Der Gotthard-Basistunnel als Symbol für die gute Infrastruktur der Schweiz: Diese ist laut dem neusten IMD-Report einer der Garanten für die Wettbewerbsfähigkeit des Landes.
Foto: KEYSTONE/ALEXANDRA WEY

Wenn Passagiere nicht spuren
Bahn-Chaos im Tessin

An gewissen Tagen müssen die SBB aus Sicherheitsgründen Passagiere auffordern, den Zug vor der Durchfahrt durch den Gotthard-Basistunnel zu verlassen. Wenn die Reisenden dem nicht nachkommen, haben die SBB keine andere Wahl. Sie müssen zu drastischen Massnahmen greifen.
Publiziert: 15.05.2019 um 23:30 Uhr
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Aktualisiert: 24.01.2024 um 00:07 Uhr
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Gestrandet in Bellinzona: SBB-Passagiere brauchen starke Nerven.
Foto: Keystone
Konrad Staehelin

Auffahrt und Pfingsten stehen vor der Tür, und wie fast jedes Jahr wollen Zehntausende die langen Wochenenden im Süden verbringen. Doch bei der Fahrt durch den Gotthard droht Frust – nicht nur wegen Staus auf der Autobahn: An Reise-Wochenenden sind die Züge durch den Basistunnel regelmässig überbelegt.

Die Passagiere stehen im Gang, drängen sich im Türbereich. So auch an Ostern, wie BLICK berichtete. Und zuletzt wieder am vergangenen Sonntagnachmittag in Bellinzona. Die SBB sind auf der Nord-Süd-Achse Opfer ihres eigenen Erfolgs geworden, den sie unter anderem mit ihrer Werbung mit Ex-Miss-Schweiz Christa Rigozzi (36) zu verdanken haben.

BLICK weiss: Wegen dieser Mosterei haben die SBB sogar schon Züge ausfallen lassen oder sie über die Gotthard-Bergstrecke umgeleitet.

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«Faustregel 140 Prozent»

Grund für die Massnahmen ist das spezielle Sicherheitskonzept für den 57-Kilometer-Basistunnel: Brennt zum Beispiel ein Zug, ist er anders als in anderen Tunnels nicht innert Kürze wieder im Freien. Dementsprechend strenger sind die Vorgaben für die Evakuierung.

So sichern Sie Ihren Sitzplatz

Vor zehn Jahren führten die SBB auf ihren digitalen Plattformen eine Auslastungs-Anzeige ein: Sind alle drei Männli auf der Anzeige rot, droht Gedränge. Sind sie grau, hats viele freie Plätze. Die SBB empfehlen bei hoher Belegung eine Sitzplatzreservation für fünf Franken. Damit hat man immerhin einen Sitzplatz auf sicher. Ob der Zug letztlich durch den Gotthard fährt, hängt trotzdem davon ab, ob jene ohne Sitzplatz bei Bedarf auch wirklich aussteigen. Gratis-Tipp: Am Schalter kann man einen Platz im Speisewagen buchen und sich den Fünfliber Reservations-Gebühr an die Konsumation anrechnen lassen. Diese spezielle Reservation gibts nur am Schalter, die normale ist auch über die Handy-App (auf sbb.ch) am Automaten oder über die Hotline 0848 44 66 88 möglich. Wer ein Velo mitnehmen will, muss für die Fahrt durch den Gotthard zwischen 21. März und 31. Oktober zwingend für fünf Franken einen Platz dafür reservieren. 

Vor zehn Jahren führten die SBB auf ihren digitalen Plattformen eine Auslastungs-Anzeige ein: Sind alle drei Männli auf der Anzeige rot, droht Gedränge. Sind sie grau, hats viele freie Plätze. Die SBB empfehlen bei hoher Belegung eine Sitzplatzreservation für fünf Franken. Damit hat man immerhin einen Sitzplatz auf sicher. Ob der Zug letztlich durch den Gotthard fährt, hängt trotzdem davon ab, ob jene ohne Sitzplatz bei Bedarf auch wirklich aussteigen. Gratis-Tipp: Am Schalter kann man einen Platz im Speisewagen buchen und sich den Fünfliber Reservations-Gebühr an die Konsumation anrechnen lassen. Diese spezielle Reservation gibts nur am Schalter, die normale ist auch über die Handy-App (auf sbb.ch) am Automaten oder über die Hotline 0848 44 66 88 möglich. Wer ein Velo mitnehmen will, muss für die Fahrt durch den Gotthard zwischen 21. März und 31. Oktober zwingend für fünf Franken einen Platz dafür reservieren. 

