleger schon damals, das Drama um die Hinauszögerung einer Lösung möge so rasch wie möglich beigelegt werden.
Es kam dann anders als geplant. Erst mit deutlicher Verspätung, am 1. und 2. August 2011, haben Kongress und Repräsentantenhaus dem Anheben der Schuldenobergrenze zugestimmt. Der Tiefpunkt war an den US-Börsen damit noch nicht erreicht, da am 5. August 2011 die Ratingagentur Standard & Poor's nach Börsenschluss bekannt gab, den USA die Bestnote beim Kreditrating zu entziehen.
Als die amerikanischen Börsen wieder öffneten, verlor der Dow-Jones-Index innert Tagesfrist mehr als 5 Prozent an Wert. Auch wenn sich die Meldungen der Wall-Street-Strategen hernach überschlugen, welch negativen Einfluss dies für die USA hätte, war kurz darauf auch der Tiefpunkt an den Börsen erreicht.
Börsen zittern regelmässig vor dem Tag X
Der Blick zurück zeigt auch, dass die Finanzmärkte schon vor dem Erreichen des sogenannten X-Dates – dem Tag, an dem es zum Zahlungsausfall kommt – gegen unten tendierten. Diese Negativspirale betraf allerdings nicht nur die Börsen in Übersee, wo der S&P 500 Index in der Spitze bis zu 15 Prozent nachgab.
Auch der Swiss Market Index (SMI) mit minus 22,6 Prozent und der DAX (–25,79 Prozent) kamen unter die Räder. Dass die europäischen Aktienmärkte höhere Kursverluste verzeichneten als die US-Börsen, lag damals auch am Umstand, dass die europäische Schuldenkrise um Griechenland in vollem Gang war und die Finanzmärkte der Eurozone stark belastete.
Der grosse Profiteur des politischen Hick-Hack in Washington und der Euro-Schuldenkrise war der Goldpreis. Dieser legte innerhalb von 3 Monaten um 21 Prozent zu. Kein Wunder, wird auch heute von verschiedenen Banken empfohlen, Goldanlagen in Betracht zu ziehen. Die UBS hält am Dienstag in einer Kundennotiz fest, dass Gold ein wirksames Portfoliodiversifizierungs- und Absicherungsmittel ist. Die Grossbank rechnet damit, dass das gelbe Edelmetall bis Juni 2024 einen Preis von 2250 Dollar pro Unze erreichen wird.
Die Ökonomen der Commerzbank, welche rückläufige Zinsen erwarten, preisen das Edelmetall ebenfalls an und meinen, dass im Falle einer Zahlungsunfähigkeit der USA der Goldpreis wahrscheinlich stärker profitieren wird als alle anderen Investitionen.
Franken als sicherer Hafen gesucht
«Denn Gold eignet sich unter anderem deshalb als sicherer Hafen, weil es selbst keine Zinsen abwirft und somit keinen Nachteil in einem Umfeld erleidet, in dem die Geldpolitik aller Voraussicht nach gelockert wird und die Renditen entsprechend sinken.» Dies verschafft Gold einen Vorteil gegenüber anderen herkömmlichen sicheren Häfen wie dem US-Dollar, dem Schweizer Franken und dem japanischen Yen – insbesondere jetzt.
Ein Blick zurück zeigt allerdings, dass sich der Schweizer Franken 2011 als sicherer Hafen profilieren konnte. Im Zuge der US-Schuldenkrise 2011 verlor auch der Dollar gegenüber dem Franken kräftig an Wert und notierte in der Spitze 12 Prozent tiefer.
Gegenüber dem Euro tendierte der Franken seitwärts, nachdem die Schweizerische Nationalbank (SNB) am 6. September einen Mindestkurs von 1.20 Franken pro Euro festlegte und so den Kurs des Euro zum Franken stabilisierte.
Aussteigen dürfte sich kaum lohnen
Entsprechend zurückhaltend sind die Strategen derzeit mit ihrem Ausblick. Gilles Moëc, Chefökonom der Axa-Gruppe, ist vorsichtig. «Solange der Markt davon ausgeht, dass das Erreichen der Schuldenobergrenze ein sehr kurzfristiges Ereignis wäre, könnte die Reaktion des Anleihemarktes mild ausfallen. Gleichzeitig würden wir jedoch erwarten, dass der Aktienmarkt und der Dollarkurs zu kämpfen hätten.»
Die UBS empfiehlt, das Portfolio möglichst widerstandsfähig zu machen. «In unserer globalen Strategie bevorzugen wir Anleihen gegenüber Aktien und glauben, dass höherwertige Anleihensegmente sowohl attraktive absolute Renditen als auch eine Absicherung gegen Wachstums- und Finanzstabilitätsrisiken bieten.» Im Aktienbereich seien Dividenden- und Qualitätsaktien zu bevorzugen, um den Ertrag zu steigern.
Nicht zwingend Ausverkauf an Börsen
Da im Sommer 2011 auch die europäische Schuldenkrise ihren Höhepunkt erreicht hat, muss es dieses Jahr nicht zwingend wie 2011 zu einem starken Ausverkauf an den Aktienmärkten kommen. Ganz Aussteigen dürfte auch nicht die Lösung sein. Denn 2011 haben sich die Aktienmärkte nach den Verlusten zwischen Anfang Juni und Mitte August wieder aufgefangen und zeigten sich zum Jahresende erholt. Sowohl der S&P-500-Index als auch der SMI notierten noch 4,7 respektive 4,0 Prozent tiefer gegenüber dem Wert Anfang Juni.
Interessant ist auch, dass der Goldpreis seine Kursgewinne von zwischenzeitlich 25,8 Prozent nicht halten konnte und Ende Jahr nur noch 4 Prozent höher stand. Der US-Dollar gab hingegen ein fulminantes Comeback: Er stieg zum Franken bis zum Jahresende um 11,29 Prozent an. Dies, weil die höheren Renditen am US-Rentenmarkt als attraktiv eingestuft wurden. In der Schweiz läutet die SNB hingegen die Nullzins-Politik ein, indem sie das Zielband für den Leitzins auf 0,00 bis 0,25 Prozent senkte.