Seit September 2018 kennt der Goldpreis fast nur noch eine Richtung: nach oben. Kostete das Kilo Gold Ende September knapp 37'000 Franken, pendelt der Preis heute um die 43'000 Franken, erreichte vor einer Woche gar ein Zehnmonatshoch. Für den Vermögensverwalter André Diem (52) liegt sogar noch mehr drin: «Bis Ende Jahr könnte der Goldpreis bis auf 46'000 Franken pro Kilo klettern.»
Lange Zeit haben Anleger das gelbe Edelmetall verschmäht, doch bei solchen Preisen glänzt Gold plötzlich wieder als Alternative zu schwächelnden Aktien oder Tiefzins-Obligationen. «Jedes Portfolio kann gut fünf Prozent Gold vertragen – als Diversifikation zu anderen Wertanlagen», ist Diem überzeugt. Denn gerade die Unsicherheit über die weitere Entwicklung der Börsen rund um den Globus beflügle den Goldpreis, so Diem: «Die Fantasie in Gold liegt im Zusammenbruch der Aktienmärkte». Ob es soweit kommt, ist offen, aber eine Eskalation des Handelskrieges zwischen den USA und China oder ein ungeregelter Brexit könnten die Börsen einbrechen lassen – und die Nachfrage nach Gold weiter verstärken. Unsicherheit erhöht den Wert von Gold als Krisenanlage.
Notenbanken kaufen Gold
Ein anderer Treiber für den Goldpreis sind die Notenbanken, alle voran die amerikanische. Denn das FED hat Anfang Jahr angekündigt, die Zinsen nicht mehr um jeden Preis weiter zu erhöhen, sondern erst mal abzuwarten. Auch das ist gut fürs Gold, denn mit steigenden Zinsen verliert das Edelmetall etwas an Glanz.
Zudem haben einige Notenbanken das Gold wieder als Wertanlage entdeckt, stecken ihre Dollars lieber in Gold als in andere Anlagen. Und wenn Notenbanken in grossem Stil Gold kaufen, dann steigt der Preis. Kommt dazu, dass Länder wie die Türkei oder Venezuela ihre Goldverkäufe eingestellt haben. Im Falle von Venezuela wohl deshalb, weil nicht mehr viel Gold bei der Notenbank liegen dürfte.
Die zusätzliche Nachfrage trifft auf ein immer knapperes Angebot. Das hat damit zu tun, dass in den Jahren nach der Finanzkrise keine neuen Grossminen-Projekte angestossen wurden, es wird im Moment weniger Gold abgebaut. «Liegt der Goldpreis zu tief, dann lohnt es sich für Bergbauunternehmen nicht, noch tiefer nach Gold zu schürfen», erklärt der Goldexperte Jochen Staiger (50). Das gelte übrigens nicht nur für Gold: «Wenn die Weltwirtschaft weiterhin mit zwei bis drei Prozent im Jahr wächst, dann droht ein Mangel an diversen Edel- und Basismetallen», so Staiger.
Indische Hochzeiten sind gut für den Goldpreis
Zudem müssen Gold und andere Rohstoffe immer mehr aus ethisch und moralisch einwandfreien Minen kommen. Das heisst, die Minenkonzerne müssen mit Zertifikaten beweisen können, dass ihr Gold ohne Kinder- oder Sklavenarbeit gefördert wurde. Das können aber längst nicht alle: «Die zertifizierten Anbieter wachsen zu langsam für die steigende Nachfrage», beobachtet Staiger.
Auch Staiger rechnet mit weiter steigendem Goldpreis, empfiehlt Anleger gar 10 bis 15 Prozent des Geldes zur Absicherung in Gold anzulegen. Auch mit dem Hinweis auf indische Hochzeitsgepflogenheiten. Wie viel Geld (und Gold) dabei im Spiel ist, lässt sich derzeit in St. Moritz beobachten (BLICK berichtete). Ganz allgemein ist es üblich, bei indischen Hochzeiten, die Braut mit Gold zu beschenken. Denn das Gold ist eine Art Absicherung für die Braut. Dieses darf sie nämlich im Falle einer Scheidung behalten. Und da Inder gerne grosse Hochzeiten mit vielen Gästen feiern, kommt so eine grosse Nachfrage nach Gold zustande. Eine Nachfrage, die wiederum den Preis nach oben treibt.