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Hier entstehen die nächsten Geistersiedlungen

Die Schweiz wird zugebaut, vor allem das Mittelland – obwohl es nicht annähernd so viele neue Siedlungen braucht. BLICK hat errechnen lassen, wo die Leerstände am stärksten steigen werden.
Publiziert: 26.11.2017 um 23:58 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 18:05 Uhr
Konrad Staehelin (Text) und Anja Wurm (Fotos)

Ein besseres Symbol für Siedlungsbrei als das Quartier Esterli-Flöösch in Staufen AG ist in der Schweiz schwer zu finden. Wo früher Kühe weideten, schiessen seit 2012 die Neubauten wie Pilze aus dem Boden.

Der Ort, der 2008 noch 2600 Bürger zählte, erhält ein neues Quartier mit Wohnungen für über 1000 neue Bewohner.

Doch können diese Wohnungen überhaupt mit Zuzügern gefüllt werden? Oder wird Staufen bald zu einer der Geistersiedlungs-Hauptstädte des Schweizer Mittellandes?

Baukräne, wo früher Kühe weideten, dahinter der Staufberg.
Foto: Anja Wurm

Vieles spricht dafür: Neue Wohnungen sind eigentlich nicht mehr nötig – es wird viel mehr gebaut, als es Wohnraum in der Schweiz braucht. 2009 lag die Leerwohnungsziffer noch bei 0,9 Prozent, heute sind es bereits 1,5 Prozent

Der Wert werde in den nächsten Jahren noch steigen, sind sich die Experten einig.

«Zur falschen Zeit zu viel»

So viel gebaut wird aufgrund eines Renditenotstands. «Immobilien sind im Moment eine sehr attraktive Anlage, weil die Zinsen so tief sind», sagt Donato Scognamiglio (47), CEO der Immobilienberatung IAZI. Dazu komme, dass die Migration in die Schweiz abgenommen hat. Scognamiglio kommt zum Schluss: «Es wurde am falschen Ort zur falschen Zeit zu viel gebaut.» 

Immer wieder berichtete BLICK über neue Überbauungen, die selbst Jahre nach der Fertigstellung kaum bewohnt sind. Zum Beispiel die Neugrüen in Mellingen AG oder die Dreilinden-Siedlung in Langenthal BE.

Exklusiv für BLICK haben die IAZI-Experten nun 1452 Gemeinden auf die Frage hin ausgewertet, wo in der Schweiz aktuell die Geistersiedlungen der Zukunft gebaut werden. In den stark rot markierten Gemeinden auf der Landkarte (kleinste Zahl) ist das Leerstandsrisiko am grössten. Dazu gehören Pieterlen BE, Uitikon ZH, Jonen AG und Leuk VS.

Hier steht schon eine Geistersiedlung

Oder Staufen AG. Dort stehen 3,7 Prozent aller Wohnungen leer, seit 2012 hat sich die Leerwohnungsziffer verfünffacht. Zudem wurden in den letzten zwei Jahren 313 Baubewilligungen erteilt. Der Hauptgrund dafür ist im Esterli-Flöösch-Quartier zu finden. Die Gemeinde selbst wollte mit BLICK nicht darüber sprechen.

Die modernen Überbauungen, die seit 2012 hier hochgezogen werden, heissen Am Staufberg, Wohnpark Tilia oder Lindenblick. Der Augenschein vor Ort zeigt: Nur wenige der neuen Mietsblöcke sind voll bewohnt.

Die frisch fertiggebaute Überbauung Pfalzpark ist sogar eine richtige Geistersiedlung: Bloss 13 der 51 Wohnungen sind vermietet. Kein Bewohner ist zu sehen, ab und zu spaziert ein Hündeler vorbei.

Die Siedlung mag für Familien attraktiv sein, doch sie wirkt steril. Die Verwaltung der Überbauung wollte keine Stellungnahme abgeben.

Sieht aus, wie aus dem Prospekt, ist aber ein echtes Foto: Die Überbauung Pfalzpark im Kanton Aargau steht praktisch leer.
Foto: Anja Wurm

Mietsenkung ist Ultima Ratio

Leere Siedlungen wie der Pfalzpark sind ein grosses Risiko für die Geldgeber dahinter. Viele davon sind institutionelle Anleger wie Pensionskassen, deren Renditen dann massiv schrumpfen. «Sie versuchen alles, um die Wohnungen zu füllen. Reicht ein Flachbildfernseher nicht als Geschenk, lassen sie die neuen Mieter die ersten drei Monate gratis wohnen. Oder sie senken als Ultima Ratio die Miete», weiss Experte Scognamiglio. 

