Selfmade-Milliardäre im Trubel
Forscher-Ehepaar Clozel laboriert am nächsten Erfolg

Jean-Paul und Martine Clozel machten aus ihrem Start-up Actelion einen Milliarden-Konzern. Doch ihr zweites Unternehmen Idorsia schwächelt. Kann das Paar das Biotech-Unternehmen auf die Erfolgsspur bringen?
Publiziert: 22.08.2023 um 00:12 Uhr
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Aktualisiert: 24.08.2023 um 15:50 Uhr
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Das pharmazeutische Forschungsunternehmen Idorsia in Allschwil BL musste kürzlich die Entlassung von bis zu 500 Mitarbeitenden verkünden.
Foto: Idorsia
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Aline LeutwilerFreie Journalistin Politik und Wirtschaft

In so gut wie jedem Interview wird Jean-Paul Clozel (68) dieselbe Frage gestellt: «Sehen Sie sich eher als Forscher oder als Unternehmer?» Clozel, Chef des Pharma-Unternehmen Idorsia und studierter Kardiologe, antwortet stets selbstsicher, dass er durch und durch Forscher sei. Er wäre besser auch Unternehmer, denn gerade auf der unternehmerischen Seite harzt es derzeit bei Idorsia.

Das pharmazeutische Forschungsunternehmen Idorsia in Allschwil BL musste kürzlich die Entlassung von bis zu 500 Mitarbeitenden verkünden. Bei 1200 Angestellten sind dementsprechend über 40 Prozent der Belegschaft betroffen. Ein grossangelegtes Sparprogramm will rund 50 Prozent der Kosten einsparen. Idorsia braucht Geld, um die Forschung weitertreiben zu können. Um die bestehenden Liquiditätsprobleme zu überbrücken, verkaufte Clozel das Asiengeschäft für 400 Millionen Franken und half selbst mit 75 Millionen Franken aus. 

An der Börse kommen diese Nachrichten schlecht an. Seither kennt der Kurs nur eine Richtung: nach unten. Am Montag fiel der Aktienkurs vorübergehend auf ein neues Allzeittief bei nur noch 5.13 Franken.

Von der Garage ins Designer-Gebäude

Dabei hatte alles so gut begonnen: Das Geld der Clozels für die Gründung von Idorsia stammt aus dem Verkauf ihres ersten Start-ups Actelion, das 2017 für 30 Milliarden Dollar an das US-Pharmaunternehmen Johnson & Johnson ging. Am Deal verdienten Jean-Paul Clozel und seine Frau Martine (67) gemeinsam 1,5 Milliarden Franken.

Die Geschichte von Jean-Paul und Martine Clozel sucht seinesgleichen. Die beiden Franzosen lernten sich im Medizinstudium im französischen Nancy kennen, Jean-Paul war die willensstarke Martine aufgefallen. Fortan gingen die beiden ihren beruflichen Weg zusammen. Er wurde Kardiologe, sie Kinderärztin und Spezialistin für Frühgeburten. Gemeinsam wechselten sie nach Aufenthalten in den USA und Kanada in die Forschung zu Roche. 1997 gründeten die Clozels Actelion, weil ihr damaliger Arbeitgeber nicht an das Potenzial des Wirkstoffs Tracleer gegen Bluthochdruck glaubte.

Clozels gingen mutig in die Unabhängigkeit. Der Schritt ist insbesondere erstaunlich, da Jean-Paul Clozel von sich sagt, Risiko zu hassen und ungern zu verhandeln. Was in der Garage anfing, endete mit einem Firmensitz designt von den Architekturstars Herzog & de Meuron. Der Wirkstoff Tracleer wurde zum Bestseller und Actelion wurde innerhalb von 20 Jahren zum Milliardenkonzern mit rund 2500 Mitarbeitenden. 

