Swissmem wegen Importzöllen sauer auf Politiker
«Der Nationalrat lässt die Industrie hängen»

SVP-Nationalrat Guy Parmelin unterliegt im Nationalrat. Die Volksvertreter entscheiden sich für die Beibehaltung der Industriezölle. Swissmem reagiert scharf.
Publiziert: 04.06.2020 um 19:41 Uhr
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Aktualisiert: 05.06.2020 um 06:20 Uhr
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Magdalena Martullo-Blocher warb für die Abschaffung der Industriezölle.
Foto: keystone-sda.ch
Marc Iseli

Die Worte sind ungewöhnlich scharf. «Mitten in der Krise lässt der Nationalrat die Industrie hängen», sagt der Industrieverband Swissmem. Von einem «völlig unverständlichen» Entscheid ist die Rede. Von einer «verweigerten» Unterstützung, einem «zunehmenden Ungeist der Abschottung».

Hintergrund dieser Aussagen ist das Verdikt des Nationalrats, die bestehenden Industriezölle beizubehalten. Der Bundesrat hat das Geschäft in die grosse Kammer getragen. SVP-Bundesrat Guy Parmelin (60) wollte damit die Wirtschaft stärken. Die Exportwirtschaft profitiere, sagte er. Arbeitsplätze könnten gesichert werden. Und Konsumenten würden von tieferen Preisen profitieren.

Die Vorlage, so argumentierte Parmelin, sei ein Puzzleteil im Kampf gegen die Hochpreisinsel Schweiz. Ein wichtiges Puzzleteil. SVP-Vertreterin Magdalena Martullo-Blocher (50) sekundierte ihren Bundesrat. Nie sei die Unterstützung der Wirtschaft so sinnvoll und nötig gewesen wie in der heutigen Zeit, meinte die Unternehmerin. Es herrsche ein aggressiver Standortwettbewerb. Mit attraktiven Standorten werde versucht, Firmen zum Wegzug zu bewegen.

550-Millonen-Loch befürchtet

Die Worte von Parmelin und Martullo-Blocher blieben aber ungehört. Die Mehrheit des Nationalrats ist nicht auf die vom Bundesrat ausgearbeitete Vorlage eingetreten. Der Entscheid fiel mit 108 zu 83 Stimmen. Die Meinung der vorberatenden Wirtschaftskommission hat sich durchgesetzt. Nun ist der Ständerat am Zug. Tritt er ebenfalls nicht ein, ist die Vorlage vom Tisch.

Mit der Abschaffung der Industriezölle würden dem Bund rund 550 Millionen Franken pro Jahr entgehen. Das führe zu einer massiven Schwächung des Bundeshaushalts, zumal der Bundesrat keine Gegenfinanzierung vorschlage, sagte Kommissionssprecher und CVP-Parlamentarier Markus Ritter (53). Seiner Ansicht nach ist das angesichts der hoch verschuldeten Bundeskasse unverantwortlich.

Ritter, der auch Präsident des Schweizer Bauernverbandes ist, erinnerte zudem daran, dass die Unternehmen schon durch die Unternehmenssteuerreform um zwei Milliarden Franken entlastet werden. Als nächstes müssten Haushalte entlastet werden. «Falsche Prioritäten!», urteilte Ritter. Die Mehrheit des Nationalrats glaubte auch nicht daran, dass die Konsumentinnen und Konsumenten von tieferen Preisen profitieren würden. Der Bundesrat beziffert die Einsparungen auf 350 Millionen Franken.

«Zölle sind ein Anachronismus»

Kritisiert wurde im Nationalrat auch eine falsche Strategie. Die Schweiz würde mit der einseitigen Abschaffung der Zölle einen Trumpf bei der Verhandlung neuer Freihandelsabkommen verlieren, so das Argument. Sich präventiv und ohne sichtbaren Nutzen in Verhandlungen schwächen – so etwas tue man nicht, sagte SP-Sprecherin Jacqueline Badran (58).

Swissmem lässt das nicht gelten. «Industriezölle sind ein Anachronismus», heisst es in einem Communiqué. Die Wertschöpfungsketten in der Industrie seien international organisiert. Teile und Komponenten von industriellen Endprodukten würden oft mehrmals die Schweizer Grenze überqueren. «Zölle und Zolladministration erhöhen dabei die Kosten und verursachen administrativen Aufwand. Industriezölle sind somit ein unnötiges und kostentreibendes Hindernis für die Industrie.»

Die Aufhebung der Industriezölle wäre eine echte Verbesserung der Rahmenbedingungen gewesen, schreibt der Verband. Noch deutlicher wird Swissmem-Direktor Stefan Brupbacher (52): «Ich bin sehr enttäuscht.»

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