Suche nach Russen-Geld
Seco und US-Regierung wollen enger kooperieren

Bei einem Treffen mit der Seco-Chefin glättet der US-Sanktionsbeauftragte die Wogen. In der Sache aber bleiben beide Seiten hart.
Publiziert: 20.04.2023 um 20:59 Uhr
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Aktualisiert: 18.01.2024 um 10:29 Uhr
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Treffen in Bern (v.l.): US-Botschafter Scott Miller, Seco-Chefin Helene Budliger Artieda und Brian Nelson.
Foto: Twitter: UnderSecTFI
Fabienne Kinzelmann, «Handelszeitung»
Handelszeitung

Wenn zwei sich streiten … kommt ein Dritter zum Schlichten: Brian Nelson, Unterstaatssekretär für Terrorismus und Finanztransaktionsuntersuchungen im Finanzministerium. Bidens oberster Sanktionsbeauftragter traf sich am Dienstagnachmittag mit dem Seco und brachte dabei auch Staatssekretärin Helene Budliger Artieda (58) und US-Botschafter Scott Miller (43) an einen Tisch. Die Seco-Chefin und Bidens Mann in Bern hatten sich zuletzt über die Umsetzung der Russland-Sanktionen in der Schweiz öffentlich beharkt.

Das Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft lobt das Treffen als «konstruktiv» und «respektvoll». Der «wertvolle Austausch» werde «als Grundlage dienen, die bestehende, bereits heute sehr gute Zusammenarbeit weiter auszubauen», sagt Sprecherin Antje Baertschi auf Anfrage.

Nelson habe zu Beginn des Treffens die Teilnahme der Schweiz an den internationalen Sanktionen gegenüber Russland gewürdigt. Beide Seiten wollten die Sanktionen effektiv umsetzen und anerkennen, dass eine gute internationale Zusammenarbeit die Voraussetzung dafür sei. Der Informationsaustausch solle «noch weiter ausgebaut werden». Zudem sei die «Problematik der Vermögensverwaltung durch Anwälte und Anwältinnen» thematisiert worden.

Letzteres war ein Schwerpunkt des US-Finanzbeamten bei seinem Besuch. Ihn beschäftigt vor allem die Rolle von Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen in der Vermögensverwaltung. Diese bauen auch von der Schweiz aus komplizierte Strukturen in Offshore-Ländern auf und betätigen sich illegal als Treuhänder. Wegen einer Gesetzeslücke im Schweizer Geldwäschereigesetz gilt es als schwierig, ihnen auf die Spur zu kommen.

Korruptionsexperte: «Das Seco ist bei der Oligarchengeldsuche gelähmt»

«Es gibt viele Staaten auf der Welt, die das Anwaltsgeheimnis breit auslegen – auch die USA», sagt Korruptionsjäger Mark Pieth (70), früher Professor für Strafrecht und Kriminologie an der Uni Basel und ehemaliger Leiter der Abteilung Organisierte Kriminalität im Justizdepartement, im Gespräch mit der «Handelszeitung». «Soweit man als Anwalt klassische Anwaltstätigkeiten vornimmt, ist man durch das Anwaltsgeheimnis gedeckt respektive der Kunde profitiert vom Anwaltsgeheimnis. Aber als Finanzintermediär ist man nicht Anwalt – dann gilt nur das Treuhandsgeheimnis.»

Zwischen diesen beiden Rechtsprivilegien sei eine Grauzone, die die Schweiz weit ausdehne. «Das lähmt das Seco bei der Suche nach verstecktem Oligarchengeld. Denn es ist gar nicht in der Lage, auf den wirtschaftlich Berechtigten zuzugreifen.»

Pieth kritisiert, dass die Schweiz der Oligarchen-Taskforce Repo nicht beitreten will. «Es gäbe dort nur etwas zu gewinnen für die Schweiz.»

US-Beamter zeigt sich offen für anderes multilaterales Format

Zwar haben die G7-Botschafter bisher noch keine offizielle Antwort auf ihre Forderung an die Schweiz, der Repo beizutreten, erhalten. Doch die Position von Guy Parmelins (63) Wirtschaftsdepartment und jene des Seco ist deutlich. Beim Treffen mit dem US-Sanktionsbeauftragten betonte das Seco erneut, auch unabhängig von einer formellen Taskforce «intensiv» mit anderen Staaten zusammenzuarbeiten.

