«Rohstoffknappheit» steht gross auf dem Biotofu der Migros. «Soja Herkunft vorübergehend Österreich.» Normalerweise fertigt die Migros ihren Tofu aus Schweizer Sojabohnen.
Aber die sind alle, wie die Migros auf Anfrage von Blick bestätigt. «Die Nachfrage einerseits nach vegetarischen und veganen und andererseits nach biologischen Produkten hat in den letzten Jahren konstant zugenommen, und die Pandemie trieb die Nachfrage zusätzlich an. Das kann mit hiesigen Rohstoffen nicht vollumfänglich gedeckt werden», sagt Migros-Sprecher Marcel Schlatter.
Soja gedeiht nur in tiefen Lagen
Auch Konkurrentin Coop ist vom Soja-Mangel betroffen. Dort werden zwei Biotofu-Produkte vorübergehend mit europäischem statt mit schweizerischem Soja produziert. Um welche Produkte es sich genau handelt und woher die Ersatz-Sojabohnen stammen, gibt Coop nicht bekannt. Coop-Kunden werden weniger proaktiv über die Turbulenzen auf dem Schweizer Sojamarkt informiert als bei der Migros: Auf den Produkten erscheint kein spezieller Hinweis. Stattdessen wird lediglich die Herkunftsbezeichnung auf der Etikette angepasst. Und das Schweizer Kreuz verschwindet von der Verpackung.
Schweizer Soja war schon vor Ausbruch der Pandemie knapp. Nun verschärft sich der Mangel. Das Problem: Der Anbau von Soja ist nicht so einfach wie etwa derjenige von Weizen oder Gerste. «Soja ist eine wärmeliebende Pflanze. Sie eignet sich nur für tiefe Lagen. Landwirte in höheren Regionen haben keine Chance», stellt Sandra Helfenstein vom Schweizer Bauernverband klar.
Günstige Importe aus Brasilien
Kommt hinzu: In der Schweiz wird für die Produktion von Tofu und anderen Vegi-Produkten nur Biosoja angebaut. Mit konventionellem Soja geht die Rechnung für die Schweizer Bauern nämlich nicht auf. Zu günstig sind die Konkurrenzprodukte aus dem Ausland, etwa aus Brasilien. Gerade Soja aus Brasilien ist in den vergangenen Jahren aber stark in Verruf geraten. Dort wird für den Anbau Regenwald abgeholzt.
Biosoja hingegen ist für die Schweizer Bauern ein durchaus lohnenswertes Geschäft. Warum also nutzen nicht mehr Landwirte die Gunst der Stunde und steigen auf den Anbau der proteinreichen Bohne um?
Engpass hält noch Monate an
Weil sie dazu nicht genügend Zeit hatten, erklärt Sandra Helfenstein: «Die Bauern legen ein Jahr im Voraus fest, was sie anbauen. Sie können nicht einfach von heute auf morgen mehr Sojabohnen aus dem Boden stampfen.»
Will heissen: Die Schweizer Sojaknappheit hält noch eine Weile an. Die Migros geht davon aus, dass erst ab November wieder genug Schweizer Biosoja verfügbar ist. Also kurz nach der Sojaernte im Herbst.
Neu ausgesät wird dann im Mai. Vermutlich auf zusätzlichen Feldern, denn ein Ende des Vegi-Booms ist längst nicht in Sicht. «Das Potenzial ist sicher noch nicht ausgeschöpft», sagt Sandra Helfenstein vom Bauernverband.
Löwenanteil geht in Futtermittelproduktion
Aktuell wird in der Schweiz auf 700 Hektaren Biosoja für den menschlichen Verzehr angebaut. Insgesamt sind die Soja-Anbauflächen in der Schweiz aber dreimal grösser: Auf mehr als 2000 Hektaren wachsen heimische Sojabohnen. Nur: Zwei Drittel davon sind nicht für den Menschen bestimmt. Sondern fürs Tier. Aus diesen Sojabohnen wird Kraftfutter für Kühe, Schweine und andere Nutztiere gefertigt.
Auch in diesem Bereich übersteigt die Nachfrage das Angebot bei weitem. Schweizer Viehbauern greifen für ihr Kraftfutter massenhaft auf Importe zurück. Und die Knappheit wird sich auch bei den Sojabohnen fürs tierische Kraftfutter weiter verschärfen. Biobauern dürfen ihren Tieren ab nächstem Jahr nämlich nur noch inländisches Bio-Kraftfutter vorsetzen. Die Sojabohnen aus Brasilien zu importieren, ist für die Biobauern spätestens dann keine Option mehr.
Ob die Ackerbauern schnell genug umgestellt haben, um dieser gesteigerten Nachfrage gerecht zu werden, ist fraglich. Sicher ist: Die grünlich-gelbe Sojabohne wird auf Schweizer Äckern in Zukunft immer häufiger zu sehen sein.