Der Lohn ist in der Schweiz immer noch ein Tabuthema. Doch es gibt erste Ausnahmen. «Die Geheimnistuerei bringt niemanden etwas», sagt Manuel Wiesner (36). Gemeinsam mit seinem Bruder leitet er die Familie Wiesner Gastronomie. Zur Kette gehören unter anderem die Negishi Sushi Bar, das Miss Miu, das Nooch Asian Kitchen, das Outback Lodge und der Burgerladen The Butcher. Seit März 2021 wird Lohntransparenz bei ihnen grossgeschrieben.
«Ich verdiene 20'690 Franken im Monat», sagt Wiesner deshalb – als würde er gerade über das Wetter sprechen. Dabei musste er zuerst noch überlegen, weil die Löhne für 2023 angepasst wurden. Alle Mitarbeitenden haben jetzt einen Fixlohn, es gibt keine Prämien mehr. Ein Fünftel des Gewinns geht direkt an die Angestellten.
Tiefe Lohnschere
Der tiefste Lohn in der ganzen Restaurantkette liegt bei 3582 Franken pro Monat. Wiesner verdient 5,8-mal mehr. 465 von 940 Mitarbeitenden bekommen einen Lohn unter 4000 Franken, was durchaus branchenüblich ist. «211 davon sind Velokuriere», führt Wiesner aus. Oft Studierende, die Teilzeit arbeiten. Und egal, ob man im Outback am Zürich Stadelhofen oder in der Nooch Asien Kitchen in Bern arbeitet, alle verdienen gleichviel. Zur Kette gehören 34 Restaurants in der Deutschschweiz.
Das Thema Lohn hat seit der Einführung der Lohntransparenz an Bedeutung verloren. «Wir können uns jetzt bei Bewerbungsgesprächen auf das Wesentliche konzentrieren», sagt Wiesner. Dabei setzt die Gruppe auf Weiterbildung.
Auf der Website der Familie Wiesner Gastronomie findet sich ein Lohnrechner. Damit können potenzielle Mitarbeitende ihren zukünftigen Lohn errechnen. Dafür muss man nur die gewünschte Funktion, seine Berufsbildung und Arbeitserfahrung angeben.
Bei allen neuen Mitarbeitenden kommt das Konzept sehr gut an. Ältere Mitarbeiter hätten sich zuerst daran gewöhnen müssen. Da Wiesner und sein Bruder ihre Löhne aber als Erste offengelegt hatten, löste sich die Hemmschwelle bald auf.
Lohn kaum mehr ein Thema
Unter den Mitarbeitenden scheint der Lohn kein grosses Thema zu sein. «Wir sprechen untereinander eigentlich nicht über den Lohn», sagt Sarah Ehrismann (36), stellvertretende Geschäftsführerin in der Outback Lodge. Seit 2023 verdient sie 5560 Franken auf hundert Prozent, seit zwei Jahren arbeitet sie im Outback.
Dabei können die Mitarbeitenden bei der Personalabteilung auf Wunsch alle Löhne einsehen. «Da mit den Löhnen so offen umgegangen wird, komme ich gar nicht auf die Idee, beim HR nachzufragen», sagt Ehrismann. Das scheinen auch die anderen Angestellten zu denken. Denn seit der Einführung hat es gemäss Wiesner weniger als 20 Anfragen im HR gegeben.
Wiesner ist sich sicher: Die Lohntransparenz wird kommen. «Die Generation Z spricht über ihre Löhne. Wenn Firmen jetzt keine Lohngleichheit einführen, wird das in fünf Jahren ans Licht kommen.»