Zuletzt war die chinesische Unterhaltungsplattform Tiktok unfreiwillig in den Medien. In den USA musste Tiktok-CEO Shou Zi Chew (40) kürzlich vor dem Kongress-Ausschuss antraben, um heikle Fragen zu beantworten. Die USA erheben schwere Vorwürfe bezüglich Datenschutz. Auch in der EU ist die Plattform im Visier der Behörden: So hat die EU-Kommission Tiktok auf Diensthandys von Mitarbeitenden verboten.
Und die Schweiz? Sie beobachtet. Geht vorerst nicht gegen die Social-Media-App vor. Was sich diese zunutze macht: Tiktok wird hierzulande immer beliebter. Das wird gegenüber Werbetreibenden ausgeschlachtet. Der «Tages-Anzeiger» berichtet, wie Mirco Hecker (43), Brand Partnerships Lead Switzerland von Tiktok, vor Marketingleuten namhafter Schweizer Unternehmen seinen Arbeitgeber preist. Beim Referat spreche Hecker nicht über Datenschutz und mögliche Verbote, sondern darüber, wie Firmen auf Tiktok gut ankommen.
Riesiges Werbeopotenzial
Die Nutzerzahlen sind in der Tat eindrücklich. Weltweit zählt Tiktok eine Milliarde Nutzer, in Europa 150 Millionen. In der Schweiz ist die App bei Jugendlichen nach Instagram die zweitbeliebteste Plattform, insgesamt sollen rund 3 Millionen Menschen in der Schweiz Tiktok nutzen.
In der Schweiz nutzen deshalb bereits zahlreiche Firmen Tiktok für ihre Werbezwecke, darunter Dosenbach Schuhe oder Mobiliar Versicherungen. Werbung auf Tiktok ist noch relativ günstig.
Und so lässt die Schweiz Tiktok bis auf Weiteres gewähren. Auch bei einem anderen Unternehmen mit chinesischen Wurzeln, dem Handyanbieter Huawei, zeigt sich die Schweiz nachgiebiger als die USA oder die Nachbarländer.
Was ist an den Vorwürfen dran?
Die USA stossen sich daran, dass die chinesischen Gründer zwar nur 20 Prozent der Aktien, aber mittels höherer Stimmrechte doch Kontrolle über das Unternehmen haben. Implizit steht der Vorwurf im Raum, dass China via Tiktok Propaganda betreibe und Nutzer bespitzele. Der britische «Guardian» hat im Rahmen einer grossen Analyse zudem festgestellt, dass der Tiktok-Algorithmus Beiträge zu aus chinesischer Sicht heiklen Themen unterdrückt, etwa zu Tibets Unabhängigkeit.
Tiktok bestreitet, Nutzerdaten weiterzugeben, und verweist darauf, dass der Firmensitz auf den Cayman-Inseln liege. Es gebe keinen Einfluss der chinesischen Regierung. Die Datencenter befinden sich in Europa, Singapur und in den USA.
Die Datensammelwut der Plattform ist nicht viel anders als jene anderer Social-Media-Plattformen wie Facebook oder Twitter. Dass die USA-getriebene «Hetzjagd» auf Tiktok dessen grossen Konkurrenten zugutekommt, lässt sich nicht von der Hand weisen. Das gilt auch als Argument, weshalb die Schweiz nicht stärker gegen Tiktok vorgeht. Sie müsste dies dann nämlich auch gegen die anderen Plattformen tun.
Ebenso wenig lässt sich aber von der Hand weisen, dass Tiktok viele negative Aspekte für Jugendliche hat. Viele Tiktok-Challenges arten komplett aus. Wasser auf die Mühlen jener, die nach einer stärkeren Regulierung von Tiktok oder von Social-Media-Plattformen allgemein verlangen. (rae)