Nato first, Ukraine second. Das ist, ganz knapp, die Botschaft von Jens Stoltenberg (63) am WEF. Bei seiner Rede am Dienstagvormittag stellte der Nato-Generalsekretär klar, wo die Prioritäten des Verteidigungsbündnisses liegen.
«Wir mögen geschockt von Putins Angriff sein. Aber wir sollten nicht überrascht sein», so Stoltenberg. Die Invasion sei vorhersehbar gewesen und folge einem russischen Muster nach Syrien, Georgien und der Annexion der Krim 2014.
«Freiheit ist wichtiger als freier Handel»
Die Nato habe beim Krieg in der Ukraine zwei fundamentale Aufgaben: Die Unterstützung der Ukraine und die Verhinderung einer Ausweitung des Konflikts auf Nato-Gebiet. Letzteres habe stets Vorrang. «Putin wollte weniger Nato an seinen Grenzen. Jetzt bekommt er mehr», sagte Stoltenberg. Die Mitgliedschaftsanträge von Schweden und Finnland nannte er «historisch».
Die russische Aggression müsse klare wirtschaftliche Folgen haben, streicht Stoltenberg heraus: «Freiheit ist wichtiger als freier Handel.»
Hier deckte er sich auch mit seiner Vorrednerin Ursula von der Leyen (63). Jene EU-Chefin, unter der EU und Nato besonders eng verzahnt sind. Kein Wunder: Vor ihrer Zeit als Kommissionspräsidentin war Von der Leyen schliesslich deutsche Verteidigungsministerin.
Von der Leyen verbindet Ukraine-Krieg mit Klimafrage
Auf der Bühne in Davos überzeugte von der Leyen mit einer wegweisenden Rede, in dem sie den alten «Geist von Davos» begrub: Gespräche und Dialog als Erfolgsrezept seien angesichts des russischen Angriffskriegs überholt.
Für Putin dürfe es keine Möglichkeiten geben, seinen Krieg weiterzutreiben. Zudem brauche es einen «Marshallplan» für die Ukraine. Sie warb für eine neue Wiederaufbauplattform, auf der sich Länder und Unternehmen einbringen können.
Dann schlug die EU-Chefin den Bogen zum Klimaschutz. «Putin hat auch versucht, uns unter Druck zu setzen.» Nun gebe es geopolitische Gründe, möglichst schnell aus den fossilen Energien auszusteigen. Die EU-Chefin setzt auf starke Kooperationen sowie auf eigene Windenergie.
Neuer Geist von Davos: bessere Partnerschaften
Von der Leyen warnte vor einer von russischer Seite forcierten globalen Ernährungskrise. Die Getreideexporte aus der Ukraine würden blockiert oder gestohlen, die russischen Exporte zurückgehalten. «So setzt man Hunger und Getreide als Instrumente der Machtpolitik ein.»
Auch hier gelang ihr wieder der Bogen zum Klimaschutz: Die veränderten klimatischen Bedingungen hätten Afrika in die Abhängigkeit getrieben.
Der Schlüssel zur Lösung sei Kooperation. «Wir müssen Abhängigkeiten verringern und bessere Partnerschaften eingehen», so die EU-Chefin. Das wäre dann wieder der Geist von Davos. Nur eben ein neuer.