Auf einen Blick
- Samih Sawiris eröffnet Einkaufsstrasse in Andermatt
- Luxusmarken und Gastroflächen prägen neues Quartier
- Einheimische sorgen sich um Balance zwischen altem Dorf und neuem Reuss-Quartier
- Sawiris investierte über 1,5 Milliarden Franken in Andermatt in den letzten 20 Jahren
Auf diesen Moment hat Samih Sawiris (67) in Andermatt UR lange gewartet. Am Samstagnachmittag kann der ägyptische Investor im Quartier Reuss eine grosse Einkaufsstrasse eröffnen. Für ihn sei von Anfang an klar gewesen, dass die Furkastrasse «der wichtigste Teil des Projekts ist», sagt Sawiris zu den zahlreichen Besucherinnen und Besuchern vor Ort. Er wollte nie nur Appartementhäuser und Hotels bauen, «sondern den Ort auch mit Leben füllen», führt er aus.
Der Samstag gehört ganz Sawiris, dem König von Andermatt. 20 Jahre ist es her, seit er sich dazu entschieden hat, Andermatt für immer zu verändern. Er hat über 1,5 Milliarden Franken investiert und mit dem Reuss ein komplett neues Quartier aus dem Boden gestampft. Eine Kulisse, die im Schneefall am Samstag wie aus einem Märchen daherkommt.
Sawiris und sein Sohn erhalten viel Applaus
Nach dem Abzug der Armee ging es in Andermatt um die Jahrtausendwende steil abwärts. Doch Sawiris schuf mit den Hotels und Apartments zahlreiche Arbeitsplätze, bescherte den einheimischen Wohnungsbesitzern mit der Entwicklung im Ort hohe Wertsteigerungen und dem Gewerbe Umsatz.
«Ich war mir nicht immer sicher, wie willkommen ich bin», sagt der ägyptische Investor in seiner Ansprache. Der folgende Applaus ist Antwort genug. Kinder und Erwachsene wollen mit Sawiris für ein Foto posieren. Auf seiner Erkundungstour durch die neue Einkaufsstrasse kommen immer wieder Leute zu ihm, schütteln seine Hand und bedanken sich für alles, was er für Andermatt in den letzten Jahrzehnten getan hat.
Auch Sawiris Sohn Naguib (33) kann mit einem kurzen Auftritt punkten. Er wohnt im 5-Sterne-Hotel The Chedi, das seinem Vater gehört, und übernimmt als dessen Nachfolger immer mehr die Geschäfte. «Wir denken nicht in Wochen, Monaten oder Jahren, sondern in Jahrzehnten», sagt er in einer Mischung aus Deutsch und Englisch und verspricht, sein Deutsch zu verbessern. «I'm a proud Urner», sagt der junge Geschäftsmann.
Quartier Reuss überstrahlt das alte Dorf
Beim Gang durch die Einkaufsmeile stechen die zahlreichen Luxusmarken ins Auge. Luxuskleider und -taschen von Balenciaga. Uhren von Breguet und Blancpain. 5000 Quadratmeter Retail- und Gastroflächen laden im Quartier neu zum Flanieren. In mehreren Läden fehlen die Preisschilder, wie es im gehobenen Preissegment üblich ist.
Ein weiteres Indiz, dass sich Andermatt zu einem St. Moritz 2.0 entwickelt: Beim dritten Hotel, das Sawiris bauen will, kam es zu einer Planänderung: Statt vier Sterne wird der neue Betrieb mit 164 Apartments und 66 Hotelzimmern neu über fünf Sterne verfügen. Die Eröffnung ist für 2027 geplant. Das Reuss-Quartier überstrahlt den alten Dorfteil immer mehr. Und genau das bereitet den Menschen Sorgen, wie Gespräche mit Einheimischen zeigen. Zudem ist mehrfach zu hören, dass man sich in der jetzigen Phase mehr Austausch mit Sawiris und dessen Team wünschen würde.
«Es braucht auch ein Angebot für Normalbürger»
«Es braucht auch ein Angebot für Normalbürger und nicht nur Luxus», sagt Mascia Meneghel (49), die im alten Dorf gemeinsam mit ihrem Partner das Gasthaus Skiklub führt. Die Balance sei wichtig. Gerade auch mit Blick auf den alten Dorfteil. «Ich sehe die Gefahr, dass sich alles hin zum Reuss-Quartier verschiebt und die Geschäfte im Dorf leiden», sagt die Hotelbetreiberin. Schwarz malen will sie aber nicht. «Ich finde es gut, dass das Reuss-Quartier mit Geschäften belebt wird.» Und sie freue sich bereits auf einen Besuch im neuen asiatischen Restaurant Nooba in der Furkastrasse.
Meneghels Sorgen teilen auch andere Einheimische wie Urs Portmann (55). «Es wird alles dafür getan, dass die Gäste ins Reuss-Quartier gehen», sagt der Inhaber des Meyer Sporthauses. Beispielsweise, indem man Dorfanlässe dorthin verschiebe. «Es darf nicht so kommen, dass man vom alten und neuen Andermatt spricht. Wir sind ein Dorf.»
Doch auch für Portmann ist das Glas halbvoll, wie er betont. Die neuen Geschäfte können eine Bereicherung sein. Es brauche einfach im ganzen Dorf mutige Leute, die etwas wagen. Er selbst sieht sich gewappnet. Das Reservationsgeschäft laufe gut an. Und in seinem Familienbetrieb stehe bereits die nächste Generation in den Startlöchern.