Auf einen Blick
Während der Arbeit ab und zu mal kurz aufs WC zu gehen, ist die normalste Sache der Welt. Müsste man meinen. Und doch musste sich das Neuenburger Kantonsgericht damit beschäftigen. Angestellte des Uhrenherstellers Jean Singer & Cie in Boudry NE müssen nämlich ausstempeln, bevor sie das stille Örtchen aufsuchen.
Laut dem Gericht ist das rechtens. Es hat entschieden, dass das Arbeitsgesetz den Begriff der Pause «nicht klar definiert» und daher Toilettenpausen als Pausenzeit angerechnet werden dürfen. Das Urteil überrascht. Sogar der Arbeitgeberverband betont: «Es ist nicht die Richtung, in die es gehen sollte.»
Pierre Derivaz (35), Anwalt beim Verband Angestellte Schweiz, ordnet den Fall für Blick ein. «Wir fürchten ein gewisses Stigma. Das Neuenburger Gericht erwähnt ausdrücklich den Fall von Frauen, die menstruationsbedingt aufs WC müssen.» Sie müssen nicht ausstempeln. Klar ist laut dem Juristen auch, dass nicht ausstempeln muss, wer aus medizinischen Gründen länger oder öfter auf die Toilette muss.
Der Entscheid werde aber eine gewisse Präzedenzwirkung haben. «Bisher war es in fast allen Firmen selbstverständlich, dass man nicht ausstempeln muss, wenn man aufs WC muss. Das wird nun plötzlich zu einer Art Grosszügigkeit.» Er gibt aber zu bedenken, dass es sich um einen kantonalen Entscheid handelt. Und andere Kantonsgerichte oder das Bundesgericht allenfalls anders entscheiden würden.
Muss ich ausstempeln, wenn ich eine Zigarette rauche?
Grundsätzlich gilt: Pausen sind keine bezahlten Arbeitszeiten. Gleichgültig, ob es sich um eine Kaffee-, eine Rauch- oder um die Mittagspause handelt. Auch wer nur schnell auf dem Balkon eine Zigarette raucht oder vor dem Büro kurz ein paar Schritte macht, um den Kopf zu lüften, macht eine Arbeitspause. Und die ist unbezahlt. Der Arbeitgeber kann verlangen, dass Angestellte ausstempeln.
«Eine strikte, gesetzliche Pflicht zur Erfassung von Pausen besteht erst ab 30 Minuten», erklärt Derivaz. Darunter erlaubt das Gesetz sowohl das Erfassen als auch das Nicht-Erfassen. Das bedeutet: Wenn der Arbeitgeber Pausen unter 30 Minuten nicht erfasst haben will, ist das gesetzlich in Ordnung. Wenn der Chef kurze Pausen registrieren will, müssen sich Arbeitnehmende daran halten.
Wie streng nehmen es die Arbeitgeber?
«Die meisten Firmen, die wir kennen, verlangen das Ausstempeln erst, wenn man das Gebäude oder die Abteilung verlässt, länger isst oder privat telefoniert», sagt der Jurist vom Verband Angestellte Schweiz. Dabei gehe es auch um eine Entlastung der Vorgesetzten. «In den meisten Firmen haben die Chefs Besseres zu tun, als den Gang der Mitarbeitenden zum WC mit der Stoppuhr zu messen.»
Generell stellt Pierre Derivaz fest, dass Arbeitgeber vermehrt Wert auf Pausen legen. «Sie haben erkannt, dass Pausen nicht nur die Gesundheit und Produktivität fördern, sondern auch ein wichtiger Bestandteil attraktiver Arbeitsbedingungen sind.» In einem Arbeitnehmermarkt mit Fachkräftemangel würden sich Firmen mit einer «durchdachten Pausenkultur» profilieren können. Er kennt viele Firmen, die ihren Angestellten 15 oder gar 30 Minuten Pause pro Tag schenken.
Darf ich während der Arbeitszeit zum Arzt gehen?
Angestellte müssen versuchen, ihre Arzt-, Physiotherapie- und ähnliche Besuche möglichst auf Randzeiten zu legen. Wenn dies nicht möglich ist, gelten Arzttermine für die meisten Angestellten als Arbeitszeit. Wer ganz sichergehen will, holt sich möglichst eine entsprechende Bestätigung beim Arzt.
Wie viel Pause habe ich eigentlich?
Die Dauer der Pausen ist im Arbeitsgesetz geregelt. Arbeitgeber dürfen längere Pausen gewähren, nicht aber kürzere fordern. Die Länge der Pause hängt von der täglichen Arbeitszeit ab. Pausen betragen:
- eine Viertelstunde bei mehr als fünfeinhalb Stunden Arbeit,
- eine halbe Stunde bei mehr als sieben Stunden Arbeit,
- mindestens eine Stunde bei mehr als neun Stunden Arbeit.
Wie wehre ich mich, wenn der Chef sich nicht an die Vorschriften hält?
Wenn sich ein Arbeitgeber nicht an die gesetzlichen Vorgaben hält, sucht man am besten zuerst das Gespräch. Bringt das keine Verbesserung oder wiederholen sich die Verstösse, können sich Angestellte bei Problemen rund ums Thema Pause ans kantonale Arbeitsinspektorat wenden. Es kontrolliert, ob die gesetzlichen Bestimmungen eingehalten werden. Und kann fehlbare Arbeitgeber ermahnen oder büssen.