Die Geldwäscherei-Skandale häufen sich: Der UBS drohen drei Milliarden Franken Busse, weil sie französischen Kunden beim Steuerbetrug geholfen haben soll. Gleich mehrere andere Schweizer Banken kriegen es mit der Bundesanwaltschaft zu tun, die der Spur verschwundener Milliarden aus der libanesischen Zentralbank folgt. Und mehr als 30 weitere Finanzinstitute sind in den jüngsten Skandal um Korruptionsgelder aus Venezuela verwickelt – unter ihnen Julius Bär, Société Générale und die zur Credit Suisse gehörende Bank Leu.
Auf ihren Konten soll die venezolanische Elite um Präsident Nicolás Maduro (58) in den letzten Jahren über neun Milliarden Franken gewaschen haben. Ein Grossteil des Schwarzgeldes hat die Schweiz schon wieder verlassen: Nun steckt es in Luxusuhren und Yachten ranghoher Beamter des mausarmen südamerikanischen Landes. Genfer und Zürcher Staatsanwälte, Bundesanwaltschaft und die Finanzmarktaufsicht (Finma) ermitteln.
Das Bankhaus Bär war auch in einen Korruptionsskandal der Fifa involviert. Die Bank betont, sie habe ihre Kontrollsysteme inzwischen verbessert. Ihr ehemaliger Chef Boris Collardi (46) kam mit einer Finma-Rüge davon. Heute waltet er als Partner bei der noblen Genfer Bank Pictet.
Boni sollen den Leistungswillen steigern
Noch nicht ausgestanden ist das Thema Geldwäscherei für den neuen UBS-CEO Ralph Hamers (55): Unter seiner Leitung wurde die niederländische Bank ING 2018 wegen Schwarzgeldgeschäften mit 775 Millionen Euro gebüsst. Nun prüft ein niederländisches Gericht, ob der ehemalige ING-Chef auch persönlich Verantwortung trägt.
Für seine ersten vier Monate bei der UBS kassierte Hamers 4,2 Millionen Franken. Insgesamt schüttete die Bank im Corona-Krisenjahr 2020 über drei Milliarden an Boni für das Kader aus – 24 Prozent mehr als im Vorjahr. Die UBS lässt dazu verlauten: «80 Prozent der leistungsabhängigen Vergütungen der Konzernleitung sind aufgeschoben und unterliegen dem Verfallsrisiko über einen Zeitraum von fünf Jahren.»
An der Höhe der Vergütungen ändert das allerdings nichts, nicht nur bei der UBS: Viele Schweizer Banken bieten ihren Managern wuchtige finanzielle Anreize. Die sollen den Leistungswillen steigern – vor allem aber befeuern sie die Risikobereitschaft. Das wurde der Credit Suisse bei ihren fatalen Geschäften mit dubiosen Hedgefonds zum Verhängnis. Und gleich reihenweise scheiterten Schweizer Finanzhäuser an ihrer auffallenden Waghalsigkeit, wenn es um Schwarzgeld geht.
Da werden dann beide Augen zugedrückt
Ihre Boni seien «relativ hoch», bemerkte Finanzminister Ueli Maurer (70) diese Woche in Richtung der Banker: «Und dann geht man Risiken ein.» Mit der Folge, dass sogar bei Geldern aus Venezuela – dessen Elite zu den korruptesten der Welt gehört – beide Augen zugedrückt werden. «Die hohen Boni sind zentrale Treiber des Geldwäscherei-Problems», bestätigt Mathias Binswanger (58), Wirtschaftsprofessor an der Fachhochschule Nordwestschweiz. «Man setzt Fehlanreize und wundert sich danach, wenn sich Bankmanager entsprechend verhalten.»
Im Zuge solcher Skandale werden oft mittlere Kader entlassen und gerichtlich verfolgt. Die obersten Etagen der Bankhäuser bleiben unbehelligt. Deshalb sei die Überprüfung der Verantwortlichkeit von Ralph Hamers in den Niederlanden zu begrüssen, sagt Ökonom Binswanger: «Die Topmanager müssen für Geldwäscherei-Vergehen geradestehen. Das ist mit Blick auf ihre Gehälter nicht zu viel verlangt.»
