Zuerst Party-Irrsinn, dann in den Lockdown: Die griechische Ferieninsel Mykonos erlebt gerade ein Corona-Chaos. Seit Samstag ist ein nächtliches Ausgehverbot in Kraft. Zwischen 1 und 6 Uhr gelten Kontaktbeschränkungen und ein Musikverbot. Auf der Insel ist die Lage unübersichtlich. Die Quarantäne-Hotels sind überfüllt. Wer keinen Platz mehr kriegt, landet auf der Strasse und muss am Strand übernachten (Blick berichtete).
Vom Lockdown betroffen sind auch unzählige Schweizer Touristen. Dutzende Blick-Leserinnen und Leser haben sich bei der Redaktion gemeldet und berichten vom Corona-Chaos auf Mykonos.
Einer von ihnen ist Alex Speranza (30) aus Dübendorf ZH. Er ist mit seinen Kumpels vergangene Woche auf die Jet-Set-Insel gereist. «Wir haben uns sehr auf die Ferien gefreut. Die ersten Abende konnten wir noch voll Party machen», erzählt Speranza. Doch dann folgte der Lockdown-Hammer. «Von einem Tag auf den anderen war alles anders», sagt Speranza, der am Paradise Beach weilt.
«Tanzflächen sind ausgestorben»
Mykonos habe sich vom Party-Tempel zur Geisterinsel verwandelt. «Es ist eine ganz komische Stimmung. Die Bars und Clubs haben zwar noch geöffnet, dürfen aber keine Musik mehrspielen.» Da kommt es auch mal zu abstrusen Szenen. «Leute mieten eine Lounge in einer Bar für 1000 Euro und kriegen Wodka-Flaschen serviert», berichtet Speranza. «Dann bleiben sie einfach in der Lounge sitzen und unterhalten sich. Die Tanzflächen sind ausgestorben, weil keine Musik mehr läuft.»
An den Stränden das gleiche Bild. Die Touristen würden sich zwar weiterhin versammeln, bleiben aber unter ihren Sonnenschirmen sitzen. «Es ist, als ob jemand die Luft aus der Party herausgelassen hat», sagt Speranza. Nach 1 Uhr ist seit Sonntagmorgen jeweils Schluss. «Die Menschen müssen dann die Bars und Clubs verlassen, ziehen aber weiter auf die Strasse», berichtet er.
Am Flughafen wollte niemand kontrollieren
Alex Speranza und seine Kumpels sind enttäuscht. «Natürlich ärgert uns das. Wir wollten Partymachen, jetzt müssen wir uns gezwungenermassen zurückhalten», sagt er und schiebt lachend nach. «Andererseits ist das wohl auch gut. Wir sind älter und waren ziemlich müde nach den langen Nächten zu Beginn.»
Dass auf Mykonos die Corona-Fallzahlen dermassen in die Höhe schnellten, verwundert den Zürcher nicht. «Niemand beachtet hier die gängigen Hygieneregeln. Masken sieht man kaum und die Abstände werden ohnehin nicht eingehalten», sagt Speranza. Von seiner Kollegen-Truppe seien alle gegen Covid-19 geimpft. «Doch niemand hat uns kontrolliert, geschweige denn nach dem Zertifikat gefragt.»
Die Schweizer waren dermassen verwundert, dass sie nach ihrer Ankunft am Flughafen bei der Einreisekontrolle nachgefragt haben. «Wir wollten den Mitarbeitenden am Flughafen von uns aus zeigen, dass wir geimpft sind. Sie wiesen uns aber fort und sagten, dass sie nur Stichproben durchführen würden.»
So umgehen Clubs den Lockdown
Auch Luca Vercelli (24)*, der aus Angst vor seinem Arbeitgeber anonym bleiben möchte, berichtet von den laschen Corona-Kontrollen. «Niemand kümmert sich darum. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Fallzahlen hier wieder ansteigen würden.» Der Schweizer ist ebenfalls mit einer Gruppe von Freunden auf Mykonos. «Wie alle Touristen hier wollten wir den Alltag zurücklassen und auch der Pandemie entfliehen», sagt er. Eine unbeschwerte Ferienzeit mit Partys gibts aber auch für Vercelli und seine Kollegen nicht mehr. «Wir müssen den Lockdown respektieren», findet er.
Doch Vercelli berichtet auch von Clubs und Bars, die sich am Sonntag und Montag nicht an die neuen Massnahmen gehalten haben. «Einige Lokale haben am Tag plötzlich für etwa zehn Minuten doch wieder laute Musik abgespielt», sagt er. Wohl um zu zeigen, dass bei ihnen doch noch etwas läuft. «Das Problem ist, dass es auf Mykonos im Gegensatz zu Athen kaum Polizisten hat. Auch jetzt im Lockdown wird dem Treiben zugesehen», berichtet er.
Und um 1 Uhr nachts sei doch nicht überall Schluss. «Am frühen Montagmorgen hat unsere Bar nicht den Laden dichtgemacht», sagt Vercelli. Die Touristen hätten weitergefeiert – trotz nächtlichem Ausgehverbot.
Werden Schweizer Touristen obdachlos?
Der Schweizer macht sich mit seinen Kollegen nun Gedanken über die bevorstehende Rückreise. «Am Flughafen werden Stichproben durchgeführt. Es ist möglich, dass wir einen Corona-Test machen müssen», sagt er. Falls dieser positiv ausfallen sollte, würden Vercelli und Co. auf Mykonos für zwei Wochen festsitzen. «Die Quarantäne-Hotels sind aber bereits dermassen überfüllt, dass es für uns wohl kaum noch einen Platz hat», befürchtet er.
Dann könnten sie auf der Strasse landen. Und müssten wohl wie andere Touristen am Stand übernachten. «Wir haben Angst, obdachlos zu werden», sagt Vercelli. Doch daran möchte er gar nicht weiter denken. «Jetzt geniessen wir noch die letzten Tage auf Mykonos und hoffen auf ein Happy-End bei der Rückreise.»
*Name von der Redaktion geändert