Kennen Sie eine Juristin, einen Juristen? Dann können Sie ein Experiment machen, das vielleicht lustig und sicher ein bisschen fies ist. Fragen Sie zuerst ganz unschuldig: «Nach wie vielen Jahren verjährt eigentlich eine Forderung?» Achten Sie genau darauf, wie Ihr Gegenüber reagiert – vermutlich stellen sich schon bei dem Stichwort «Verjährungsfrist» die Nackenhaare auf.
Denn das Thema ist wichtig: Die Frist entscheidet darüber, ob jemand sein Geld oder eine Leistung noch einfordern kann, oder ob es zu spät ist. Und es ist kompliziert. Vielleicht lässt sich Ihr Gegenüber noch nichts anmerken und murmelt etwas von «zehn Jahre normalerweise». Das ist korrekt – doch es gibt gefühlte tausend Ausnahmen.
Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.
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Deshalb kommen Sie mit dem ersten, noch netten Beispiel: «Die Architektin hat mir schon seit Jahren keine Rechnung gestellt. Wie lange kann sie damit noch kommen?» Die richtige Antwort: zehn Jahre, die normale Frist. Aber jetzt kommen Sie mit einem fiesen Anwendungsfall – schliesslich wollen Sie das blanke Entsetzen im Gesicht des Gegenübers sehen: «Und wie sieht es denn aus bei dem Bilderrahmen, den ich von der Schreinerin habe machen lassen? Sie verwendete dazu vorfabrizierte Stäbe und schnitt sie individuell zu.» Der Grundsatz: Ansprüche aus klassischer Handwerksarbeit verjähren schon nach fünf Jahren.
Die Bestimmung wurde 1971 geboren aus der Idee, dass Verträge mit Handwerksleuten rasch und ohne etwas Schriftliches abgewickelt werden. Entsprechend sollen auch die Forderungen daraus kürzer bestehen. Der Gesetzesartikel passt aber nicht recht in unsere moderne Welt und stiftet immer wieder Verwirrung. Etwa wenn Maschinen zum Einsatz kommen, wie bei den vorgefertigten Stäben des Bilderrahmens. Klassische Handwerksarbeit, ja oder nein? Das Bundesgericht entschied sich für Ja und damit für fünf Jahre Frist. Begründung: Das handwerkliche Können steht im Zentrum.
Fallbeispiel einer Verjährung
Ein schwieriger Fall sind auch normierte Türen für viel Geld und mit langen schriftlichen Verträgen. Das ist kein kleines Alltagsgeschäft mehr. Aber irgendwie doch Handwerksarbeit – oder nicht? Damit können Sie Ihre Kollegin, Ihren Kollegen jedenfalls endgültig zur Weissglut treiben. Und dann so richtig protzen mit der Geschichte einer Türenfirma, die bis vor Bundesgericht ziehen musste:
Der Betrieb hatte im Herbst 1978 normierte Türen für fast 15’000 Franken eingebaut, in einer grossen Überbauung im Kanton Glarus. Geld bekam sie nicht: Die Bauleitung war nicht zufrieden mit dem Resultat. Die Türenfirma hätte sofort betreiben und klagen können. Das tat sie auch – aber erst sieben Jahre später, beim Zivilgericht Glarus.
Natürlich sagte die Gegenseite unter anderem: Diese Forderung ist verjährt, wir müssen nichts bezahlen. Das Gericht entschied aber: nein, nicht verjährt. Anders sah es das Obergericht. Seiner Meinung nach ist die Forderung schon nach fünf Jahren verjährt – als Handwerksarbeit.
Wieder anders befand das Bundesgericht. Es entschied für die Türenfirma – also für zehn Jahre Frist. Denn es spiele keine Rolle, ob normiertes Material verwendet wird. Wenn etwa ein Schreiner aus normierten Brettern ein Bücherregal baut, sei das klassische Handwerksarbeit – folglich mit fünfjähriger Frist. Doch die Türenfirma habe die Normtüren nur geliefert und eingebaut. Da ist nicht viel Handwerkliches mehr dran. Zudem hielt das Gericht fest: Die Regelung mit den fünf Jahren ist eine Ausnahmebestimmung und muss darum eng ausgelegt werden.
Welche Verjährungsfrist gilt?
Für Konsumentinnen und Konsumenten heisst das: Wenn sie für mehr als fünf Jahre zurückliegende Leistungen eine Rechnung bekommen, sollten sie zuerst überlegen, welche Verjährungsfrist dafür gelten könnte. Vielleicht passt die spezielle fünfjährige Frist auf das Rechtsgeschäft (siehe «Was ist klassisches Handwerk?»), und man kann Verjährung geltend machen. Falls trotzdem eine Betreibung kommt, erhebt man Rechtsvorschlag. Dann muss die Gegenseite vor Gericht gehen, sonst passiert nichts mehr. Oder man ist fair und bezahlt trotzdem, wenn man etwas Gutes geliefert oder installiert bekam.