Compliance-Expertin Monika Roth (70), emeritierte Professorin an der Hochschule Luzern, sieht es ähnlich: «Aufgrund der strafrechtlichen Ausgangslage kommt es im Fall Hamers wohl kaum zu einer Verurteilung.» Aber solche Fälle müssten aufsichtsrechtliche Konsequenzen haben.
Roth weiter: «Wer als Führungskraft bei der Geldwäscherei-Prävention versagt, muss den Preis dafür zahlen.» Heisst: Die Finma sollte fehlbare Topmanager für mehrere Jahre von Leitungsfunktionen ausschliessen. «Das wäre ein wirkungsvoller Schritt in der Bekämpfung der Geldwäscherei, die in der Schweiz immer noch ein Dauerthema ist.»
Druck steigt vor allem auch in der Vermögensverwaltung
Stefan Tobler (51), Verfasser des Standardwerks «Der Kampf um das Schweizer Bankgeheimnis», weist auf einen weiteren Treiber der Risikobereitschaft hin: «Das Ende des Bankgeheimnisses vor zehn Jahren hat zu einem Wegfall des Geschäfts mit steuerlich nicht deklarierten Geldern geführt.» Deshalb hätten sich die Gewinnmargen auf die verwalteten Vermögen seit der Zeit vor der Finanzkrise halbiert. Tobler: «Der Druck, ins Risiko zu gehen, steigt vor allem für die auf Vermögensverwaltung spezialisierten Banken.»
Der Buchautor warnt aber vor allzu simplen Schuldzuweisungen: Der Umgang mit solchen Geldern sei nicht nur eine Frage der Legalität. «Finanzielle Beziehungen mit Ländern, die heute als politisch korrekt gelten, können morgen verpönt sein. Für die Banken ist das nicht immer leicht vorauszusehen.»
Klar ist: Mit Weisswäsche lässt sich gut verdienen. Das gilt auch für Anwälte und Berater, die zwischen Banken und Kunden vermitteln. Deshalb wollte der Bundesrat sie bei der Revision des Geldwäscherei-Gesetzes stärker in die Pflicht nehmen. Doch das Parlament lehnte ab: In der Schlussabstimmung Anfang März wurde der Passus gestrichen. «Er hätte das Anwaltsgeheimnis massiv verletzt», verteidigt Die-Mitte-Nationalrat und Anwalt Philipp Bregy (42) den Entscheid. Das Geldwäscherei-Gesetz sei auf dem neusten Stand: «Die Schweiz spielt seit Jahren eine Vorreiterrolle in der Schwarzgeld-Bekämpfung.»
Das Risiko ist unverändert hoch geblieben
Martin Hilti (46), Geschäftsführer von Transparency International Schweiz, widerspricht: «Das Geldwäscherei-Gesetz bietet zu viele Schlupflöcher. Die aktuellen Fälle zeigen, dass das Problem immer noch akut ist.» Die Schweiz erreiche in wichtigen Bereichen nicht einmal minimale internationale Standards, sagt Hilti. «Hinzu kommt, dass zu viele Banken, darunter auch grosse Häuser, die bestehenden Sorgfalts- und Meldepflichten nicht erfüllen.»
Finma-Sprecher Vinzenz Mathys haut in die gleiche Kerbe: «Verdachtsfälle gehören auf den Tisch der zuständigen Behörden, nicht in die Schublade betroffener Institute.» Für Mathys ist klar: «Das Geldwäscherei-Risiko ist unverändert hoch geblieben.»
In ihrem Jahresbericht warnt die Finma die Banken davor, «rentable Neukunden aus Schwellenländern mit hoher Korruptionsgefahr aufzunehmen.»
Genau das ist im Venezuela-Skandal passiert.