Wie reagiert die Konkurrenz auf die temporäre Massnahme?
Warum die Zurich Versicherung die Vergabe von neuen Hypotheken stoppt

Der grösste Schweizer Versicherungskonzern stoppt die Vergabe von neuen Hypothekarkrediten – zumindest temporär. Was steckt hinter diesem Schritt?
Publiziert: 18.03.2024 um 12:19 Uhr
|
Aktualisiert: 18.03.2024 um 12:27 Uhr
1/5
Die Zurich Versicherungen bieten momentan keine neuen Hypotheken an.
Foto: Keystone
holger_alich.jpg
Holger Alich
Handelszeitung

Es ist der grösste Kreditmarkt der Schweiz: der Markt für Hypotheken. Mit über 1200 Milliarden Franken stehen Kundinnen und Kunden bei Banken und Versicherern in der Kreide, um sich den Traum vom Eigenheim zu erfüllen.

Nun zieht ein namhafter Player den Stecker: Die Zurich Versicherungen bieten momentan keine neuen Hypotheken an. Das Unternehmen bestätigt entsprechende Informationen der «Handelszeitung». «Zurich passt aktuell ihre Anlagestrategie an und vergibt aus diesem Grund zurzeit keine neuen Hypotheken», schreibt ein Sprecher. Die Zurich wolle sich aber nicht dauerhaft aus dem Markt für Immobilienfinanzierung zurückziehen, heisst es. Auch auf mehrfache Nachfrage wollte die Zurich Schweiz ihren Entscheid aber nicht näher erläutern.

Artikel aus der «Handelszeitung»

Dieser Artikel wurde erstmals im kostenpflichtigen Angebot von handelszeitung.ch veröffentlicht. Blick+-Nutzer haben exklusiv Zugriff im Rahmen ihres Abonnements. Weitere spannende Artikel findest du unter www.handelszeitung.ch.

Dieser Artikel wurde erstmals im kostenpflichtigen Angebot von handelszeitung.ch veröffentlicht. Blick+-Nutzer haben exklusiv Zugriff im Rahmen ihres Abonnements. Weitere spannende Artikel findest du unter www.handelszeitung.ch.

Die Schweizer Töchter der Zurich Insurance sind nicht irgendwer am Markt: Laut den Daten der Aufsicht Finma ist die Zurich Leben die Nummer sechs der Schweizer Versicherer im Hypothekenmarkt, die Sachversicherung der Zurich ist die Nummer zehn. Zusammen hatten beide Gesellschaften Ende 2022 einen Bestand an Hypotheken von knapp 3 Milliarden Franken in den Büchern.

Rückgang von Zurich «eher speziell»

Für Lukas Vogt, Geschäftsführer des Hypothekenvermittlers Moneypark, ist der temporäre Rückzug der Zurich keine Überraschung: «Das Hypothekenangebot schwankt bei vielen Versicherern, es atmet quasi mit der Grösse der Bilanz», sagt der Experte. Sprich: Wächst ein Versicherer und muss er viele Neuanlagen tätigen, fährt er sein Angebot im Hypothekengeschäft hoch. Wächst das Versicherungsgeschäft weniger oder es gibt interessantere Anlagealternativen als Hypotheken, fahren die Versicherer das Geschäft wieder runter.

Daher komme es immer wieder vor, dass einzelne Versicherer ihr Neugeschäft zeitweise einstellen. Namen will Vogt keine nennen. «Der aktuelle Rückzug der Zurich ist aber eher speziell, da andere Versicherer derzeit recht aggressiv um Neugeschäft buhlen.»

Tatsächlich plant derzeit kein anderer namhafter Versicherer, dem Beispiel der Zurich zu folgen. Helvetia, Mobiliar, Axa, Allianz, Baloise und Swiss Life erklären alle unisono, weiter neue Hypotheken vergeben zu wollen. «Investitionen in Hypotheken sind ein Bestandteil unserer strategischen Asset-Allokation, deren Anteil in den letzten Jahren erhöht wurde», erklärt zum Beispiel die Swiss Life. Der Lebensversicherer hat mit fast 12 Milliarden Franken mit Abstand das grösste Hypothekenbuch aller Versicherer.

Im Megamarkt der Hypotheken tritt die Assekuranz aber meist als opportunistische Nischenanbieter auf. Zusammengerechnet kommt die Branche auf einen Marktanteil von gerade mal 3 Prozent. Platzhirsch sind die Kantonalbanken mit 37 Prozent. Laut Moneypark haben die Versicherer zwischen 2021 und 2022 bereits knapp 3 Prozent ihres Hypothekarvolumens verloren.

