Sinnlose Reiseregeln?
Geschlossene Grenzen nützen nur am Anfang

Reiseregeln sollen die Ausbreitung des Coronavirus bremsen. Eine Publikation britischer Forscher stellt deren Wirksamkeit allerdings infrage. Wann sind solche Beschränkungen wirklich sinnvoll?
Publiziert: 08.12.2020 um 16:26 Uhr
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Aktualisiert: 19.01.2021 um 08:07 Uhr
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Der grosse Frust von Reiselustigen: Die Quarantäneliste des Bundesamtes für Gesundheit (BAG).
Foto: Siggi Bucher

Gesperrte Grenzen. Quarantänelisten. Corona-Reiseverbot. Das ist der grosse Frust der Reiselustigen. Vorbei ist die Hoffnung auf einen Cocktail am Strand in Thailand. Die Grenzen sind quasi zu. Sorgloses Reisen wird erst wieder möglich sein, wenn die ersten Impferfolge da sind.

Aber was nützen Reise-Sperren überhaupt? Britische Forscher gehen dieser Frage nach. Sie kommen zum Schluss, dass das Mittel wohl nur begrenzt Wirkung zeigt. Der Effekt sei stark abhängig von der Infektionslage im Land. Die Forscher publizierten die Studie im Fachjournal «The Lancet Public Health».

Zu Beginn der Pandemie seien die Reiseregeln effektiv gewesen, heisst es. Effektiv zum Stopp der weiteren Ausbreitung. Unwahrscheinlich sei aber die Wirksamkeit der Reisebeschränkungen, wenn sich das Virus bereits schnell und auf breiter Basis verbreite.

Abnehmender Nutzen

«Daher ist es wichtig, dass die Regierungen Reisebeschränkungen gezielt anwenden», sagt Mark Jit, Professor an der Londoner Schule für Tropenmedizin. «Bevor Einschränkungen eingeführt werden, sollten lokale Infektionszahlen, epidemische Wachstumsraten und der Umfang von Reisen berücksichtigt werden.»

Die Studie ermittelte mithilfe von Schätzungen und mathematischen Modellen, wie sich die Einschleppung von Corona-Fällen auf diverse nationale Pandemie-Geschehen auswirkten. Das Resultat: Hätte es im Mai keine Verringerung der Reiseströme gegeben, hätten in vielen Ländern die eingeschleppten Fälle mehr als 10 Prozent aller Infektionen ausgemacht.

Im Verlauf des Jahres schwächte sich der Einfluss ab. Im September zählte nur noch in der Hälfte eine Quote von mehr als zehn Prozent, die sich auf Ansteckungen im Ausland zurückführen lassen. In 21 Ländern waren es gar weniger als 1 Prozent, wie die Forscher schreiben.

Pandemie ausser Kontrolle

«Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass strenge, nicht zielgerichtete Reisebeschränkungen in vielen Ländern wahrscheinlich nicht gerechtfertigt sind», so die Forscher.

Ausnahmen bilden Länder, die eine sehr geringe Inzidenz aufweisen. Zudem können Beschränkungen in Ländern wirksam sein, die nahe an einer schnellen Ausbreitung sind. Nicht aber dort, wo sich das Virus bereits rasch ausbreitet, wie die Forscher schreiben. Nicht dort, wo die Pandemie ausser Kontrolle ist. (lui)

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