Fragt man Immobilienfachleute, wonach sich der Wert eines Bauwerks bemisst, ist die Antwort immer dieselbe: Erstens die Lage, zweitens die Lage, drittens noch einmal die Lage und ja, die Bausubstanz spielt viertens auch noch eine Rolle. Genau dasselbe sagen auch die offiziellen Statistiken: Gemäss dem Immobilienberater WuestPartner beläuft sich der aktuelle Marktwert Einfamilienhäuser, Mietwohnungen, Eigentumswohnungen, Büro- und Verkaufsflächen auf rund 4200 Milliarden Franken.
Laut der offiziellen Statistik des Kapitalstocks summierte sich der Wiederbeschaffungswert aller Hochbauten per Ende 2020 auf 1002 Milliarden Franken. Setzt sich das durchschnittliche jährliche Wachstum fort, dürften es aktuell rund 1050 Milliarden sein. Davon entfallen aber ein rechter Teil auf öffentliche Hochbauten wie Schulen, Spitäler, Verwaltungsgebäude und so weiter. Gerundet und zusammengefasst ergibt sich folgende Rechnung: Vom Marktwert aller privaten Hochbauten von 4200 Milliarden entfallen 950 Milliarden auf die Bausubstanz und 3250 Milliarden auf die Lage. Die Redensart von dreimal Lage und einmal Substanz entspricht also ziemlich genau der Realität.
Der Wert der Lage hängt fast ausschliesslich von öffentlichen Gütern ab. Angefangen beim Strom- und Strassennetz, über den Anschluss an den öffentlichen Verkehr. Familien mit Kindern sind auf Kindergärten und Schulen angewiesen. Spitäler und Flughäfen sollten nicht zu nah – Achtung Lärm – aber auch nicht zu weit entfernt liegen.
Auch Parkanlagen sind wichtig. Nach den Berechnungen von WuestPartner kann allein schon ein gut ausgestatteter öffentlicher Park die Miete und damit den Wert der Liegenschaft um zwölf Prozent erhöhen. Und natürlich muss die Polizei in meinem Quartier für Ruhe, Ordnung und Sicherheit sorgen. All das kostet und das bringt uns zu einem weiteren wichtigen Aspekt – dem Steuerfuss. Je tiefer dieser ausfällt, umso höher ist der Wert der Liegenschaft. Doch wie passen tiefe Steuern und eine gute Ausstattung mit öffentlichen Gütern zusammen? Das Stichwort heisst Steuerwettbewerb. Je mehr reiche Leute an einem Ort wohnen, desto weniger Prozente ihres Einkommens reichen zur Finanzierung der öffentlichen Ausstattung aus.
Mieter zahlen doppelt
Das Problem ist bloss, dass die Mieter und die zugezogenen Eigenheimbesitzer diese Kosten zweimal bezahlen. Erstens als Steuerzahler. In einer steuergünstigen Gemeinde fällt dieser Anteil relativ klein aus. Zweitens in Form einer überhöhten Miete, beziehungsweise eines «Eintrittsgelds». Dieser zweite Teil fällt umso höher aus, je tiefer der Steuerfuss ist. So gesehen haben Mieter und Zugezogene zwei Steuervögte: Erstens den Staat, zweitens die Bodenbesitzer, beziehungsweise die Vermieter. Diese kassieren nicht nur für die Amortisation und den Unterhalt ihrer Liegenschaft, sondern auch für letztlich von den Steuerzahlern berappten Wert der Lage.
WuestPartner beziffert die Rendite von Mietobjekten auf gut drei Prozent des Marktwertes. Bezogen auf 3,25 Billionen Marktwert der Lage sind das jährlich rund 100 Milliarden Franken. Angenommen, dass etwa ein Fünftel der Haushalte seit langem in den eigenen vier Wänden lebt, (und sich folglich selbst «ausbeuten» kann) beläuft sich die von den Eigentümern kassierte Bodensteuer plus Eintrittsgeld auf jährlich rund 80 Milliarden – mehr als der Fiskus an Einkommenssteuern kassiert. Diese Bodensteuer fliesst tendenziell von denen, die eh knapp dran sind, zu denen die eh schon alles haben. Es dämpft folglich die Nachfrage und alimentiert die Kapitalmärkte, die damit die Immobilienpreise noch weiter nach oben treiben.
Dieser Teufelskreis schadet nicht nur der Wirtschaft. Er untergräbt auch die Demokratie, weil er engagierte, sesshafte Bürger in (zwangs-)mobile Wohnorts- und Steuer-Optimierer verwandelt. In den USA werden aktuell
jährlich drei Millionen Wohnungen zwangsgeräumt. Arme raus, Zahlungskräftige rein. Dort sind die demokratischen Prozesse offenbar nicht mehr in der Lage, dieses Problem zu erkennen und Lösungen zu suchen. Und wir? Kriegen wir die Kurve noch rechtzeitig.
Das ist auch ein volkswirtschaftliches und ein politisches Problem. Volkswirtschaftlich, weil diese Konzentration von Einkommen und Vermögen die Nachfrage schwächt. Politisch, weil diese Bodenordnung politisch engagierten Bürger zu nomadischen und Wohnorts- und Steuer-Optimierern macht.