In Zeiten der Krise geht es dem Präsidenten der Nationalbank wie dem Fussballnati-Trainer kurz vor der Weltmeisterschaft: Alle wissen es besser! Geht es beim einen um die Aufstellung, dreht sich beim anderen alles ums Geld. Denn die Corona-Krise reisst ein riesiges Loch in die Bundesfinanzen, offen ist einzig, wie gross es genau sein wird. Die exakte Abrechnung für den Lockdown und die Folgekosten steht noch aus. Klar ist nur eines: Sie wird Dutzende Milliarden Franken schwer sein. Je höher sie ausfällt, desto grösser der Druck auf die Nationalbank, sich an diesen Kosten zu beteiligen.
Am Donnerstag erteilte Nationalbankpräsident Thomas Jordan (57) allen Einmischungsversuchen in die Geldpolitik – und damit in die Geldtöpfe der Schweizerischen Nationalbank (SNB) – eine klare Absage (BLICK berichtete). Dem würde auch Yvan Lengwiler (56) zustimmen. Der Ökonom und Experte für Geldpolitik sagte gleichentags im «Tagesgespräch» von Radio SRF 1: «Geldpolitik ist etwas für Technokraten.» Das heisst: Beim Direktorium der SNB ist sie bestens aufgehoben.
Üppig gefüllte Ausschüttungsreserve
In der gleichen Sendung lancierte Lengwiler die Idee einer Sonderausschüttung der SNB, um sich an den Kosten der Corona-Krise zu beteiligen. Wie hoch diese ausfallen soll, darauf wollte sich Lengwiler auf Anfrage von BLICK nicht festlegen: «Die Covid-19-Sonderdividende sollte sich nach dem Bedarf des Bundes und der Grösse der Ausschüttungsreserve richten.» Diese Ausschüttungsreserve ist immer noch üppig gefüllt, auch wenn die Nationalbank im ersten Quartal 2020 einen Verlust auf ihren Devisenanlagen erlitten hat. Doch inzwischen haben sich die Börsen wieder erholt, nicht zuletzt dank der enormen Geldmengen, die andere Notenbanken in die Märkte pumpen.
Das Motiv hinter Lengwilers Idee: «Es geht darum zu verhindern, dass die Schuldenbremse ausgehebelt wird, oder der Bund unnötigerweise und im dümmsten Moment ein Sparpaket durchführen muss», argumentiert der Professor der Universität Basel.
Nicht die erste Sonderausschüttung
Der Vorteil einer Sonderausschüttung an Bund und Kantone: Diese würde viel Druck von der Spitze der Nationalbank nehmen. Zudem kann sich die SNB mit der Ankündigung noch etwas Zeit lassen, bis klarer wird, was die Corona-Krise wirklich kostet.
Es wäre nicht die erste Sonderausschüttung der Geschichte der SNB: Bereits 2005 ergoss sich aus den Schatullen der Nationalbank ein Goldregen über Bund und Kantone. Damals zahlte die SNB den Erlös aus dem Verkauf nicht mehr benötigter Goldreserven aus. Zusammen mit der regulären Ausschüttung von insgesamt 24 Milliarden Franken!
Wie man so eine Sonderausschüttung genau abwickelt, das beschrieben zwei Mitglieder des Direktoriums der SNB damals akribisch in der «NZZ». Die Namen der Autoren: Thomas Jordan und Philipp Hildebrand (56).