In Zürich heissen sie Lochergut oder Hardau, in Bern-Bethlehem Tscharnergut, in Chur Lacuna. Während Jahrzehnten waren die Meinungen in der Schweizer Bevölkerung zu den Wohntürmen, die in den 60er- und 70er-Jahren den Schweizer Städten ein neues Gesicht gaben, gemacht: Unpersönliche Schandflecke mit Ghetto-Flair, wo Menschen übereinandergestapelt hausen, seien sie.
Doch die Ablehnung wankt. Die Schweiz erlebt ein halbes Jahrhundert nach ihrem ersten Hochhaus-Boom dessen Renaissance. 2020 werden es rund 50 neue Wohntürme mit mindestens 15 Etagen sein, die innerhalb eines Jahrzehnts gebaut worden sind. Diese Schätzung publizierte die Credit Suisse gestern in ihrem Immobilien-Report 2018. Das sind zwar nicht so viele wie vor 50 Jahren, als innert zehn Jahren 200 Wohntürme in den Himmel schossen – doch der Trend zeigt wieder klar nach oben.
«Hochhäuser werden bei den Mietern immer beliebter», sagt CS-Immobilien-Experte Fredy Hasenmaile (51). Darum fliesst auch das Investoren-Geld – auch das der Schweizer Grossbank CS.
Städte zugebaut
Hintergrund: Im aktuellen Tiefzinsumfeld sind Investitionen in Immobilien für Grossanleger ein Muss. Am einfachsten geht das auf dem Land: Dort ist Bauland billig und massenhaft vorhanden. Doch die Leerwohnungsziffer ist in vielen Mittelland-Regionen in die Höhe geschnellt. BLICK berichtete in den letzten Monaten mehrfach über sogenannte Geistersiedlungen. Die Miet-Ausfälle für die Bauherren sind teilweise massiv.
Denn: Immer weniger Menschen wollen auf dem Land, immer mehr in der Stadt wohnen. «Die Städte sind wieder lebenswert, unter anderem dank Verkehrsberuhigung und ÖV-Ausbau», sagt Hasenmaile von der CS.
Doch die Städte sind zugebaut. Die Lösung heisst Hochhaus. Es bietet auf wenig Boden viel Wohnfläche.
Langsam auch billige Hochhaus-Wohnungen
«Das schlechte Image der Hochhäuser hat Investoren während Jahrzehnten davon abgehalten, ihr Geld dort anzulegen», sagt Joëlle Zimmerli (37), Soziologin mit Schwerpunkt Städtebau.
Die ersten paar Hochhäuser, die in diesem Jahrzehnt gebaut wurden, hätten die Wahrnehmung nicht verbessert: «Sie waren für Topverdiener. Erst seit kurzem trauen sich Investoren, auch für die Mittelschicht zu bauen.» Noch eher teure Beispiele seien die Hochzwei-Türme auf der Luzerner Allmend, es stünden aber bereits erschwingliche Angebote. Ein Beispiel sei die Neumatt in Spreitenbach AG.
Am progressivsten seien aber Zug und Basel-Stadt. «Sie haben die Gesetzgebung so angepasst, dass dank solchen Hochhäusern auch wirklich verdichtet gebaut wird», sagt Zimmerli. Überall sonst müsste trotz des 2013 angepassten Raumplanungsgesetzes rund um die Wohntürme viel Platz freigelassen werden. «So schafft die Schweiz keinen neuen urbanen Wohnraum. Die Politik muss dieses Problem angehen.»
Doch warum schwingt bei den neu gebauten Wohntürmen Zürich obenaus? Zimmerli: «Dort ist der Nachfrage-Druck mit Abstand am stärksten.»