Über die letzten Jahre hat sich auf dem Mietwohnungsmarkt der Schweiz ein strukturelles Überangebot aufgebaut. Laut dem Bundesamt für Statistik (BfS) standen am Stichtag 1. Juni 2020 insgesamt 78'832 Mietwohnungen leer. Doch die tatsächliche Zahl könnte noch viel grösser sein. Laut den Immobilien-Experten der Credit Suisse könnte der Stichtag zu einem trügerischen Resultat geführt haben.
Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass es zu einer gewissen Unterschätzung des Anstiegs der Leerwohnungen gekommen sei, führt die Credit Suisse im aktuellen «Immobilienmonitor» aus. Das Problem: Während des Lockdowns wurden leere Wohnungen teilweise gar nicht mehr ausgeschrieben, weil keine Besichtigungen stattfinden konnten.
Nur inserierte Wohnungen werden berücksichtigt
Die Zahl der auf Online-Plattformen inserierten Wohnungen lag Ende Mai noch immer rund 15 Prozent tiefer als Ende Februar. Für die Erhebung der Leerstände berücksichtigt das BfS jedoch nur die am Stichtag 1. Juni zur Miete oder zum Kauf angebotenen Wohnungen. «Hier stellt sich die Frage, wie die Gemeinden mit solchen Wohnungen umgegangen sind», sagt Fredy Hasenmaile, Immobilienexperte der Credit Suisse.
Hasenmaile glaubt, dass die Corona-Pandemie das Ungleichgewicht auf dem Mietwohnungsmarkt in den nächsten Monaten noch weiter verstärken wird. «Die Corona-Krise, welche die Wohnungsnachfrage spürbar schwächen dürfte, scheint bis zum 1. Juni noch keine tieferen Spuren im Markt hinterlassen zu haben», sagt er.
Innert zehn Jahren mehr als verdoppelt
Als wäre die Situation nicht jetzt schon prekär genug: Die Leerwohnungszahl der Schweiz hat sich innerhalb von zehn Jahren mehr als verdoppelt. Aktuell stehen 1,72 Prozent des Gesamtwohnungsbestands leer. Wobei der Anstieg des Leerstands vollumfänglich auf das Konto der Mietwohnungen geht. Am Stichtag der Erhebung standen 66’320 Mietwohnungen leer, was einer Leerwohnungsziffer von 2,75 Prozent entspricht.
Das Negativzinsumfeld führt laut der Credit Suisse zu einem Anlagenotstand, der das strukturelle Überangebot bei den Mietwohnungen weiter nährt. Auf der Suche nach Rendite und aufgrund mangelnder Verfügbarkeit von Bauland sind etliche Investoren auch in Agglomerationsgemeinden und ländliche Regionen ausgewichen. «Mitunter in solche, in denen das Nachfragepotenzial beschränkt ist», so Hasenmaile.
Wohnungsbestand wächst schneller als vor Corona
Insgesamt erwartet die Bank in den kommenden sechs bis 18 Monaten eine Ausweitung des Mietwohnungsbestands um 1,1 Prozent. Zum Vergleich: Vor einem Jahr lag dieser Wert noch bei 1,0 Prozent – also tiefer als vor der Corona-Pandemie. Abgesehen von leichten Verzögerungen auf den Baustellen in diesem Frühling hatte der Lockdown also kaum Auswirkungen auf die erwartete Ausweitung im Mietwohnungsmarkt.
Und das, obwohl dieses Jahr voraussichtlich deutlich weniger Wohnungen nachgefragt werden. Laut der neuen Studie der Credit Suisse sollen es rund 5000 weniger sein als im Vorjahr. Einerseits, weil die Zuwanderung kleiner ausfallen wird, andererseits wird sich auch die Nachfrage aus dem Inland abschwächen. Dieser Trend wird sich fortsetzen: Auch 2021 dürfte die Nachfrage noch deutlich hinter dem Niveau von 2019 zurückbleiben, heisst es in der Studie. Ein Ende der wachsenden Leerstände bei Mietwohnungen ist bis auf Weiteres daher nicht in Sicht.