Montagmorgen, 8 Uhr, am Bahnhof in Frauenfeld TG. Kaffee und Gipfeli gibt es hier für gut fünf Franken. Wer den Zmorge in der Bäckerei statt im Zug geniessen will, durchläuft das immer gleiche Spiel: Handy raus, QR-Code öffnen, ID bereithalten.
Seit gut zwei Monaten ist das Corona-Zertifikat in der Gastronomie Pflicht. Die Schweizer Beizerinnen und Beizer wehklagten laut, als die Pflicht am 13. September eingeführt wurde. Noch lauter dann, als die Corona-Tests am 11. Oktober kostenpflichtig wurden.
Gleich viel Umsatz wie vor Zertifikatspflicht
Casimir Platzer, Präsident des Branchenverbandes Gastrosuisse, warnte vor Umsatzeinbussen von bis zu 50 Prozent. Es kam nicht ganz so arg: Gastrosuisse selber krebste wenig später von seinem Schreckensszenario zurück. Gemäss einer Umfrage vom Oktober erlitten die Gastronomen seit Einführung der Zertifikatspflicht Umsatzeinbussen von durchschnittlich 28 Prozent.
Eine Blick-Auswertung der Umsatzzahlen in der Gastronomie zeigt nun: Aktuell werden in den Schweizer Beizen jeden Tag gut 14 Millionen Franken ausgegeben. Das ist gleich viel wie Mitte August, vor Einführung der Zertifikatspflicht. Die Zahlen stammen vom HSG-Projekt Monitoring Consumption Switzerland. Dieses misst sämtliche Kartenzahlungen in den Schweizer Restaurants.
Nach dem 13. September gab es zwar einen Einbruch. Ebenso, wenn auch auf tieferem Niveau, als die Tests am 11. Oktober kostenpflichtig wurden. Die Umsätze erholten sich danach aber wieder.
Weihnachtsgeschäft fällt ins Wasser
Allerdings: Der Trend zeigt nach unten. Das dürfte auch mit den aktuell stark steigenden Fallzahlen zusammenhängen, die viele von einem Restaurantbesuch abschrecken.
Kommt hinzu, dass die Vorweihnachtszeit für Gastronomen besonders wichtig ist. Die Umsätze müssten eigentlich durch die Decke gehen, statt nur auf August- und damit Sommerferien-Niveau zu dümpeln.
Die Zertifikatspflicht führt in den Beizen ausserdem zu Mehraufwand. Am Eingang, am Tisch, an der Bar müssen QR-Codes gescannt und IDs kontrolliert werden. Diskussionen über leere Handyakkus und vergessene Ausweise sind an der Tagesordnung.
Das geht den Beizern an die Substanz. Blick hat drei von ihnen durch den Corona-Herbst begleitet. Bruno Suter (60), der im Schwyzer Muotatal wirtet, bezeichnet das Zertifikat als «rote Linie» – und weigert sich, es zu kontrollieren. Aufgrund eines Schlupflochs lassen ihn die Behörden vorerst gewähren.
Remo Brülisauer (36) hat im Restaurant Schwägalp am Fusse des Säntis die ganze Schweiz zu Gast – und nimmt die Zertifikatspflicht locker: «Viel entscheidender ist für uns das Wetter.»
Andy Gröbli (51) und seine Pirates-Bar in Hinwil ZH wollen sich von der Zertifikatspflicht nicht unterkriegen lassen. «Entweder du heulst – oder du fragst dich, wie du das Beste aus der Situation machst.» Gröbli betreibt seit dem Herbst ein eigenes Testcenter. Wer sich dort testen lässt, erhält Pirates-Gutscheine obendrauf, sein Laden ist nun stets proppenvoll.
Gemeinsam haben die drei Beizer, dass sie sich Normalität zurückwünschen. Angesichts stark steigender Corona-Fallzahlen und neuerlicher Lockdowns im Ausland stehen die Chancen dafür allerdings nicht sonderlich gut.