Der Goldpreis hat diese Woche das seit Anfang April bestehende Preisband hinter sich gelassen und bei 2474 Dollar pro Unze ein neues Rekordhoch erreicht. Doch wie weit kann der Preisanstieg noch gehen? Und ist es ratsam, einen Teil der Goldbestände zu verkaufen und Gewinne mitzunehmen? Das Edelmetall steht immerhin 20 Prozent höher als zum Jahresbeginn, auf Sicht von zehn Jahren hat sich der Wert sogar verdoppelt.
Die jüngsten Zuwächse des Goldpreises sind zum Teil politischer Natur: «Nach dem Anschlag am letzten Wochenende ist die Wahrscheinlichkeit, dass Donald Trump der nächste US-Präsident wird, weiter gestiegen. Das hat die Nachfrage nach sicheren Anlagen wie Gold gestützt», sagt Giovanni Staunovo, Rohstoffanalyst bei der UBS, gegenüber cash.ch.
Dieser Artikel wurde erstmals auf «Cash.ch» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.cash.ch.
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Die sich festsetzende Polarisierung in Europa, der sich hinziehende Krieg in der Ukraine und der Handelskonflikt zwischen dem Westen und China bieten der Unsicherheit zusätzliche Nahrung. Und für den Nahen Osten hält sich die Befürchtung, dass der dortige Konflikt ausser Kontrolle gerät - gerade wenn Trump als Präsident den extremen Rechten in Israel eine Art Blankovollmacht geben sollte.
Die fundamentalen Auswirkungen einer möglichen Trump-Präsidentschaft auf den Goldmarkt sind aber schwer einzuschätzen. «Steigende Haushaltsdefizite, Sorgen um die Verschuldung der USA und eine Einflussnahme Trumps auf die US-Notenbank Fed könnten Faktoren sein, die dem Goldpreis während seiner Präsidentschaft weiter Auftrieb geben», sagt Carsten Menke, Edelmetallexperte bei der Bank Julius Bär, gegenüber cash.ch. Voraussetzung dafür wäre ein sogenannter «Republican Sweep», Donald Trump als Präsident kombiniert mit einer republikanischen Mehrheit im Senat und im Repräsentantenhaus.
Gold mit Realzins- und Dollar-Rückenwind
Während die politische Komponente schwer einzuschätzen ist, sind die geldpolitischen und konjunkturellen Einflussgrössen gesicherter: Der Goldpreise wird stark durch den Fokus auf schwächere US-Wirtschaftsdaten und die damit verbundenen Erwartungen einer bevorstehenden Zinssenkung durch die Fed angetrieben. Das Vertrauen in eine Zinssenkung im September ist in dieser Woche zusätzlich gewachsen, nachdem der Vorsitzende Jerome Powell seine Zufriedenheit mit der aktuellen Inflationsentwicklung zum Ausdruck gebracht hat. Laut dem CME FedWatch Tool liegt die Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung um 25 Basispunkte im September bei über 90 Prozent.
Als Folge sind die Renditen von zehnjährigen Staatsanleihen auf den niedrigsten Stand seit Mitte März gefallen, was einer der Hauptgründe für die Kursgewinne von Gold zu sein scheint. Die inverse Beziehung zwischen Gold und den Renditen von 10-jährigen US-Staatsanleihen besteht zwar, jedoch sollte man korrekterweise auf die US-Realzinsen achten. Die Renditen der 10-jährigen inflationsgeschützten US-Staatsanleihen sind auf das Niveau von Anfang April zurückgefallen.
Auch die Währungsseite unterstützt seit einigen Wochen den Goldpreis: Der US-Dollar Index, der den Wert des Dollars im Vergleich zu einem Korb aus sechs Währungen misst, hat auf Monatssicht um 1,7 Prozent an Wert verloren. Da Gold in der Regel in US-Dollar notiert und gehandelt wird, wird das Edelmetall für Käufer ausserhalb der Dollar-Region durch eine Abschwächung günstiger. Dies führt zu einer erhöhten Nachfrage nach Gold.