«Ich denke, wir versuchen, gemeinsam zu überlegen, wie wir Kanäle für den Informationsaustausch schaffen müssen, wie diese aussehen könnten und wie wir die bestehenden Kanäle produktiver und effektiver gestalten können», sagte ein hochranginger US-Beamter, der an dieser Stelle namentlich nicht genannt werden will, am Dienstag zur «Handelszeitung».

Er zeigte sich offen für «ein anderes multilaterales Format», betonte aber, dass die Repo am effektivsten bei der Aufdeckung von komplexen Strukturen sei, die speziell zur Sanktionsumgehung entwickelt worden seien. Der US-Beamte widersprach in dem Zusammenhang auch einer Aussage von Seco-Chefin Budliger Artieda: Die USA hätten der Schweiz sehr wohl bereits Hinweise auf versteckte Vermögenswerte geliefert.

Wie viel Oligarchengeld liegt noch in der Schweiz?

Laut US-Botschafter Scott Miller (43) könnten weitere 50 bis 100 Milliarden Franken in der Schweiz eingefroren werden – das wäre ein Vielfaches der bisher eingefrorenen Vermögenswerte. Bei der Angabe, mit der der US-Botschafter im März für Aufsehen gesorgt hatte, handelt es sich laut seinem Sprecher um einen «potenziellen Betrag der in der Schweiz gehaltenen russischen Vermögenswerte, die möglicherweise im Rahmen von Sanktionen überprüft werden könnten».

Als Grundlage für die Berechnung hätten Daten der Schweizerischen Bankiervereinigung sowie Gespräche mit US-amerikanischen und internationalen Partnern, Wirtschaftswissenschaftern und Geldwäschereiexperten gedient. Bei der Ermittlung der Zahl seien mehrere Faktoren untersucht worden, «darunter öffentlich zugängliche Daten und eine Bewertung ähnlich grosser Finanzmärkte im Vergleich zu anderen Offshore-Finanzzentren, die durch die Attraktivität der Schweiz als stabiles Finanzumfeld gestärkt werden».

Die USA setzen Schweizer auf die Sanktionsliste

Erst vergangene Woche haben die USA drei Schweizer und zwei Firmen wegen der Unterstützung der russischen Oligarchen Alisher Usmanow (69) und Gennady Timchenko (70) auf ihre Sanktionsliste gesetzt. Die drei Schweizer Personen gelten als «Facilitatoren», die mit der im benachbarten Fürstentum Liechtenstein registrierten Anwaltskanzlei Sequoia verbunden sind.

Sequoia wird verdächtigt, «finanzielle, materielle oder technologische Unterstützung für oder Waren oder Dienstleistungen für oder zur Unterstützung von Timchenko» bereitgestellt zu haben.

Artikel aus der «Handelszeitung»

Dieser Artikel wurde erstmals in der «Handelszeitung» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.handelszeitung.ch.

Dieser Artikel wurde erstmals in der «Handelszeitung» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.handelszeitung.ch.

Die in Genf ansässige Pomerol Capital wird als Treuhänderin des Sister Trust benannt, einer Einrichtung auf den Bermudas, die angeblich im Auftrag von Usmanow und seiner Schwester Gulbakhor Ismailova geführt wird. Und auch der Eisenerzlieferant und Bergbaukonzern Metalloinvest Trading mit Sitz im Kanton Zug wurde mit Usmanow in Verbindung gebracht.

Der Besuch in der Schweiz war die längste Station des US-Sanktionsbeauftragten Brian Nelson während seiner Europa-Reise diese Woche. Neben dem Seco traf sich Nelson unter anderem mit der Schweizerischen Bankiervereinigung, führenden Finanzinstituten, dem Staatssekretariat für internationale Finanzfragen und Vertretern der Zivilgesellschaft.

Die Schweiz gilt als Schlüsselstaat bei der Durchsetzung der Sanktionen. Der Druck auf die Schweiz, mehr gegen die Umgehung zu tun, könnte sich nicht nur durch die USA und die anderen G7-Staaten, sondern auch durch die Financial Action Task Force erhöhen. In dieser ist die Schweiz Mitglied. Schon in ihrem letzten Länderbericht hatte die internationale Institution, die unter anderem Standards zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung setzt und deren Einhaltung überprüft, die Schweiz in einigen Punkten kritisiert.

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