Es wird einem nur schon warm ums Herz, wenn man in den Grossverteilern vor den langen Teeregalen steht und die Namen der weit über hundert Sorten liest: «Traumfänger», «Good Morning» oder «Happy Day». Schwarz-, Grün-, Gewürz- oder Früchtetee – alles, was die Kundschaft begehrt.
Und sie will aktuell mehr: Während der Corona-Pandemie nahm der Konsum in der Schweiz zu. Das bestätigt Bigna Eichholzer, Junior Brand Managerin von Twinings in Neuenegg BE: «Ein Anstieg war bemerkbar, vor allem im Konsum zu Hause.» Sie spricht von einer Steigerung gegen zehn Prozent. Bei der Schweizer Traditionsmarke Sirocco sind es laut Ralph Grüniger je nach Sorte zwischen 15 bis 20 Prozent mehr.
Dafür gibt es zwei Gründe: Einerseits arbeiteten dieses und letztes Jahr mehr Menschen im Homeoffice, andererseits kennen alle die heilsame Wirkung, die dem Tee nachgesagt wird. Schon als Kind bekam man ihn, wenn man krank im Bett lag. Warum sollte er nicht auch gegen akute Viren helfen?
Salbei, Fenchel oder Lindenblüten sollen etwa in vielerlei Hinsicht heilende Wirkung haben. Doch ein heisser Aufguss davon ist im eigentlichen Sinne kein Tee, ebenso wenig wie andere Kräuter- oder Früchtesorten. Von Tee sprechen Fachleute nur, wenn Blätter der Camellia sinensis, der Chinesischen Kamelie, zur Anwendung kommen.
Dürre und Corona-Ausbrüche in Darjeeling
In chinesischen Schriften findet die Teepflanze bereits 2700 vor Christus Erwähnung. Bis heute ist das Reich der Mitte mit grossem Abstand der weltweit grösste Produzent von Schwarz-, Grün- und Weisstee – die wichtigsten Sorten, welche die Teepflanze hergibt. Über 80 Milliarden Franken beträgt dort der jährliche Umsatz.
Allerdings exportiert China nur 10 bis 20 Prozent der Produktion ins Ausland. Im Welthandel spielt deshalb die Nummer zwei Indien mit über 15 Milliarden Franken Umsatz eine weit grössere Rolle: Aus den Anbaugebieten Assam und Darjeeling bezieht auch die Schweiz den grössten Anteil von Schwarztee.
Doch Indien hat grosse Probleme: Durch Dürren ist die Produktion in Darjeeling dieses Jahr um fast die Hälfte eingebrochen. Dazu kommt, dass wegen ständiger Corona-Ausbrüche in den engen Behausungen der Pflückerinnen nur die Hälfte der mehr als 70’000 im Einsatz sind, um Hygiene- und Abstandsregeln einhalten zu können.
Sinkende Produktion bei steigender Nachfrage durchs Homeoffice: Das führt zu höheren Preisen. Und tatsächlich kletterten diese an den Teebörsen schon seit dem Lockdown im März 2020 deutlich in die Höhe und liegen nun – verschärft durch die Situation in Indien – bei rund 2,8 US-Dollar pro Kilo: ein Anstieg um über 30 Prozent!
«Was sich besonders stark auf die Preise von Tee aus China und Indien auswirkt, sind die Frachtraten», sagt Fabienne Dick von der Interessengemeinschaft Tee, Gewürze und verwandte Produkte (IGTG) in Bern. «Der Preis für einen 40-Fuss-Container (rund zwölf Meter Länge) ist von etwa 2500 US-Dollar auf rund 20'000 US-Dollar gestiegen.»
«Preise werden sich wohl erhöhen»
Bedeutet das höhere Preise für Konsumentinnen und Konsumenten? «Der massive Anstieg der Transportkosten und die geringe Verfügbarkeiten hat bereits zum Anstieg auf dem Rohwarenmarkt geführt», sagt Grüniger von Sirocco. «Mit einer gewissen Verzögerung werden sich wohl die Preise für die Konsumenten erhöhen.»
Eichholzer von Twinings beobachtet seit letztem Jahr einen allgemeinen Anstieg, allerdings führt sie das auch darauf zurück, dass die Kundschaft vermehrt teurere Bioprodukte nachfragt. Twinings hat dementsprechend das Bioangebot bei Kräuter- und Früchtetees ausgebaut. Ein Ausbau, der sich auch für Sirocco lohnte. «Seit der Pandemie sind hochwertige Bio-Kräutertees noch beliebter geworden», sagt Grüniger.
Das sind denn auch die beliebtesten Sorten in der Deutschschweiz (zwei Drittel machen gemäss IGTG Kräuter- und Früchtetees aus), während Verveine und klassischer Tee vornehmlich in der Romandie Absatz finden. In der Liste der Teetrinker-Nationen belegt die Schweiz mit 0,2 Kilogramm getrocknetem Tee pro Einwohner und Jahr nur einen hinteren Platz – weit hinter der Türkei (2,7 Kilo), Grossbritannien (2,2 Kilo) oder Russland (1,3 Kilo).
«Das Bewusstsein und die Offenheit für Tee ist in der Schweiz jedoch massiv gestiegen», sagt Grüniger. Tee trinke man heute nicht nur, wenn man krank sei. «Vor allem Männer ab 30 Jahren haben einen guten Tee als Alternative zu den vielen üblichen Kaffees entdeckt.»