Zentralbankenkäufe bleiben weiterhin zentral
Staunovo von der UBS bleibt trotz der neuerlichen Rekordwerte beim Edelmetall weiterhin optimistisch für die Preisentwicklung beim Gold: «Wir haben einen Zielwert von 2600 Dollar pro Unze für Ende Jahr und 2700 Dollar pro Unze für Mitte 2025. Tiefere Zinsen sollten zu Zuflüssen in Gold ETFs führen, während dem Zentralbanken weiterhin in Gold diversifizieren sollten.»
Zuletzt sorgten Spekulationen darüber, warum die chinesische Zentralbank wegen des hohen Goldpreises im Mai und Juni keine Zukäufe mehr getätigt hat, für Aufsehen. Diese ist aber aus geopolitischen und nicht aus wirtschaftlichen Gründen am Goldmarkt aktiv, was eine viel höhere Zahlungsbereitschaft impliziert als bei den meisten westlichen Investoren. Der Markt wartet sehr gespannt auf ihre Rückkehr. «Dies könnte ein sehr wichtiger Faktor für die weitere Preisentwicklung sein, da die Zentralbankenkäufe insgesamt ein bestimmtes Thema des Narrativs langfristig steigender Goldpreise sind», sagt Menke.
Gleichzeitig dürfte in China die private Nachfrage nach Gold steigen, da sich der Immobilienmarkt weiter verschlechtert. Ein grosser Teil des Vermögens der Sparer wurde kontinuierlich vernichtet, da Millionen von Wohnungen unbewohnt oder unvollendet sind. Die sinkende Attraktivität von Immobilieninvestitionen könnte dazu führen, dass Chinesen ihre Bestände an Gold erhöhen. Gold hat in der chinesischen Kultur einen viel höheren Stellenwert als im Westen, und chinesische Investoren werden sicherlich auch die geopolitischen Spannungen zwischen West und Ost bei ihren Investitionen zunehmend berücksichtigen.
Obwohl die Fed die Zinsen noch nicht gesenkt hat, findet bei Gold-ETF bereits ein Trendwechsel statt. Die Bestände haben in den letzten fünf Tagen zugenommen. Die in den USA und Europa beliebten Investment-Vehikel halten derzeit 82 Millionen Unzen, was den höchsten Stand seit Anfang April darstellt. Und die Vergangenheit – sowohl die grosse Finanzkrise als auch COVID-19 – hat gezeigt, dass der Goldpreis während des gesamten Zinssenkungszyklus traditionell Rückenwind erfährt.
Steigende Staatsverschuldung hilft langfristig
Menke von der Bank Julius Bär sieht ein verschlechterter Ausblick für die US-Wirtschaft als notwendige Bedingung dafür, dass die Nachfrage der westlichen Anleger deutlich anzieht. «Unsere Analyse hat gezeigt, dass niedrigere Zinsen allein nicht ausreichen, um den Goldpreisen einen dauerhaften Auftrieb zu geben, sondern dass eine Rezession erforderlich ist.» Diese Entwicklung bleibe angesichts der allgemeinen Widerstandsfähigkeit der US-Wirtschaft eher unwahrscheinlich. Trotzdem bleibt der Experte weiterhin positiv für Gold, da dessen Preis von der Nachfrage aus den Schwellenländern und den Zentralbanken getragen wird.
Auch für Hans Peter Schmidlin, Rohstoff-Analyst und Investment Advisor bei der Basler Kantonalbank und der Bank Cler, hat die reale Marktrendite derzeit einen geringeren Einfluss auf den Goldpreis, und die Erwartungen an Zinssenkungen sind grundsätzlich nur «Daily Market Noise». «Das Vertrauen in die eigene Währung spielt bei der Preisbildung eine dominante Rolle. Vertrauen in die eigene Währung bedeutet auch Vertrauen in die eigene Regierung – insbesondere beim Dollarpreis und den USA sind wir an einem sehr aktuellen und spannenden Moment angekommen.»
Solange es geopolitisch keine weiteren negativen Entwicklungen gibt und die US-Wahl auch halbwegs kontrolliert verläuft, dürfte der Goldpreis auf dem erreichten Niveau bald eine Konsolidierung beginnen. Ohne Überraschungen dürfte der Optimismus für Edelmetalle bald seinen Höhepunkt erreichen – und damit auch der Marktpreis. «Die langfristigen Aussichten für den Goldpreis sind aber nicht zuletzt aufgrund der weiter steigenden Staatsverschuldungen sehr positiv», fasst Schmidlin die aktuelle Lage zusammen.