BLICK liegt das SBB-interne Dossier vor, das die Checkliste und die Durchsagen vor der Gotthard-Durchfahrt regelt. Vor der Abfahrt in Bellinzona oder Arth-Goldau SZ, den letzten Stationen vor der Tunneleinfahrt, müssen sich die Zugbegleiter darum kümmern: «Faustregel 140%» benennt das maximale Verhältnis von Passagieren zu Sitzplätzen. Das heisst, wenn die Sitzplätze zu 100 Prozent ausgelastet sind, dürfen 40 Prozent mehr Passagiere im Zug sein. Die Feuerlöscher und Sprechstellen müssen zugänglich sein und die Fluchtwege offen.

Der Zugbegleiter solle für eine Beurteilung die Situation über den ganzen Zug betrachten, nicht nur in einem einzelnen Wagen. Er soll die Passagiere auffordern, sich gleichmässig auf die verschiedenen Waggons zu verteilen.

Entweder Verspätung oder Ausfall

Wenn auch das nicht reicht, kommts zur Durchsage, die im Dokument so ausgeschrieben ist: «Geschätzte Fahrgäste, dieser Zug ist überfüllt. Wir bitten Reisende ohne Sitzplatz, auszusteigen und die nächste Verbindung um xx.xx Uhr ab Gleis x zu benützen. Steigen nicht genügend Reisende aus, kann der Zug nicht mehr weiterfahren und fällt aus. Für die Unannehmlichkeiten bitten wir Sie um Entschuldigung.» Die SBB dürfen die Passagiere rechtlich nur darum bitten, rauswerfen dürfen sie niemanden. 

Sind zehn Minuten nach der Durchsage genügend Leute ausgestiegen, fährt der Zug mit Verspätung weiter. Falls nicht, fällt er aus.

BLICK auf der Jungfernfahrt des Stadler-Girunos
2:36
Giruno auf Jungfernfahrt:Das kann der brandneue SBB-Zug

«In den betroffenen Zügen ist es bisher kaum beziehungsweise in den seltensten Fällen zu einem Ausfall gekommen», sagt SBB-Sprecher Christian Ginsig auf Anfrage. «Es wurden auch schon Züge über die alte Bergstrecke geleitet, wo sie verkehren dürfen. Dies wiederum löst dann aber eine Verspätung von einer Stunde aus.» Das Chileli von Wassen wieder mal zu sehen, ist da ein schwacher Trost.

Da esse man besser im Bahnhofbuffet in Bellinzona ein Glacé und nehme eine Stunde später den nächsten Zug in Richtung Deutschschweiz, sagt Ginsig. Der nächste Zug treffe gleichzeitig wie der erste im Norden ein, weil er durch den Basistunnel fahre. Das stimmt jedoch nur für den Fall, dass jener Zug nicht auch überfüllt ist und das Theater von neuem beginnt.

Pro Bahn: «Inakzeptabel»

Laut SBB ist einer von 850 Zügen durch den Basistunnel überbelegt. Bei rund 50 Personenzügen pro Tag ist das gut alle zwei Wochen einer – im Schnitt. Klar, dass sich die Fälle an Reise-Wochenenden wie den bevorstehenden häufen.

«Das ist inakzeptabel», ärgert sich Karin Blättler (56), Präsidentin der Passagiervertretung Pro Bahn. «Am Basistunnel wurde jahrelang gebaut, und jetzt ist er schon über zwei Jahre offen. Da hätte die Planung so gut sein müssen, dass solche Situationen gar nicht vorkommen.»

BLICK fragt die SBB, ob es an Auffahrt und Pfingsten also wieder zum Chaos in Bellinzona kommt? 

«Wir versuchen alles, dass das nicht passiert», beteuert Ginsig. An Ostern zum Beispiel habe man 33 Zusatzzüge auf der Strecke eingesetzt, das werde man wiederholen. Zudem stehe in Bellinzona jeweils ein zusätzlicher Zug, der flexibel eingesetzt werden könne. «Unser Ziel ist, möglichst viele Passagiere so schnell wie möglich ans Ziel zu bringen. Die erwähnten Ausnahmefälle ärgern auch uns enorm und tun uns leid.»

Haben auch Sie schon Ähnliches erlebt? Mussten Sie den Zug verlassen oder fuhr er gar nicht ab? Erzählen Sie uns Ihre Geschichte ganz einfach via unserem Formular:

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