Diese Nachricht aus der Personalabteilung hat es in sich: Der Mutterschaftsurlaub wird gekürzt. Von 16 auf 14 Wochen – das gesetzliche Minimum. Betroffen sind die 330 Mitarbeitenden der Schaffhauser Kantonalbank, knapp die Hälfte davon sind Frauen.
«Ich dachte, ich spinne, als ich die Mitteilung gelesen habe», sagt Nicole W.* zu Blick. Sie arbeitet seit Jahren bei der Schaffhauser Kantonalbank und möchte aus Angst vor Konsequenzen ihres Arbeitgebers anonym bleiben.
«Die wollen uns für dumm verkaufen»
Die Bank begründet die Kürzung in einem internen E-Mail, das Blick vorliegt, so: «Der Gesetzgeber hat neu einen Vaterschaftsurlaub vorgesehen. Daher ist es im Sinne der Gleichbehandlung richtig, die Dauer des Mutterschaftsurlaubes auf 14 Wochen anzupassen.»
Oder anders formuliert: Die Männer kriegen nur das gesetzliche Minimum, zwei Wochen. Also reduziert man auch bei den Frauen aufs Minimum. Ein Hohn, findet die langjährige Mitarbeiterin: «Die wollen uns doch für dumm verkaufen! Gleichbehandlung? Es geht doch nur ums Sparen!»
Tatsächlich profitierte die Bank tendenziell von der Einführung des gesetzlichen Vaterschaftsurlaubes. Seit Anfang des Jahres wird dieser nämlich über die Erwerbsersatzordnung und damit mehrheitlich aus der Staatskasse finanziert. Zuvor bezahlte die Bank den Vaterschaftsurlaub freiwillig und aus der eigenen Tasche. Unter dem Strich kommt die Schaffhauser Kantonalbank neu also günstiger weg.
«Absolut nicht branchenüblich»
Mit der Kürzung des Mutterschaftsurlaubes spart die Bank nun noch mehr Geld. Stossend erscheint das insbesondere angesichts der jüngsten Zahlen: Die Kantonalbank erwirtschaftete 2020 einen Gewinn von 46 Millionen Franken – der dritthöchste in der Firmengeschichte.
Die enttäuschte Mitarbeiterin Nicole W. erhält bei ihrer Kritik Rückendeckung vom Schweizerischen Bankpersonalverband (SBPV). «Die Kürzung des Mutterschaftsurlaubes ist absolut nicht branchenüblich», wundert sich SBPV-Co-Geschäftsführerin Anne-Wienke Palm (41). «Mich überrascht vor allem, dass das ausgerechnet bei einer Kantonalbank passiert. Die stehen normalerweise für familienfreundliche Arbeitsbedingungen.»
Besonders paradox: Die Schaffhauser Kantonalbank präsentiert sich in ihrem Geschäftsbericht als Pionierin in der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Sie schreibt über sich selber etwa, sie sei «modern und fair». Geleitet wird die Bank im Übrigen von einem reinen Männergremium. In der sechsköpfigen Geschäftsleitung sitzt keine einzige Frau.
Teilzeit für Mütter entscheidender
Blick konfrontiert die Schaffhauser Kantonalbank mit den Vorwürfen. Die Bank verteidigt sich: Der Mutterschaftsurlaub könne nicht isoliert betrachtet werden. «Für Arbeitnehmende ist das Gesamtpaket entscheidend. Dieses setzt sich aus vielen Aspekten wie Arbeitsinhalt, flexiblen Arbeitszeitmodellen, Unternehmenskultur, Arbeitsplatzsicherheit, Sozialleistungen etc. zusammen. Bei der Mutterschaft respektive Vaterschaft sind der Umgang mit speziellen Wünschen bezüglich Weiterbeschäftigung, Möglichkeiten für eine längere Dauer des Urlaubs, Teilzeitmöglichkeiten etc. viel entscheidender für die Attraktivität des Arbeitgebers», heisst es in einem schriftlichen Statement. Und weiter: «Wir brauchen den Quervergleich mit anderen Arbeitgebern nicht zu scheuen.»
Das sieht Gewerkschafterin Anne-Wienke Palm anders. «In anderen Banken geht die Tendenz hin zu sechs oder gar zwölf Monaten Mutterschaftsurlaub.» Die 14 Wochen bei der SHKB – das entspricht gut drei Monaten – wirken dagegen geradezu mickrig.
Immerhin: Die SHKB bezahlt frischgebackenen Müttern den vollen Lohn aus. Gesetzlich vorgeschrieben wären lediglich 80 Prozent. Allerdings gilt auch diese Regel nur für Mütter mit einer bestimmten Anzahl Dienstjahren. Neuzugänge bleiben auf der Strecke.
Kein Mitspracherecht für Mitarbeiterinnen
Dass die Bank den Mutterschaftsurlaub überhaupt kürzen kann, liegt daran, dass er nicht im Arbeitsvertrag geregelt ist, sondern im Personalreglement. Auch dieses darf der Arbeitgeber allerdings nicht beliebig anpassen, erklärt Gewerkschafterin Palm: «Er muss das Okay der Arbeitnehmenden einholen. Die Mitarbeitenden müssen die Möglichkeit haben, Änderungen auch abzulehnen.»
Die Schaffhauser Kantonalbank schreibt dazu: «Die Überlegungen wurden mit der Personalkommission besprochen und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern begründet kommuniziert.» Gerade bei kleineren Banken ein übliches Vorgehen, bestätigt Palm. Nicht überall sind die Personalkommissionen aber gleich stark aufgestellt, von einer tatsächlichen Mitsprache kann nicht immer die Rede sein. Palm kündigt daher an: «Ob das Vorgehen juristisch korrekt war, können wir derzeit nicht abschliessend beurteilen. Wir werden diesbezüglich auf jeden Fall das Gespräch mit den Mitarbeitenden der Bank suchen.»
Bleibt die Frage, ob die Mitarbeitenden der Schaffhauser Kantonalbank die Änderung anstandslos hinnehmen. Die Bank selber schreibt, sie habe vonseiten der Mitarbeitenden keine negativen Reaktionen erhalten. Wahrscheinlicher ist, dass viele stumm die Faust im Sack machen. Wie Nicole W. «Es überrascht mich schon gar nicht mehr ... Es bringt auch nichts, dagegen anzukämpfen. Man kann es nur hinnehmen.»
*Name von der Redaktion geändert