Die Gründe für den temporären Stopp

Vor allem in der Periode der Negativzinsen drängten die Schweizer Versicherer mit zum Teil Kampfkonditionen auf den Hypothekenmarkt. Denn gerade die Lebensversicherer müssen Anlagen in Franken mit einer Laufzeit von zum Teil zwanzig bis dreissig Jahren finden – doch da gibt es nicht so viel. Lang laufende Schweizer Staatsanleihen brachten ihnen Verluste ein. Da waren Hypotheken, die mit Schweizer Immobilien besichert sind, eine gute Alternative.

Doch seit der Zinswende sieht die Welt wieder anders aus. Die zehnjährige Schweizer Bundesanleihe rentiert derzeit immerhin mit 0,7 Prozent. Eine zehnjährige Hypothek kostet laut Moneypark derzeit um die 2,5 Prozent.

Warum also stoppt die Zurich ihr Neugeschäft? Ein Grund könnte sein, dass die Zinslandschaft derzeit etwas auf dem Kopf steht. Normalerweise bekommen Investierende einen höheren Zins, wenn sie ihr Geld länger verleihen. Derzeit ist es aber umgekehrt: Die kurzfristigen Zinsen sind höher als die langfristigen. Das Phänomen wird inverse Zinskurve genannt.

Konkret: Der Saron-Zins, zu dem sich Banken kurzfristig Liquidität borgen, liegt aktuell bei 1,7 Prozent. Die Bundesanleihe rentiert dagegen nur mit 0,7 Prozent. Inklusive Zinsmarge von rund 1 Prozentpunkt – der genaue Wert hängt vom Anbieter ab – kosten Saron-Hypotheken um die 2,5 Prozent und damit ungefähr gleich viel wie zehnjährige Kredite.

Sprich, Hypotheken mit langen Laufzeiten sind für Anbieter wie Versicherungsgesellschaften derzeit nicht sonderlich attraktiv. Aber genau die brauchen die Lebensversicherer, um eine Anlage zu haben, die ihre lang laufenden Verpflichtungen deckt.

Wartet die Zurich auf die nächste Zinswende?

Eine inverse Zinskurve ist Ausdruck der Erwartung der Anlegenden, dass eine wirtschaftliche Eintrübung bevorsteht – und infolgedessen dann die Zentralbank ihren Leitzins senkt, um die Kreditaufnahme zu verbilligen und so die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Der nächste Zinsentscheid der Schweizerischen Nationalbank (SNB) steht am 21. März an. Die meisten Volkswirte erwarten allerdings nicht, dass die SNB ihre Leitzinsen dann bereits senkt. Sie dürfte erst einmal auf entsprechende Schritte der EZB warten.

Vor diesem Hintergrund könnte die Zurich Schweiz also zuwarten wollen, bis sich die langfristigen Zinsen in der Schweiz wieder erholen und sich so für sie als Hypothekengeberin die Vergabe lang laufender Ausleihung mehr rechnet.

Ein anderer Grund für den Stopp des Neugeschäfts könnten auch aufsichtsrechtliche Beschränkungen sein. Denn Versicherer können sich ihre Bilanz nicht je nach Gusto mit Hypotheken vollladen – es gibt Grenzen. «Typischerweise haben Versicherer zwischen 5 und 10 Prozent ihrer Anlagen in Hypotheken investiert», sagt Moneypark-Chef Vogt. Es ist also vorstellbar, dass die Zurich bereits ihre maximal mögliche Summe in Hypotheken investiert hat.

Der Markt für Hypotheken ist nicht nur der grösste, sondern wohl auch der am meisten umkämpfte Kreditmarkt in der Schweiz. Wer sich als Kundin bei einem Anbieter einmal ein «Njet» eingefangen hat, wird dort wohl nie wieder anfragen. Daher wird es spannend sein, zu sehen, wie lange die Zurich Insurance als grösster Versicherungskonzern der Schweiz beim Hypothekenmarkt an der Seitenlinie verharren wird.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Liebe Leserin, Lieber Leser
Der Kommentarbereich von Blick+-Artikeln ist unseren Nutzern mit Abo vorbehalten. Melde dich bitte an, falls du ein Abo hast. Noch kein Blick+-Abo? Finde unsere Angebote hier:
Hast du bereits ein Abo?
Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.