Seit Beginn des Kriegs in der Ukraine hat der Euro gegenüber dem Schweizer Franken nochmals deutlich an Wert verloren. Für hiesige Konsumenten hiesse das eigentlich, dass sie in den Euroländern günstig einkaufen könnten.
Doch ein Ansturm von Schweizern im deutschen Grenzgebiet bleibt aus. Gründe dafür sind die hohe Inflation, die teuren Spritpreise, aber auch bürokratische Hürden.
Seit Juli liegt der Wert des Euro deutlich unter der Grenze von einem Franken. Das heisst, die Kaufkraft der Schweizer ist im Euroraum noch grösser geworden. Dennoch verzeichnen die deutschen Grenzbehörden seit dem Frühling keine Welle von Schweizer Einkaufstouristen. Die Deutschen Zollämter in Lörrach und Singen zumindest beobachten keinen Anstieg, wie eine Sprecherin auf Anfrage der Fianznachrichtenagentur AWP sagte.
Unter Vor-Corona-Niveau
Die von Monitoring Consumption Switzerland zur Verfügung gestellten Debitkartendaten erhärten das Bild. «Trotz des starken Frankens gibt es keine Hinweise, dass der Einkaufstourismus in die Höhe geschnellt wäre», sagt die CS-Ökonomin Meret Mügeli, die die Daten für ihre Prognosen zum Detailhandel nutzt.
Unter Ausklammerung der Tankstellen lagen die Detailhandelsumsätze von Schweizern, die in Deutschland einkauften, von Februar bis September 0,6 Prozent tiefer als in derselben Zeitspanne 2019, als der Grenzverkehr noch ohne Einschränkungen möglich war.
Lebensmittelpreise und Anfahrtskosten schrecken ab
Mügeli sieht mehrere Gründe, warum es trotz des hohen Frankens keinen Grenz-Shopping-Boom gibt. «Die Inflation ist im Ausland viel höher als in der Schweiz, gerade im Lebensmittelbereich», sagt sie. Konkret verteuern sich die Lebensmittel im Ausland stärker als hierzulande – und damit werden sie weniger attraktiv für die Shopping-Touristen aus der Schweiz.
Ein Blick in die detaillierten Zahlen von Monitoring Switzerland unterstreicht diese Theorie: Denn die Daten zeigten, dass die Umsätze vor allem bei Lebensmitteln stärker unter dem Vor-Corona-Niveau liegen als bei anderen Gütern.
Tanktourismus boomt
Trotzdem würde sich der Einkauf im Ausland lohnen, wären da nicht die hohen Spritpreise. Denn diese verteuern die Anfahrt ins grenznahe Ausland. Immerhin: Wer dennoch zum Shoppen ins Ausland fährt, tankt gleich noch voll. Das spüren viele Tankstellen in der Schweiz.
«Durch die Senkung der Treibstoffsteuern in unseren Nachbarländern ist das Tanken in der Schweiz deutlich unattraktiver geworden», wird Avenergy-Chef Roland Bilang in der Mitteilung zitiert. Manche Tankstellen in Grenznähe hätten im Sommer Umsatzeinbussen von bis zu 60 Prozent verzeichnet. Gleichzeitig schnellten die Umsätze an deutschen Tankstellen mit Schweizer Debitkarten in die Höhe, lagen deutlich über Vorkrisenniveau.
Hemmschuh Bagatellgrenze
Ein weiterer Faktor: In der Schweiz wird deutlich mehr online eingekauft als vor Corona. Das ist bequemer, als sich in den Stau mit anderen Einkaufstouristen vor Kassen und auf den Strassen einzureihen.
Zudem dürfte eine neue bürokratische Hürde einigen die Lust aufs Shoppen ennet der Grenze genommen haben. «Das Niveau von 2019 ist sicherlich auch deswegen nicht erreicht worden, da im Januar 2020 die Bagatellgrenze von 50 Euro eingeführt wurde», glaubt der Handelsverband Südbaden.
Werbekampagnen und Erlebnisshopping
Um die Schweizer wieder über die Grenze zum Einkaufen zu locken, geben sich die deutschen Detailhändler alle Mühe. Setzen auf Werbekampagnen und Erlebnisshopping: «Wir vom Gewerbeverein tun extrem viel für Familien-Attraktionen und schaffen Erlebnisse und Treffpunkte», erklärt der Vorsitzende des Gewerbevereins Waldshut (D), Thomas Wartner. Andere wie das Rhein Center in Weil am Rhein (D) setzen auf Tram-Werbung und Video-Spots in Schweizer Post- und Tankstellen.
Nicht ohne Grund: Denn mit der Eröffnung des neuen Einkaufszentrums Dreiländergalerie ist der Konkurrenzkampf um Schweizer Einkaufstouristen im Grossraum Basel noch härter geworden. (SDA/koh)
Einkaufstourismus in der Krise