Gerade mal einen Fingernagel gross sind die Produkte von U-Blox. Die Funkchips der Thalwiler Halbleiterfirma stecken in den Autos der weltgrössten Hersteller: Tesla und VW, Toyota, Mercedes, BMW, sie alle setzen auf die Schweizer Technologie. Damit die Autos wissen, wohin sie steuern, insbesondere dann, wenn es bald kein Lenkrad mehr gibt. Firmenchef Stephan Zizala geht davon aus, dass «das Thema autonomes Fahren sehr gutes Wachstumspotenzial über dem Halbleiter-Marktwachstum bieten wird».
Auch wenn die wenigsten U-Blox kennen, in vielen Branchen kommt man nicht an der Schweizer Firma vorbei: ob beim autonomen Fahren, beim Asset Tracking in der Industrie oder bei Blutdruckmessern mit Cloud-Anbindung. Das Unternehmen ist Weltmarktführer bei Halbleitern für Ortungsdienste und verbindet Autos, Roboter, Drohnen, Frachtcontainer und medizinische Geräte mit Satelliten, die im Orbit schweben. Gut 624 Millionen Franken setzte die Firma im vergangenen Jahr um. Ein Hidden Champion.
Von der ETH ins Weltgeschehen
Ursprünglich kommt die Firma aus dem Stall der ETH. U-Blox wurde 1997 als Spin-off gegründet und zehn Jahre später an die Börse gebracht. Innert weniger Jahre vervielfachte sich der Kurs. Ein Wunderkind am Schweizer Kapitalmarkt.
Doch in den letzten fünf Jahren haben sich die Aussichten getrübt. Von ihrer Höchstbewertung im Jahr 2016 ist die Aktie weit entfernt, 2023 ging es weiter runter. Nach einem Umsatzrekordjahr 2022 sanken die Verkäufe bei U-Blox. Und das, obwohl der Markt weiter brummt: Das globale Umsatzvolumen von sogenannten diskreten Halbleitern, wie sie U-Blox herstellt, ist in den vergangenen zehn Jahren nur gestiegen und heute fast 40 Milliarden Dollar gross – Tendenz steigend. Und dennoch wurde das Leben für U-Blox schwieriger. Was war passiert?
Nach einem Jahr im Amt musste Firmenchef Zizala gar eine strategische Wende verkünden: «Wir haben uns entschlossen, in Zukunft keine weiteren Mobilfunkchips zu entwickeln.» Man fokussiere jetzt auf Positionierungschips. Mobilfunkmodule werde U-Blox zwar weiter herstellen, aber nicht mit eigenen Chips, sondern mit jenen von Drittanbietern. Zudem werden die Beschaffungsprozesse restrukturiert.
U-Blox ist das, was man einen «fabless» Hersteller nennt. Das Unternehmen hat keine eigene Fabrik, sondern designt und entwickelt die Produkte, lässt diese aber von Auftragsfertigern herstellen. Der grösste Produktionspartner für die Chipherstellung ist die US-Firma Globalfoundries, mit Fabriken in Singapur und Dresden. Module mit mehreren Chips lässt U-Blox bei Flex in Österreich und bei Inventec in Malaysia produzieren. Weitere Auftragsfertiger sind der taiwanische Apple-Zulieferer TSMC sowie Qualcomm, NXP, Nordic Semiconductor und Infineon. Die gesamte Elite der modernen Chiptechnologie baut die Chips von U-Blox.
Ein schwieriges Jahr steht bevor
Das soll auch so bleiben. «Wir haben momentan keine Pläne, in eine eigene Produktion einzusteigen», sagt Zizala. Die technologischen Herausforderungen sind ohnehin schon gross genug, das Geschäft läuft derzeit auch nicht so rund wie gedacht, und die Forschungsausgaben sollen 20 Prozent vom Umsatz nicht übersteigen. Wesentlich weniger sollte es aber auch nicht sein, «weil wir ansonsten gerade bei diesen sehr F&E-intensiven Chips die Entwicklungsgeschwindigkeit nicht halten können». Das Halbleiter-Business ist ein Balanceakt. «2024 wird ein schwierigeres Jahr», sagt der Chef.