Mit dem Erfolg kamen auch Schattenseiten. Der Hedgefonds Elliot wollte zwei Jahre lang das Geschäft übernehmen, auch Sanofi zeigte sich interessiert. Clozel wehrte sich lange vehement dagegen. Schlussendlich wurde dann doch verkauft: an Johnson & Johnson. «Das Angebot von Johnson und Johnson hatte wohl bei 20 Milliarden Dollar begonnen, ging auf 26 und erreichte schliesslich 30 Milliarden. Clozel holte also 10 weitere Milliarden und 2,3 Milliarden Startgeld für die Nachfolgegesellschaft Idorsia heraus», sagt Michael Nawrath (59), Biopharma-Analyst bei Octavian.

Verkaufspotenzial nicht ausgereizt

Jean-Paul und Martine Clozel wurden mit dem Deal zu Selfmade-Milliardären, was sie sofort auf die Reichen-Liste der Schweiz setzte. Doch anstatt in den Ruhestand zu gehen, sich eine Insel zu kaufen und ihrem Tennis-Hobby nachzugehen, fing das Ehepaar nochmals von vorne an. Am neuen Unternehmen sicherten sich die Clozels grosse Anteile, um endlich unabhängig arbeiten zu können. Und Forschung so zu betreiben, wie sie das wollen.

Das Ehepaar, inzwischen schweizerisch-französische Doppelbürger, ging 2017 mit Idorsia an den Start. Jean-Paul machte sich zum Chef vom Idorsia und kürzte seinen Lohn gleich um die Hälfte. Die Leitung der Forschungsabteilung übernahm Ehefrau Martine, die lieber im Hintergrund bleibt. Die beiden betonten immer, dass Idorsia eine Fortsetzung von Actelion ist und auf 20-jähriger Erfahrung beruht. Die Vision: Medikamente entwickeln, für die ein Bedürfnis da ist und für die die Grösse des Marktes keine Rolle spielt. Die Erwartungen und der Druck auf das Ehepaar waren entsprechend hoch.

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«Wenn man nichts hat und scheitert, sagen alle: ‹Das war ja zu erwarten.› Wenn man aber schon viel erreicht hat und dennoch scheitert, ist der Fall für alle klar: Dann werden alle uns die Schuld geben und sagen, wir hätten Fehler gemacht.»
Clozel gegenüber der «Handelszeitung»
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Der Start gelang halbwegs: Aus dem Nichts stand Idorsia schnell mit gefüllter Forschungspipeline und eingespieltem Team da. Im Mai 2022 wurde das Schlafmittel Quviviq in den USA auf den Markt gebracht. Trotz Werbung durch Schauspielerin Jennifer Aniston (54) kommt Quviviq nicht vom Fleck. Mit 11,8 Millionen Franken Umsatz im ersten Halbjahr ist das Verkaufspotenzial noch lange nicht ausgereizt. «Viele Ärzte warten erst einmal ab, wie die Entschädigung durch Krankenkassen geregelt wird, bevor sie das neue Medikament von Idorsia verschreiben», so Nawrath. 

Das Problem: «Clozel führt Idorsia weiter wie Actelion. Aber dieses Mal sind bis jetzt noch keine Umsätze durch Mega-Blockbuster wie Tracleer in Sicht», sagt Experte Nawrath. Clozel entschied sich für Projekte, die zwar hohen medizinischen Nutzen, aber viel Zeit, Aufwand und am Ende des Tages auch Geld verbrauchten. Trotz Milliarden-Mitgift von Johnson & Johnson verbrannte Idorsia zu schnell zu viel Geld.

Nicht wieder verkaufen müssen

Müssen Clozels auch ihr zweites Baby verkaufen? Wie die «Handelszeitung» Ende November schrieb, betone Jean-Paul Clozel stets, dass Idorsia nicht zum Verkauf steht. Ein Interview Jean-Paul Clozels mit Blick kommt nicht zustande, weil derzeit zu viel los sei.

Hinsichtlich der Vergangenheit der energetischen Clozels dürfte aufgeben und in Rente gehen noch lange keine Option sein. Im Falle Idorsias stellt sich allerdings die Frage, ob überhaupt ein Käufer mit einem guten Angebot bereitstehen würde.

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