Nur ein müdes Lächeln für die Interessen der Bauherren: Der alteingesessene Anwohner Matthias Stohler (62).
Foto: Anja Wurm

Für solche Sorgen hat Matthias Stohler (62) nur ein müdes Lächeln übrig. «Dieses Quartier ist ein gutes Beispiel dafür, dass Schweizer geldgeil sind», sagt der langjährige Bewohner des Esterli-Flöösch-Quartiers. Ein anderer, Hansruedi Sandmeier (68), sagt: «Ich habe kein Verständnis für die vielen neuen Siedlungen und freue mich überhaupt nicht darüber.»

Nicht glücklich über die vielen Bauprojekte in der Nachbarschaft: Anwohner Hansruedi Sandmeier.
Foto: Anja Wurm

BLICK spricht mit zahlreichen Alteingesessenen aus der Nachbarschaft. Der Tenor ist klar: Keiner ist erfreut, dass ihm die Sicht auf den nahen Staufberg genommen wurde und die Weiden zubetoniert worden sind.

Viele der Befragten trauen sich jedoch nicht, mit Namen zu ihren Aussagen zu stehen. Zu gut kennt man die Leute, die von den Bauprojekten profitieren. 

Nur einer spricht aus, was viele anonym sagen. «Einige Gemeinderäte und die Bauherren kriegen den Hals nicht voll», sagt Matthias Stohler, dreht sich um und geht.

Doch noch Mieter für Dreilinden

Im September machte BLICK leerstehende Neubausiedlungen zum Thema. Und schrieb unter anderem über die Dreilinden-Überbauung in Langenthal BE. Sie gehört der Dübendorfer Immo-Anlagestiftung Constivita. Nur neun von 38 Mietwohnungen waren zu jenem Zeitpunkt vermietet – mehr als ein Jahr nach der Fertigstellung.

Durch den Bericht wurde Dreilinden zum Gespräch in der Region. Auch weil sie als Symbol für das viele Geld herangezogen wurde, das in die Schweizer Immobilienbranche fliesst, aber anderswo viel besser gebraucht werden könnte.

Das lag nicht etwa an der Qualität am Bau. Sie seien zufrieden, sagten die wenigen Bewohner, als BLICK sie vor Ort besuchte. Anwohner Walter von Ballmoos (69) freute sich sogar: «Ich habe jetzt vom Balkon aus eine Aussicht auf schöne Architektur.»

Die Bude eingerannt

In den letzten Monaten hat Anwohner von Ballmoos zahlreiche weitere Nachbarn bekommen: Mittlerweile ist schon die Hälfte aller Dreilinden-Wohnungen vermietet.

Man habe einen unerwarteten Ansturm erlebt, sagt der stellvertretende Constivita-Geschäftsführer Roland Küttel (57) in der Zeitung «Unter-Emmentaler». Viele Personen hätten sich die Überbauung vor Ort angeschaut, um sich ein genaueres Bild von der Siedlung zu machen. 

Das Problem: Die Siedlung ist nicht zentral gebaut. Ganz billig waren die Wohnungen anfangs auch nicht – und darum kein Renner auf dem Mietwohnungsmarkt. Nun hat die Besitzerfirma reagiert und die Mieten um zehn Prozent heruntergeschraubt.

Die Dreilinden-Überbauung in Langenthal BE.
Mischa Christen

Im September machte BLICK leerstehende Neubausiedlungen zum Thema. Und schrieb unter anderem über die Dreilinden-Überbauung in Langenthal BE. Sie gehört der Dübendorfer Immo-Anlagestiftung Constivita. Nur neun von 38 Mietwohnungen waren zu jenem Zeitpunkt vermietet – mehr als ein Jahr nach der Fertigstellung.

Durch den Bericht wurde Dreilinden zum Gespräch in der Region. Auch weil sie als Symbol für das viele Geld herangezogen wurde, das in die Schweizer Immobilienbranche fliesst, aber anderswo viel besser gebraucht werden könnte.

Das lag nicht etwa an der Qualität am Bau. Sie seien zufrieden, sagten die wenigen Bewohner, als BLICK sie vor Ort besuchte. Anwohner Walter von Ballmoos (69) freute sich sogar: «Ich habe jetzt vom Balkon aus eine Aussicht auf schöne Architektur.»

Die Bude eingerannt

In den letzten Monaten hat Anwohner von Ballmoos zahlreiche weitere Nachbarn bekommen: Mittlerweile ist schon die Hälfte aller Dreilinden-Wohnungen vermietet.

Man habe einen unerwarteten Ansturm erlebt, sagt der stellvertretende Constivita-Geschäftsführer Roland Küttel (57) in der Zeitung «Unter-Emmentaler». Viele Personen hätten sich die Überbauung vor Ort angeschaut, um sich ein genaueres Bild von der Siedlung zu machen. 

Das Problem: Die Siedlung ist nicht zentral gebaut. Ganz billig waren die Wohnungen anfangs auch nicht – und darum kein Renner auf dem Mietwohnungsmarkt. Nun hat die Besitzerfirma reagiert und die Mieten um zehn Prozent heruntergeschraubt.

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