Kommt es zu Störungen in der Lieferkette, wie zu Corona-Zeiten oder bei Kriegen, dann stehen hin und wieder die Produktionsbänder der Kunden still und die Bestellungen bei U-Blox gehen zurück, weil andere nicht zustellen können. Das Unternehmen liefert auf kleiner Flamme weiter, aber die Bauteile kommen aufs Lager. Zieht das Geschäft zeitversetzt wieder an, sind die Lager der Kunden so prall gefüllt, dass U-Blox zwar weiterhin verkauft, aber nicht das ursprüngliche Niveau der Bestellungen erreicht. Das drückt auf Umsatz und Gewinn. Wenn Grosskunden wie Fahrzeughersteller einen Schnupfen haben, dann hat U-Blox die Grippe.
Grosse Debatte in den USA
Und als ob das nicht reichen würde, ist U-Blox auch noch zwischen die Fronten im Innovationskrieg zwischen den USA und China geraten. Die Amerikaner wollen nicht, dass die Chinesen die modernste Technologie haben. Wer Topelektronik an China liefert, verscherzt es sich mit den USA. Zugleich ist China aber ein sehr grosser und wichtiger Absatzmarkt. Insbesondere bei Datenkommunikationschips spürt man das. «Die sind in den USA derzeit Thema einer grossen öffentlichen Debatte», sagt Zizala.
Die dafür zuständige Zulassungsbehörde FCC prüft, ob grosse chinesische Wettbewerber in diversen Anwendungen verboten werden sollen. Das habe viel mit Cybersecurity und Liefersicherheit zu tun, sagt Zizala. Und mit der Frage, wie abhängig sich eine systemkritische Industrie von potenziellen Restriktionen eines chinesischen Lieferanten macht. «Hier sind wir als vertrauenswürdiges Schweizer Unternehmen gut positioniert», sagt der U-Blox-Chef. «Kunden kommen aktiv auf uns zu und fragen uns, wo wir unsere Produkte fertigen, ob es einen chinesischen Inhalt gibt.»
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Fakt ist, U-Blox hat keine Produktion in China und bezieht nur wenig Material von dort. Der Hauptsitz ist in der Schweiz und die Entwicklung in Europa. So vermeidet Zizala jeglichen chinesischen Regierungseinfluss auf die Produkte. Das hat aber auch seinen Preis: «Wir sind nicht so günstig wie so mancher chinesische Konkurrent.»
GPS für Kühe, nicht für Waffen
Dafür umso erfinderischer. U-Blox hat Exoten im Programm. So kommen GPS-Module etwa in autonomen Rasenmähern des schwedischen Forstgeräteherstellers Husqvarna zum Einsatz, damit der Roboter nicht die Blumen statt den Rasen mäht.
Oder sie stecken in GPS-Halsbändern für Kühe. Das ist aus zwei Gründen hilfreich: Zum einen kann man sich die Zäune sparen und damit den Bau- und Betreuungsaufwand. Zum anderen muss man im Fall von Tierkrankheiten nicht die komplette Herde töten, weil man die Bewegung der kranken Tiere zurückverfolgen kann. Tierforscher tracken mit U-Blox Pinguine in der mobilfunkschwachen Antarktis, Imker können neuerdings Bienen über die Cloud zählen.
Einsatzmöglichkeiten gibt es viele für die Technologie des Unternehmens. So hatten die Briten 2022 GPS-Module der Firma in Drohnen aus Russland gegen die Ukraine entdeckt. Waffen schliesst Zizala für sein Geschäftsmodell aber dezidiert aus, sogar explizit in den Verträgen. «Dafür arbeiten wir umso lieber mit Rettungskräften und Feuerwehren zusammen.»
Mit Sonderlingen im Portfolio wird Zizala das Geschäft für die Chipfirma wohl nicht absichern. Aber was hinter diesen Anwendungen steckt, ist der grosse Zukunftsmarkt, auf den er setzt: Positionierungstechnologien in Autos und Fabriken.